„In einer rassistischen Gesellschaft ist es nicht genug, kein Rassist zu sein. Man muss anti-rassistisch sein.“ – Angela Davis
Der digitale Antirassismus Workshop mit 20 Teilnehmer*innen wurde von Theresa und Maurice vom Anti-Rassismus Informations-Centrum kurz ARIC- NRW e.V. durchgeführt.
Begonnen haben die beiden den Workshop mit einer Aktivierung, in der die Teilnehmer*innen Fragen zu Theresa und Maurice in einem Padlet beantworten sollten um damit ihre erste Eindrücke zu schildern. Die Fragen lauteten: Wer sind wir? Wo/wie sind wir aufgewachsen? Was machen wir beruflich? Welche Hobbies haben wir? Welche Sprachen sprechen wir? Anschließend lösten sie die Fragen in einer kurzen Vorstellungsrunde auf und uns wurde bewusst, dass wir viele Annahmen in kurzer Zeit über unser Gegenüber aufstellen, die nicht unbedingt der Wahrheit entsprechen und die – wie Maurice betonte – je nach Zeitpunkt des Eindrucks sehr unterschiedlich ausfallen können. Er machte uns außerdem darauf aufmerksam, dass wir immer nur unsere kleine Perspektive auf Personen haben und wir uns dieser Perspektive immer bewusst sein müssen. Anschließend stellten sich auch die Teilnehmer*innen vor, was sie studieren, ob sie sich schon mit Antirassismus beschäftigt haben und erwähnten einen Funfact über sie – auch um die Runde aufzulockern und uns für die folgende Gruppenaufgabe einander bekannt zu machen.
Die Gruppenaufgabe gestaltete sich so, dass wir unterschiedliche Bilder aus Werbekampagnen von Hilfsorganisationen oder Konzernen sowie Titelseiten von Magazinen in den Kleingruppen betrachten, beschreiben und einordnen sollten, ob und was wir daran problematisch finden. In der anschließenden Besprechung stellten wir fest, dass auch Hilfsorganisationen mit eigentlich guten Absichten sich häufig rassistischen Bildern bedienen und Konzerne wie selbstverständlich problematische Darstellungen reproduzieren, um ihre Produkte zu vermarkten. Maurice machte uns dabei darauf aufmerksam, dass die Intention nicht darüber entscheidet, ob etwas rassistisch ist oder nicht. Besonders bei Hilfsorganisationen kommt außerdem der White-Saviour-Complex zum Vorschein: die weißen Wohlstandsländer helfen der schwarzen Dritten Welt. Was eine sehr vereinfachte und problematische Sicht der Dinge ist.
Anschließend gaben Theresa und Maurice uns viel Input, was Rassismus ist eigentlich ist, wie er bedingt wird und welche Formen es gibt.
Rassismus ist anders als häufig angenommen keine angeborene Eigenschaft, eine Art Angst vor etwas Unbekanntem, sondern ein erschaffenes Konstrukt, das seinen Ursprung im europäischen Kolonialismus hat. Die daraus entstandenen Rassentheorien, die die Menschheit in verschiedene Rassen unterteilt und heute als überholt gelten, waren die Grundlange der Annahme, dass die „weiße Rasse“ über allen anderen steht und somit Aneignung, Ausgrenzung und Mord der anderen legitimiert und validiert. Rassismus ist eine Form der Diskriminierung. Diskriminierung wird durch die Zusammenkunft von Differenzierung und Macht ermöglicht. Differenzierung meint Vorannahmen, Vorurteile und Stereotype, sowie Normen und Werte, also die konstruierten Grundannahme, dass die eine Gruppe sich von der anderen grundlegend unterscheidet. Macht schlägt sich in Privilegien, Fähigkeiten, Ressourcen sowie gesellschaftlichen Positionen nieder, die die eine Gruppe der anderen Gruppe voraus hat. Diskriminierung – und auch Rassismus als eine Form der Diskriminierung – kann auf interaktioneller, instituioneller/struktuller und ideologischer Ebene geschehen.
Rassismus auf individueller Ebene ist zum Beispiel der sogenannte Alltagsrassismus. Also zum Beispiel Fragen wie: „Wo kommst du wirklich her?“ Maurice wies uns darauf hin, dass hierbei nicht die Neugier, sondern das Timing das Problem darstellen. Häufig beenden die Gesprächsteilnehmer*innen das Gespräch, sobald sie die erwartete Antwort erhalten haben und außerdem schlägt sich in dem andauernden Nachfragen nieder, dass das Gegenüber der betroffenen Person abspricht, selbst zu wissen, wo er*sie herkommt.
Rassismus auf instituioneller Ebene geschiet beispielsweise in der Schule. So zeigt sich in mehreren Studien, dass Schüler*innen mit Migrationshintergrund seltener eine Gymnasialempfehlung erhalten – ganz ungeachtet der Leistungen.
Rassismus auf struktureller Ebene zeigt sich in Gesetzen und Regelungen, wodurch häufig ein Teufelskreis entsteht. Beispielsweise der Ausschluss der Teilnahme an Gesellschaft, ohne der deutschen Sprache mächtig zu sein, was Erlernen der deutschen Sprache erschwert.
