Der Konsum der Reichenvon Thomas Hecken23.6.2016

Demonstrativer und exklusiver Reichtum

[zuerst unter dem Titel »Der Konsum der Reichen. Ein Essay zur gegenwärtigen Lage« erschienen in: Eva M. Gajek/Christoph Lorke (Hg.): »Soziale Ungleichheit im Visier. Wahrnehmung und Deutung von Armut und Reichtum seit 1945«, Campus Verlag, Frankfurt und New York 2016, S. 311-328]

Der Titel »Konsum der Reichen« macht sich die Möglichkeiten des Genitivs zunutze. Es soll nicht nur um das gehen, was Reiche konsumieren, sondern auch darum, wie Reiche konsumiert werden, was von ihnen visuell ›verzehrt‹ werden kann – und nicht zuletzt wird es in Kombination der beiden Punkte um das gehen, was Menschen, die selbst nicht vermögend sind, in der Gegenwart an medialen Angeboten bekommen, die Informationen und Bilder über Reiche und deren (potenzielle) Konsumgegenstände präsentieren.

Denn hier gilt einmal der Satz, dass man an Wissen über die Welt nur über Massenmedien gelange. Er gilt, wenn für ›man‹ Nicht-Reiche und für ›Welt‹ Reiche eingesetzt wird. Im alltäglichen Zusammenhang treffen Reiche fast nur noch auf ihresgleichen, auf Dienstpersonal (Stylisten, Finanzberater, Helikopterkapitäne eingerechnet) und mitunter auf Journalisten. Falls Reiche noch in ihrer (oder als hochbezahlte Manager für eine) Firma arbeiten, sehen die Arbeiter und Angestellten sie nur noch in seltenen Fällen (wenn überhaupt) auf Betriebsfesten und in Versammlungen. Der Firmengründer oder -erbe, der als Patriarch vielen seiner Untergegebenen (nicht nur dem Führungsstab) einen Händedruck oder in manchen Fällen sogar ein gutes Wort, so etwas wie persönliche Anteilnahme, jedenfalls seinen Anblick aus nächster Nähe gönnt, um die Gemeinsamkeit, die Verbundenheit im großen Ganzen körperlich zu manifestieren, bildet heute eine Ausnahme, falls er überhaupt noch existiert.

Aus diesen ersten Anmerkungen geht bereits hervor, dass der Begriff ›reich‹ hier nicht auf eine Eigenschaft von Personen zielt, die kleine oder mittelgroße, in jedem Fall wenig profitable Betriebe besitzen und/oder über Einkünfte und Vermögen in einstelliger Millionenhöhe verfügen. Unter ›Reiche‹ werden in diesem Aufsatz all jene gefasst, die jährlich (Stand 2015) auf Einkünfte zurückgreifen können (Zinsen, Dividenden, Mieteinnahmen, Tantiemen etc. eingeschlossen), die über zwei Millionen Euro liegen, und deren Vermögen zehn Millionen Euro übersteigt (inklusive Häuser, Autos, Aktien etc. zum aktuellen Nenn- bzw. Wiederverkaufswert; abzüglich Kreditverpflichtungen). Für Leute, deren Einkommen und Vermögen darunter liegt, die aber beim Einkommen auf das Fünffache des Durchschnittseinkommens (momentan 41.000 Euro Jahresbruttogehalt) und beim Vermögen über 500.000 Euro kommen, bleibt nach unserer Sprachregelung das Wort ›wohlhabend‹ reserviert. Was im Rahmen dieses Aufsatzes als ›reich‹ gilt, nennen andere »superreich« oder bezeichnen es als Eigenschaft von »Ultra-High Net Worth Individuals«.[1] Auf solche ›Ultra-Individuen‹, ›Superreiche‹ bzw. nach unserer Terminologie ›Reiche‹ richten sich die folgenden Überlegungen. Auf sie zielte bereits die Aussage, dass man Reiche selbst dann kaum oder gar nicht zu Gesicht bekommt, wenn ihnen die Firma gehört, für die man arbeitet.

