Können, sollen, müssen – Der moralische Diskurs

Durch die direkt an den Leser gerichteten Ratschläge oder Handlungsanweisungen besitzt der moralische Diskurs etwas Appellhaftes und Aufforderndes. Texte, die dem moralischen Diskurs zugeordnet werden, setzen sich kritisch mit einem Thema auseinander und zeigen Widersprüche auf. Auffordernde Überschriften oder Zeilen sind deshalb keine Seltenheit. Zudem zeigt sich oft indirekt die subjektive Meinung des Autors.

Die Themenfelder, in denen Moralisierungen vorkommen, variieren sehr stark. Dementsprechend scheint Moral in vielen Gebieten Anwendung zu finden – von Politik und Familienleben, über Kultur bis hin zur Wirtschaft und Medizin. Eine besonders häufig auftretende Thematik ist jedoch die Medienkritik, weswegen die Internetseite Übermedien, welche hauptsächlich Fehltritte in Medien behandelt, vielfach moralische Diskurse aufweist.

Neben der Website Übermedien, ließen sich bei den Websites Ze.tt, Netzpolitik und der FAZ viele moralische Diskurse finden. In Zusammenhang mit dem moralischen Diskurs zeigt sich, dass zumindest bei Netzpolitik und bei Übermedien auf eine Art moralische Finanzierung gesetzt wird. Beide Seiten nutzen ein Spendenmodell und rufen ihre Leser dazu auf, freiwillig für das journalistische Angebot zu zahlen (vgl. Abbildung 4).

Abbildung 4 Quelle: Netzpolitk.org (01.07.2016). Online: https://netzpolitik.org (zuletzt aufgerufen am 01.07.2016).

Abbildung 4
Quelle: Netzpolitk.org (01.07.2016). Online: https://netzpolitik.org (zuletzt aufgerufen am 01.07.2016).

Wie genau solche Spendenmodelle funktionieren und welche weiteren Finanzierungsmöglichkeiten es für den Online-Journalismus gibt, kann hier nachgelesen werden. Neben den genannten Websites, die häufig emotionale und moralische Werbekommunikation nutzen, sollte zukünftig auch der Internetauftritt der Taz anhand einer Diskursanalyse untersucht werden, denn auch hier werden die Leser zur Spende aufgerufen, um unabhängigen Journalismus und Qualitätsjournalismus zu unterstützen.

Ratschläge, die indirekt oder direkt formuliert sein können, lassen sich bis auf eine Ausnahme in allen Texten finden. Besonders gehäuft kommen sie auch hier bei Medienkritiken (Übermedien) mit bis zu vier Ratschlägen pro Artikel vor.

In seiner sprachlichen Gestaltung stützt sich der moralische Diskurs auf indirekte und/oder rhetorische Fragen (ihr Vorkommen unterscheidet sich von Website zu Website). Modalverben wie „sollen, wollen, können, müssen und dürfen“ fungieren als Ausdruck von Möglichkeit oder Notwendigkeit und unterstreichen den moralischen Charakter des Diskurses sehr gut. So kommt bis auf eine Ausnahme mindestens ein Modalverb pro Text vor. Die meisten Modalverben waren bei dem Medium Übermedien vorzufinden. In drei moralischen Texten sind dort insgesamt 22 dieser speziellen Verben vorherrschend. Außerdem sind bewertende Passagen im moralischen Diskurs häufig präsent, obwohl Subjektivität eigentlich kein journalistisches Handwerkszeug sein sollte. Weiterhin wird Relevanz häufig (künstlich) durch die mehrfache Betonung von vorhandenen Problemen und größerer Betroffenheit erzeugt.

Die Ergebnisse des Forschungsprojektes decken sich mit dem bisherigen Stand der Forschung: Hektor Haarkötter (2013) hat sich bereits mit Moral im Journalismus befasst und drei verschiedene Medien (SZ, Bild und Bunte) bezüglich moralischer Elemente untersucht. Er fand ebenfalls heraus, dass diese nicht selten im Journalismus vorkommt und vermutet daher, dass Moral benutzt wird, um einen Berichtsgegenstand, welcher eventuell nicht unbedingt thematisiert werden müsste, zu rechtfertigen. Eine Dar- oder Gegenüberstellung verschiedener Positionen bleibt infolge dessen meist aus. Außerdem fiel Haarkötter in seiner Analyse auf, dass es meist stark themenabhängig ist, was moralisiert wird. So taucht die Moral nicht in allen journalistischen Artikeln auf. Vor allem in der Wirtschaft gebe es mit nur acht Prozent sehr wenig Moral. Stattdessen seien die Moraltexte besonders in unterhaltenden Medien präsent. Zudem äußert sich Moral meist in Form von direkten Handlungsanweisungen, Ratschlägen und Appellen, welche sich direkt an den Rezipienten richten. Eine weitere Besonderheit scheint außerdem die Integration von Fragesätzen zu sein, die Haarkötter als eine Umkehrung von Imperativen deutet, um diese Aufforderungen etwas zu „verschleiern“ und nicht ganz so offensichtlich darzustellen. Ob dies eine bewusste Strategie ist, sei dahingestellt. Klar ist jedoch, dass auch Fragen einen handlungsauffordernden Charakter besitzen können.

Insgesamt stehen moralische Texte jedoch im Widerspruch zu der eigentlichen Aufgabe des Journalismus, denn im Grunde ist Moralisieren keine journalistische Leistung; stattdessen sollte Journalismus objektiv und neutral sein und keine Verhaltensaufforderungen geben.

Abbildung 5 Quelle: Übermedien (14.05.2016): Pfundsfreundliche Fernsehpfuscher. Online: http://uebermedien.de/4683/pfundsfreundliche-fernsehpfuscher/ (zuletzt aufgerufen: 23.06.2016).

Abbildung 5
Quelle: Übermedien (14.05.2016): Pfundsfreundliche Fernsehpfuscher. Online: http://uebermedien.de/4683/pfundsfreundliche-fernsehpfuscher/ (zuletzt aufgerufen: 23.06.2016).