Unsere Kolumne zu Netz-Artikeln stellt in diesem Monat aktuelle Beiträge lange bekannter Popjournalisten vor.
Angeregt durch die Lektüre älterer »Spex«-Artikel, verfiel ich auf die Idee, nachzuschauen, was unsere englischen Leitautoren der 1980er Jahre aus »Face«, »NME« und »Melody Maker« heute so schreiben.
Nachdem ich die Artikel zusammengesucht habe, kann ich nicht anders, als mit Jon Savage zu beginnen. Sein Interview setzt den Ton für den Rest. Frage: »Don’t you feel any sense of irony or contradiction that something so antithetic to the hegemony of cultural institutions is now lionized in one the greatest cultural institutions?« Antwort Savage: »No irony at all. It’s so historical, it’s unbelievable. Why shouldn’t it be in a museum? That’s the way that history is made. Punk should be in history because it was great and it’s also very alive.« (Interview mit »Papermag«) Ein Minimum an Ironie sollte man aber doch verspüren, wenn ein ehedem situationistisch inspirierter Autor wie Savage heutzutage häufig selbst für Museen arbeitet.
Ebenfalls wie Savage ist auch Paul Morley an der Londoner Bowie-Ausstellung beteiligt. Er schreibt Sätze wie: »Yet even as the ›make it new‹ modernist mantra gets chewed up and scrambled in the pseudo-democratic, oddly cautious and fearful, babbling internet era, Bowie maintains an optimistic loyalty to the purist idea of progress, and the importance of distinctive, disobedient imaginative action.« (»The Telegraph«) Wie er auf den Gedanken kommt, solche Sätze trügen zu solcher Aktion bei, bleibt sein Geheimnis.
Ian Penman fasst sich wesentlich kürzer, aber auch seine Twitter-Botschaften kommen oft von sehr weit her: »Interviewed David Byrne once. No real memory of him, only his gorgeous New York loft & fact he had Evelyn Champagne King 12’’.« (Twitter)
Simon Reynolds Stimme scheint hingegen direkt aus dem Grab zu kommen. In seinem Artikel bzw. seiner Homestory zu Daft Punk heißt es gleich zu Beginn tatsächlich: »But for all their jet-setting, there’s little evidence of rock star flash to be seen (well, apart from the Porsche that Mr. de Homem-Christo has parked in the driveway).« (»New York Times«)
Zum Schluss: Julie Burchill. Schafft es heute noch, ›Debatten auszulösen‹ (wer Zeit zu viel hat: hier der bestenfalls alberne Artikel, der sie um ihre Kolumne gebracht hat: »The Telegraph«). In ihrem Ausnahme-Fall wäre Beschränkung auf nostalgische Erinnerungen und Starberichte allerdings die viel bessere Lösung.