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Auch im öffentlichen Raum außerhalb der Fabrik- und Bürogebäude sind die Reichen heutzutage wenig präsent. Auf Menschen, die über wenig oder gar kein Geld und kaum Besitz verfügen, trifft man auch als Angehöriger der Mittelschicht regelmäßig, wenn man Rathäuser oder Supermärkte aufsucht, zumindest treten sie einem als Bettler in den Innenstädten oder in der Nähe von Bahnhöfen entgegen. Reiche hingegen sieht man selbst in den Straßen, die Luxusgeschäfte beherbergen, kaum einmal vor Schaufenstern flanieren, höchstens treten sie rasch aus der Limousine in die Galerien, Juwelen- oder Designergeschäfte. Nicht selten – besonders wenn ihre Gesichter aus massenmedialen Veröffentlichungen einem breiteren Publikum bekannt sind und es ihnen nicht um Publicity geht –, lassen sie den Laden absperren, damit sie exklusiv die Boutique in Augenschein nehmen können, wenn ihnen nicht ohnehin Inhaber oder Angestellte des Geschäfts oder Stylisten ausgewählte Stücke in Privaträume oder Hotelsuiten bringen, aus Gründen der Bequemlichkeit und um jede Möglichkeit, von Passanten oder anderen Kunden gesehen zu werden, auszuschließen.

Ausgangspunkt: Prousts Recherche

Dass Reiche auf frei zugänglichen Straßen und Plätzen regelmäßig spazieren gehen, erscheint deshalb wie ein Traumgebilde, doch liegen solche Zeiten nicht weit zurück. Ein Beispiel aus dem Paris Ende des 19. Jahrhunderts: Marcel Proust beschreibt im zweiten Band von Auf der Suche nach der verlorenen Zeit eine Stelle unweit der Avenue du Bois (heute Avenue Foch, die breiteste und teuerste Pariser Straße, vom Triumphbogen ausgehend), an der Leute stehen, »die von dort aus die Reichen beobachteten, von denen sie höchstens die Namen kannten«.[2] Wie sie kann auch der Ich-Erzähler sonntags um 12 Uhr dort im Frühling zuverlässig auf eine durch Heirat zu Reichtum gekommene Frau und ihr Gefolge stoßen:

»Plötzlich erschien dann auf dem Sand der Allee, langsam, spät und üppig wie die schönste Blüte, die sich erst zur Mittagsstunde auftut, Madame Swann, von einer Toilette umwogt, die jedesmal eine andere, doch, wie ich mich zu erinnern glaube, meist malvenfarben war; dann hißte und entfaltete sie im Augenblick ihres größten Glanzes auf einem langen Stiel den Seidenwimpel eines großen Sonnenschirms vom gleichen Farbton wie die flatternden Blütenblätter ihres Kleides. […] Strahlend, beglückt durch das schöne Wetter, die Sonne, die noch nicht lästig war, die Sicherheit und Ruhe des Schöpfers ausstrahlend, der sein Werk vollendet hat und sich um das Weitere nicht mehr sorgt, in der Gewißheit, daß ihre Toilette – mochten gewöhnliche Passanten sie auch nicht zu schätzen wissen – die eleganteste von allen sei, trug sie diese für sich selbst und für ihre Freunde, natürlich, ohne ihr übertriebene Aufmerksamkeit zu zollen, doch auch ohne völlig unbeteiligt daran zu sein; sie hinderte die kleinen Schleifen an Rock und Taille nicht daran, leicht vor ihr herzuflattern wie Geschöpfe, deren Anwesenheit ihr bewußt war, denen sie jedoch mit aller Nachsicht erlaubte, sich ihrem Spiel hinzugeben.«[3]

Der Ich-Erzähler Prousts vergisst nicht, darauf hinzuweisen, dass Madame Swann ihrem Kleid – heute würde man sagen: ihrem Haute-Couture-Stück – keine große Bedeutung beimisst, sie es vielmehr wie selbstverständlich trägt und nicht affektiert oder stolz zur Schau stellt, etwas derart Teures auf der Straße präsentieren zu können. Das steht in merklichem Kontrast zum Erzähler, dem kein Detail zu unbedeutend erscheint und der die hohe Metaphorik des (nicht nur künstlerischen) Schöpfers aufbietet.

