Popcorn und Pop(Teil 1)von Thomas Hecken12.10.2012

Dass wir für unsere Printausgabe »Pop. Kultur und Kritik« als Obertitel »Pop« benutzen können, zeigt das Ende eines längeren Weges an.

Vor nicht allzu langer Zeit wäre es kaum denkbar gewesen, eine überwiegend von Wissenschaftlern betriebene Zeitschrift unter diesem Titel herauszubringen. Man kann das gut an den älteren englischsprachigen Zeitschriften mit ähnlichen Themen und vergleichbarem wissenschaftlichen Hintergrund sehen: Sie verwenden allesamt noch den traditionsreichen »Popular«-Begriff, nicht etwa »Pop«. Es gibt: »Journal of Popular Culture«, »Popular Music«, »Journal of Popular Music Studies«.

Wenn das selbst in den Mutterländern des Pop, Amerika und England, so ist, kann es selbstverständlich im deutschsprachigen Raum nicht anders sein: In der Vergangenheit ist das Pop-Wort stets für Teenager- und Twen-Illustrierte reserviert gewesen. Jürg Marquard begann seine verlegerische Laufbahn 1965 in Zürich mit der Zeitschrift »Pop«. Hier ein Blick in ein Heft aus dem vierten Jahrgang, einige Seiten mit dem typischen Kunstgriff, libertäre jugendliche Trends und neuere Grafik-Stile mit älterem Gestus zu lancieren.

Später interessierte der libertäre Zug in keiner Form mehr, und aus »Pop« wurde irgendwann ein Pendant zur »Bravo«: »PopRocky«. Bei ebay kann man Ausgaben noch auftreiben. Ein optimistischer Verkäufer schreibt: »PopRocky 1/95 mit East 17 Poster Heft ist komplett top« – und will darum 8,99 Euro für seine Ausgabe. Andere sind realistischer und begnügen sich mit Ein-Euro-Forderungen, selbst wenn die Hefte längst Geschichte sind: 1998 ging »PopRocky« in »Popcorn« (ebenfalls ein Marquard-Produkt) auf, die Rechte an allen Jugend- und Musikzeitschriften wandern bereits ein Jahr später an den Axel Springer Verlag. Einige Bedeutung besitzt »Popcorn«, weil es zusammen mit »Mädchen« das (nach Auskunft der Marquard Media Group) erste Blatt war, das noch 1988, vor dem Untergang des Sowjetreichs, von einem westlichen Verleger in einem Ostblockland (Ungarn) herausgebracht werden durfte. Die Zukunft des Reformkommunismus konnte man anhand solcher Zeichen wohl problemlos vorhersagen. Auf der Website der Marquard Media Group erfährt man denn auch, dass Jürg Marquard 1995 zum Honorargeneralkonsul Ungarns ernannt und 2006 die Ehrenmedaille »Held der Freiheit« verliehen wurde.