Rassismus auf diskursiver Ebene ist die Darstellung und Reproduktion von rassistischen Bildern und Wörtern in (sozialen) Medien, Büchern oder Bildern – wie sie in der Gruppenarbeit festgestellt wurden.
Theresa und Maurice erwähnten immer wieder, wie sehr Sprache unsere Wirklichkeit und Realität bestimmt und dass es daher wichtig ist, eine rassismuskritische Sprache zu verwenden. Häufig handelt es sich um Fremdbezeichnungen, um bestimmte Personengruppen und Kulturkreise zu bezeichnen, die von diesen immer als verletztend wahrgenommen werden und deren Verwendung ganz ungeachtet der Intention – zum Beispiel als Witz oder Sarkasmus – vermieden werden sollte, da sie immer rassistisch ist. Alternativ bieten sich akzeptiere Selbstbezeichnungen, wie Schwarz, BIPoC (Black, Indigenous and People of Colour), Sinti*zee und Rom*ja, oder auch wenn nötig zensierte Bezeichnung, wie N-Wort, I-Wort, Z-Begriff, an.
Anschließend aktivierten Theresa und Maurice die Teilnehmer*innen mit einer Übung zur Einschätzung von Äußerungen, die uns im Alltag und besonders im Lehrer*innenzimmer begegnen (können) und baten uns in Ampeldarstellung einzuordnen, ob wir diese als problematisch empfinden. Eine dieser Äußerungen, bei der die Einschätzung weit auseinanderging, lautete „Gute Lehrer*innen sehen keine Hautfarben“. Wir diskutierten darüber, was daran problematisch sein kann und Theresa und Maurice erläuterten, dass diese Einstellung dazu führt, dass die*der Lehrer*in, die Lebensrealitäten und die Probleme, denen BIPoC gegenüberstehen, ausblenden und daher nicht dazu beitragen können, Rassismus entgegenzuwirken und ihre eigenen rassistischen Einstellungen letzlich nicht hinterfragen, da sie ja gar nicht rassistisch sein können. Dass Letzteres nicht stimmen kann, machte Maurice uns sehr deutlich, indem er auf Topuka Ogettes Buch „exit Racism. Rassismuskritisch denken lernen“ verwies – wird sind alle von Geburt an rassistisch sozialisiert worden.
Maurice wies uns außerdem darauf hin, dass es eine Form von Rassismus gibt, die bisher nicht häufig erwähnt wird, nämlich den Antizipierten Rassismus, der sich in der Furcht vor zu erwartendem Rassismus bei von Rassismus betroffenen Personen zeigt. Er erzählte uns auch von Erfahrungen aus seinem Leben und dass es sich in Situationen, in denen er in der Öffentlichkeit rassistisch angegriffen wurde, das Nicht-Handeln von anwesenden Personen als Zustimmung gewertet hat. Ein kleiner Impuls, dass wir den Mut aufwenden sollten, Position zu beziehen, auch wenn es darum geht, rassistischen Äußerungen gegenüberzutreten.
In der letzten Übung sollten wir eben diese Situationen besprechen und unsere Handlungsmöglichkeiten, um im Lehrer*innenzimmer bei rassistischen oder problematischen Äußerungen Stellung zu beziehen. Uns wurde bewusst, dass es dafür keine Allgemeinlösung geben kann und dass unsere Argumente schnell abgetan werden können, auch wenn wir viel Energie aufwenden und schließlich das Gefühl zu haben, nichts erreicht zu haben. Dennoch sollten wir an Möglichkeiten arbeiten, Antirassismus in die Schulen zu tragen und versuchen Grenzen zu überschreiten. Vielleicht nehmen wir diesen Ansatz aus dem Workshop als unsere Aufgabe an die Schulen mit und gehen den rassismuskritischen Weg – trotz der Tatsache, dass dieser sicherlich nicht einfach sein und uns viel abverlangen wird.
Hier ein paar Worte der Teilnehmer*innen zum Workshop:
Rassismus ist präsenter, vielfältiger und (auch) subtiler als erwartet.
Maurices Erfahrungen sind mir sehr nah gegangen und haben mir nochmal geziegt, dass ich Rassismus niemals nachempfinden kann, aber immer an mir arbeiten sollte, um antirassistisch zu sein.
Mich hat vor allem die Werbung von Dove und Nivea gewundert. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass in der aktuellen Zeit Rassismus einen Platz in der öffentlichen Werbung hat.
Werde mehr über Alltagsrassismus/Mikroagression
nachdenken und versuchen zu beobachten.
Ich habe nun einen verstärkten Blick auf antizipierten und alltäglichen Rassismus.
Wir hoffen, dass wir unsere Zusammenarbeit mit Maurice und Theresa von ARIC-NRW fortführen können.
Wenn Du dich über ARIC- NRW e.V. informieren möchtest, kommst Du hier zur Website: https://aric-nrw.de/
Wenn Du nicht bis zum nächsten Workshop abwarten kannst, um Dich mit Antirassismus zu beschäftigen, haben wir hier eine Zusammenstellung an Literatur und anderen Quellen zum Thema für Dich: https://blogs.uni-siegen.de/lwl/2021/01/16/literaturguide-antirassismus/
Marlena