Als wolle er dies ausgleichen, macht der Ich-Erzähler deutlich, dass er nicht zu den Zuschauern gehört, die angesichts des glanzvollen und verfeinerten Luxus bloß den enormen Abstand ermessen, der zwischen ihnen und den reichen, äußerst eleganten Frauen – die »diesen Luxus um so natürlicher und notwendiger finden, als sie auch die anderen Menschen danach beurteilen, wie weit sie mit diesen Gewohnheiten vertraut sind« – liegt. Seine Reflexionen darüber zeigen, wie sehr er es versteht, nicht in der Gruppe der ohnmächtig Bewundernden aufzugehen, obwohl er selbst ebenfalls nicht über den Status der Bewunderten verfügt. »Zwischen Madame Swann und sich selbst spürte die Menge die Schranken einer ganz bestimmten Art von Reichtum, die ihr von allen am unüberwindlichsten scheinen«, konstatiert der Erzähler. Diese Distanz falle hier noch größer aus als gegenüber den aristokratischen Kreisen des Faubourg Saint-Germain, unter denen die Reichen wiederum selbst stünden und bei denen sie Eingang finden wollten: »Einer großen Dame gegenüber, die, schlichter gekleidet und leichter mit einer Kleinbürgerin zu verwechseln, dem Volk weniger fern ist, werden diese nicht das Gefühl der Ungleichheit, fast der Unwürdigkeit haben, das sie angesichts einer Madame Swann befällt.« Dem Erzähler, der seinerseits merklich in ihrem Bann steht, ist zumindest dieses Gefühl fremd, weil er in dem präsentierten Reichtum eine ästhetische Haltung erkennt, für die er selber einsteht, indem er sie mehr als nur auf den Begriff bringt: Die Besonderheit der »Gesellschaftsklasse«, der Madame Swann angehöre, bestehe darin, »daß sie, bereits von der Welt der Reichen losgelöst, selbst noch Reichtum war – aber ein modellierbar gewordener Reichtum, der einer Berufung, einem künstlerischen Gedanken gehorchte, formbares Geld, poetisch ziseliert«.[4]

 

Lartigue

Jacques-Henri Lartigue, Avenue du Bois de Boulogne, 1911
Harvard Art Museum

Vergleichbare Formbarkeit und ›Ziselierung‹ zeichnet auch die Sätze und Gedanken des Erzählers aus, als Reichtum kann man das allerdings nur metaphorisch bezeichnen, aus poetischen oder auf andere Art künstlerisch geformten Sätzen entspringt nicht notwendigerweise ein reiches Einkommen. Der Klasse Madame Swanns hingegen ist Geld ganz unmetaphorisch zu eigen, wenn es auch die Eigenschaft des Geldes ist, auf dem Wege des Kaufakts viele Gestalten anzunehmen, ihm ›Modellierbarkeit‹ also bereits insofern in höchstem Maße zukommt, als mit Geld viele Dinge, Ereignisse, Dienstleistungen gekauft werden können, Reiche demnach mit ihrem vielen Geld auf viele ›Modelle‹ zugreifen könnten.

Für Prousts Erzähler liegt aber die künstlerische Dimension des Reichtums nicht in solcher Kraft, verschiedenste Ausprägungen menschlichen Schöpfertums sich aneignen zu können, sondern in einer dem nützlichen Alltag entrückten Eleganz und reich verfeinerten Opulenz.[5] Mit der Pointe, dass sie am besonderen Beispiel Madame Swanns anschaulich wird, einer Frau, die vor ihrer Heirat als gehobene Prostituierte tätig war – der ästhetisierte Reichtum also in der Suche nach der verlorenen Zeit nicht das Vorrecht des alten Reichtums darstellt, sondern auch Emporkömmlingen eignet.

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Dennoch stellt die ästhetische Macht dieses Reichtums nach Beobachtung der Recherche eine enorme soziale Distanz her, jenes Gefühl »der Ungleichheit, fast der Unwürdigkeit«, das sich keineswegs bloß aus dem Wissen speist, über weniger Geld zu verfügen, das Unberufene aber trotzdem nicht davon abhält, sich den Beweis ihres Ungenügens, ihrer ästhetischen Armut immer wieder vor Augen zu führen, indem sie in der Nähe des Triumphbogens zu bestimmten Zeiten warten, um die Verkörperungen solchen Reichtums zu Gesicht zu bekommen. Die derart Angeschauten setzen sich diesem Blick auch fortwährend aus, ganz so, als glaubten sie, die von Prousts Erzähler festgestellte sozial-ästhetische Distanz schütze sie davor, nicht mit gebührendem Abstand betrachtet zu werden.

