Mode Februarvon Volker Orthmann22.2.2015

Klassik und Sportswear: Eklektizismus als Stilprinzip in der Männermode­­­­

Der Sport zählt zu den wichtigsten Einflussgrößen im aktuellen Modegeschehen. Fest im Lifestyle-Urbanismus verankert, wird Sportswear im medialen und kommerziellen Kontext gerne mit seinen technologischen, funktionalen oder leistungsfördernden Aspekten in Verbindung gebracht.

Besonders wenn es um Männermode geht, kommen textile Performance, Fortschrittlichkeit und Bequemlichkeit meistens stärker zum Tragen als ästhetische Kategorien. Dabei ist die stilistische Verbindung von traditionellen Kleidungsstücken und Sportswear-Elementen der interessantere Aspekt, denn die Verschmelzung von Korrektheit und kalkulierter Nachlässigkeit bildet eines der mächtigsten und nachhaltigsten Stilprinzipien innerhalb der Männermode des 20. und bisherigen 21. Jahrhunderts.

Immerhin hat Sportkleidung in den 1920er Jahren nicht nur die weibliche Emanzipation befördert, sondern auch der Männermode Alternativen zur strengen Etikette der viktorianischen Ära aufgezeigt. Wichtig sind in diesem Zusammenhang weniger die Wahlmöglichkeiten zwischen Freizeitkleidung und dem geforderten Habit des Berufslebens (die gab es auch schon vorher), sondern Momente, in denen die Grenzen zwischen beiden Bereichen durchlässig werden.

Persönlichkeiten wie Edward VIII oder die großen Tennisspieler der 20er und 30er Jahre waren so etwas wie Pioniere der „Casualisierung“ und des subtilen Regelbruches, indem sie gängige Alltagskleidung mit Elementen aus Sport und Freizeit zusammenbrachten.

In den Dekaden des sich zuspitzenden Generationskonfliktes, den 60er und 70er Jahren, waren solche subtilen Stilmixturen eher selten, da die Mode entweder einem klassischen Regelwerk gehorchte oder sich betont offensiv gegen solche Konventionen stemmte.

Erst in den von Hedonismus und Körperbezogenheit geprägten 1980er und 90er Jahren wird die Durchmischung von Klassik und Sportswear wieder ein wichtiges Gestaltungsmittel. Giorgio Armani und Jil Sander, deren Modeauffassungen durchaus ähnlich gelagert sind, setzten in ihren frühen Männerkollektionen den Standard für einen raffinierten Eklektizismus, der sich irgendwo zwischen sartorialem Anspruch und Wellness-Gefühl bewegt.

Inzwischen ist die Menswear wieder an diesem Punkt angekommen. Kaum eine der kürzlich für den Winter 2015 vorgestellten Kollektionen lässt sich die Möglichkeit entgehen, das reizvolle Zusammenspiel von Formellem und Informellem auszuloten und einmal mehr zu belegen, dass die Formel Eklektizismus=Zeitgeist stimmt.

René Lacoste

Tennis wurde ab den 1870er Jahren populär. Die aristokratischen Wurzeln der Sportart sorgten dafür, dass die Spieler auch auf dem Court in gepflegter, durchweg heller Kleidung agierten. Die Kombination aus hellen Flanellhosen und einem hoch geknöpften weißen Hemd war lange Standard. Das Bild zeigt René Lacoste. Im Jahr 1922 wurde die Idee für das berühmte Krokodil-Logo geboren. Lacoste wurde somit nicht nur als großer Spieler bekannt, sondern auch als Impulsgeber für einen individuellen Stil innerhalb des weißen Sports. Die Idee für ein bequemes, kurzärmeliges, heute als Polo-Shirt bekanntes Hemd wird ihm ebenfalls zugeschrieben.

 

Giorgio Armani

 

Giorgio Armanis Männerkollektionen gelten heute nicht mehr als wegweisend. In den 1980er Jahren war das noch ganz anders. Der „Armani-Look“ – durch etliche Filmausstattungen auch einem größeren Publikum bekannt geworden – beeinflusste eine ganze Generation nachhaltig. Seine weich konstruierten, in indifferentes „Greige“ getauchten Looks und die raffinierte Mischung aus Eleganz und verfeinerter Sportswear machten Armani zu einem der einflussreichsten Designer innerhalb der Männermode. Das Motiv ist Teil der für die Saison Herbst/ Winter 1986 fotografierten Kampagne.

 

Liam Hodges

 

Die Menswear-Kollektionen für den Winter 2015/16 sind voll von Klassik-Sport-Mixturen. Liam Hodges gehört zur Generation junger Londoner Designer, die sich im Rahmen der MAN Show präsentieren. Bekannt für seine markante, aus unterschiedlichen Quellen gespeiste Stilistik, zeigt Hodges eine Kollektion, die sich in weiten Teilen eindeutig auf Sportswear bezieht. Das komplett in Crème-Weiß gestaltete Unterthema erinnert an Workwear oder die Kleidung von Degenfechtern.

 

Hood by Air

 

Das Label Hood by Air – im Moment „so hip it hurts“ – macht das Hybride, Alienmäßige zur konzeptionellen Basis der aktuellen Kollektion. Die Looks changieren zwischen maskulin und feminin, gewöhnlich und theatralisch und natürlich zwischen klassischer Konfektion und Sportlichkeit.

 

Our Legacy

 

Dass in der neuesten Darbietung des schwedischen Kultlabels Our Legacy Stile gemixt werden, hat mit der Geschichte der Marke zu tun. Sie wird in diesem Jahr zehn Jahre alt und hat das zum Anlass genommen, Inspirationen aus Gegenwart und Vergangenheit ein einer Art stilistischem Mixtape aufzubereiten. Natürlich prallen dabei vor allem klassische Elemente und Sportswear Einflüsse aufeinander. Die Kombination aus technischem Top, farbigem Glencheck und konfektionierter Hose mit Bügelfalte ist eines der extremeren Beispiele aus der Kollektion.

 

Juun J.

 

Der koreanische Designer Juun J. ist vor allem für seinen kompromisslosen Einsatz von Oversize-Silhouetten bekannt. Insofern ist das Beispiel eher untypisch, zeigt aber deutlich die Kernbotschaft der aktuellen Winterkollektion: das Zusammenspiel von präzisem Tailoring, strengen Uniformelementen und funktionaler Sportswear.

 

Undercover

 

Hinter der Marke Undercover steckt der japanische Designer Jun Takahashi. Tailoring, Workwear und Sport bilden die Säulen seiner neuen Winterkollektion. Was hier wie eine formelle, schmal geschnittene Hose aussieht, ist in Wirklichkeit eine extrem elastische Sporthose aus Baumwoll-Stretch. Darüber hinaus wurden Jacken und Mäntel mit Taschen für das neue iPhone 6 aufgerüstet.

 

Volker Orthmann ist Consultant für die Mode- und Lifestylebranche und Dozent am Design Department Akademie für Mode und Kommunikation Düsseldorf.