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Der Tipp der Woche

Der Tipp der Woche #13

Um guten Wohnraum wird selbst in einer vermeintlich „kleinen“ Universitätsstadt wie Siegen gerungen. Auch bei stark begrenztem Budget gibt es große Qualitätsunterschiede zwischen den Wohnungen, die man sich als Studierender leisten kann. Es ist praktischer, direkt in der Innenstadt zu wohnen als am Rande Siegens. Es ist in den bevorstehenden Sommermonaten ein großer Luxus, einen Balkon oder gar Garten zu besitzen anstatt in der Dachgeschosswohnung zu verglühen. Große Küche? Super! Zusätzlich noch ein Wohnzimmer? Umso besser!

Doch jeder Studierende, der mal in einer WG gewohnt hat, wird ebenso zugeben: der Balkon mit Überblick über die ganze Stadt, der grüne Garten, die geräumige Küche und das Wohnzimmer mit Sitzlandschaft helfen allesamt nicht, wenn der Haussegen schief hängt und man sich mit seinen Mitbewohnern nicht versteht.

Das wäre bereits problematisch unter normalen Umständen, doch während einer Pandemie? Wenn man nicht mehr die Möglichkeit besitzt, sich aus dem Weg zu gehen?

Diese Vorstellung thematisiert ein französischer Philosoph in einem seiner bekanntesten Werke.

„Die Hölle, das sind die anderen“. Mit diesen Worten lässt Jean Paul Sartre sein Theaterstück „Geschlossene Gesellschaft“ enden. Die drei Hauptfiguren, die Postangestellte Inès, die wohlhabende Estelle und der Journalist Garcin, befinden sich nach ihrem Tod im Jenseits und erwarten, für ihr im Leben begangenes Unrecht in der Hölle gelandet zu sein. Statt Fegefeuer erwartet die drei Protagonisten jedoch lediglich ein Raum, in welchen sie eingesperrt werden. Ihnen wird schnell bewusst, dass ihre Form der Bestrafung darin besteht, sich wechselseitig auf psychischer Ebene zu quälen, sich hierdurch den Tod zur Hölle zu machen.

Sartre schreibt dazu: „Wenn meine Beziehungen schlecht sind, begebe ich mich in die totale Abhängigkeit von anderen. Und dann bin ich tatsächlich in der Hölle. Und es gibt eine Menge Leute auf der Welt, die in der Hölle sind, weil sie zu sehr vom Urteil anderer abhängen“.

Ich hoffe, dass eure WG Situation nicht der Höllenkonzeption Sartres gleicht. Ich würde jedoch lügen, wenn ich behaupten würde, mir wären nicht schwierige  WG Konstellationen in meiner Studienzeit begegnet. Manche waren gar nicht so weit von Inès, Estelle und Garcin entfernt.

Falls ihr einen neuen Blick auf die Bedeutung von Anerkennungs- und Missachtungserfahrungen gewinnen wollt, kann ich euch Sartres Theatherstück nur empfehlen. Und vielleicht könnt ihr euch, bei allen Streitigkeiten, die in einem Jahr Pandemie auf engstem Raum entstehen können, versichern, dass es noch nicht ganz so schlimm ist, wie in der Hölle zu sein. Oder vielleicht doch?

„Geschlossene Gesellschaft“ von Jean Paul Sartre gibt es für 5€ im Rohwolt Taschenbuch Verlag. Im Internet lassen sich zahlreiche Aufführungen des Theaterstücks finden.

Jens


Es handelt sich herbei um unbezahlte Werbung.

 

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