Exklusiv

Wie immer dies historisch gewesen und zu erklären sein mag, vor dem Hintergrund des Proustʼschen Romans treten die heutigen Konturen des Konsums der Reichen deutlich hervor. Von öffentlichen Plätzen und Alleen, auf denen sich Reiche mehr oder minder bewusst zur Schau stellen, ist nichts bekannt. Von Blicken konsumiert werden können sie allenfalls bei bestimmten Veranstaltungen, von denen bekannt ist, dass sie diese besuchen. Zu unterscheiden sind dabei Events und Aufführungen, zu denen auch weniger reiche Menschen Zutritt haben, von geschlossenen Veranstaltungen, die aber Unbefugten zumindest dadurch Einblick gewähren, dass der Zutritt zu ihnen nicht nur mit dem Fahrstuhl aus der Tiefgarage, sondern über Wege und durch Türen erfolgt, die von öffentlichen Straßen aus eingesehen werden können. In der festlichen Variante ist das mitsamt rotem Teppich, vorfahrenden Limousinen, Absperrungen, aufmerksamem Personal und diszipliniertem ärmeren Publikum zeremoniell vorgesehen und geordnet. Alle anderen Fälle sind vonseiten der Reichen unerwünscht, bewegen sich für sie an der Grenze zur Belästigung, darum versuchen die Inhaber jener Orte, in denen Reiche verkehren, dies von vornherein auszuschließen.

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Bei Veranstaltungen in Räumlichkeiten, die auch Ärmere besuchen dürfen, gibt es Vorkehrungen räumlicher wie zeitlicher Art, beide Gruppen voneinander fernzuhalten. In berühmten Kulturstätten – wie etwa dem Wagner-Festspielhaus – haben Reiche bei Premieren die Gewissheit, weitgehend unter sich zu bleiben,[6] aus anderen Bereichen bekommen nur Personen Einlass, die wenn auch nicht immer über große Einkommen und Vermögen, so doch über Macht (Politiker, Ministerialbeamte, Chefredakteure) oder Ansehen verfügen (etwa Groß-Künstler, liberale Intellektuelle).

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Wenn Aufführungen oft wiederholt werden oder in riesigen Arenen stattfinden, bleibt die Zusammensetzung des Publikums natürlich nicht derart homogen; falls Reiche ihnen beiwohnen, dann haben sie immerhin die Möglichkeit, sich räumlich abzusondern; selbst in Sportstadien gibt es mittlerweile Logen. In all diesen Fällen bleibt weniger vermögenden Leuten und solchen, die nicht sehr hohe Stellen in der Machthierarchie einnehmen, wiederum nur die Möglichkeit, an öffentlichen Eingängen Reiche kurz aus der Nähe zu betrachten, oder der Blick durch das Opern- und Fernglas.

Bei ihren Apartments und Häusern wollen Reiche genau das verhindern. Bauten auf Hügeln, einsame Lagen, große Anwesen, Bäume und hohe Mauern dienen auf unterschiedliche Art und Weise diesem einen Zweck. Selbst im Urlaub gibt man sich nicht immer mit einem teuren Hotel zufrieden, sondern mietet eigene Resorts oder Inseln oder kauft diese sogleich. Das ist alles nichts grundsätzlich Neues, eine historische Differenz ist allerdings zu verzeichnen: In der Gegenwart hat sich die im 19. Jahrhundert nicht ungewöhnliche Praxis, als Eigentümer seine Villa in der Nähe seiner Fabrik zu errichten, kaum erhalten. Auch hieran zeigt sich das Bestreben, als Reicher heutzutage einen großen örtlichen Abstand zwischen sich und Nicht-Reichen zu etablieren; der verlorengegangene Impetus, den Wohn- unmittelbar beim Firmensitz anzusiedeln, geht schwerlich nur auf ökologische Bedenken zurück.

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Demonstrativer Konsum

Andererseits geht das Bedürfnis, unbehelligt zu bleiben, nicht so weit, dass ein anonymer Stil bevorzugt wird. Die großen Anwesen, die hohen Mauern dienen selbstverständlich nicht allein dem Zweck, Blicke fernzuhalten. Sie ziehen wegen ihrer Größe gerade Blicke an – und sollen das auch, verweisen sie doch zuverlässig auf die prachtvollen Häuser, die sie verdecken. Auch läuft das Verlangen, an öffentlichen Orten den Kontakt mit Ärmeren zu vermeiden, nicht darauf hinaus, sich unsichtbar zu machen. Teure Autos und Kleidungsstücke, sei es in distinguierter oder ›lauter‹ Form, erzwingen geradezu Sichtkontakt, indem sie die Aufmerksamkeit auf sich lenken. Mit all diesen Dingen wird dokumentiert, dass man über viel Geld verfügt.[7] Wenn auch Ärmere bei den Konsumakten der Reichen nicht zugegen sind, sehen sie doch in der Öffentlichkeit mitunter die Ergebnisse dieser Konsumakte. Für öffentliche Momente wappnen sich Reiche zumeist nicht, indem sie sich billiger, somit anonymer ausstaffieren.

Das bekannte Wort dafür hat Thorstein Veblen 1899 geprägt: »conspicuous consumption«, in der deutschen Übersetzung: »demonstrativer Konsum« oder »Geltungskonsum«. Veblen geht es in »The Theory of the Leisure Class« um historisch unterschiedliche Formen, Vorrangstellung sichtbar zu machen. Unter »conspicuous consumption« versteht Veblen jene Anerkennungsform, die seiner Beobachtung nach bei insgesamt angestiegenem Wohlstand, bei verfeinerter Arbeitsteilung und durchgesetzter kapitalistischer Marktwirtschaft große Bedeutung erlangt: Reichtum werde erkannt und anerkannt, wenn ein forcierter Verbrauch von Gütern, die nicht lebensnotwendig oder geradezu unnütz sind, vorliege. Am Luxuskonsum zeigt sich der Grad des Reichtums und damit der Grad der Reputation.

Für Veblen ist es eine historische Tatsache, dass es nicht ausreiche, über viel Geld zu verfügen, um Anerkennung zu erlangen. Man müsse unter Beweis stellen, dass man zu den Reichen zähle: Die anderen, ärmeren Menschen müssen sehen können, wie reich man ist, damit sie einem Wertschätzung zollen. Anders als bei edler Haltung, feiner Sitte, geistreicher Sprache braucht es bei luxuriösen Gütern für die Feststellung, dass jemand vermögend ist und nicht eigene Hände zur Arbeit bemühen muss, keine Zeit und vertraute Kenntnis. In der Epoche großer, anonymer Städte und ausgebauter Fernverkehrsnetze besitzen verschwenderische Ausgaben, die sich in sichtbaren und leicht schätzbaren Gütern niederschlagen, den Vorteil unmittelbarer Deutlichkeit.[8]

Daran, dass ästhetisch positiv eingeschätzte Gegenstände oftmals luxuriöse Gegenstände seien, erweist sich für Veblen folgerichtig, welch hohes Maß die Anerkennung der Wohlhabenden erreicht hat. »We find things beautiful […] somewhat in proportion as they are costly«, stellt Veblen ebenso knapp wie vorwurfvoll fest, »so that we frequently interpret as aesthetic […] a difference which in substance is pecuniary only.«[9] Die Einschätzung des Ich-Erzählers in Prousts Recherche, das Kleid Madame Swanns sei »modellierbar gewordener Reichtum, der einer Berufung, einem künstlerischen Gedanken gehorchte, formbares Geld, poetisch ziseliert«, würde Veblen darum keineswegs teilen. Für ihn ist »modellierbar gewordener Reichtum« in Form teurer Gegenstände einfach nur das Standardmodell des Reichtums, das in der Welt ist, um zu belegen, wie vermögend die Eigentümer dieser Gegenstände sind.

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Von der Ästhetik des luxuriös Verschwenderischen abweichende Konzeptionen gehen für Veblen lediglich auf das geringere (Geld-)Vermögen ihrer Verfechter zurück. Nach Veblen ist unter dem Zeichen des Konsums eine Ästhetik der Interesselosigkeit schlicht unmöglich, materielle Zwänge diktieren die ästhetische Entscheidung. Nur unter dem Aspekt von »workmanship« und »economic interest« bestehe die Schönheit in der Zweckmäßigkeit: »among objects of use the simple and unadorned article is aesthetically the best.«[10] Der »conspicuous consumption« liegt nach Veblens Überzeugung genau die entgegengesetzte Schönheitsauffassung zugrunde: Ästhetisch bemerkenswert ist für sie der luxuriöse und nutzlose Gegenstand. Wegen der Verknüpfung von Luxus und Nutzlosigkeit kann man auch knapp sagen: der teure Gegenstand. Sein Konsum beweist unter anderem eine exzessiv ästhetische Haltung. Zwar ist diese Einstellung für Veblen selbst unter dem entscheidenden Gesichtspunkt von »human life or human well-being on the whole« nutzlos und beklagenswert, für den »individual consumer« sei sie es jedoch ganz und gar nicht. Der »conspicuous consumption« mitsamt ihrer verschwenderischen Ästhetik unterstellt Veblen durchweg individuell nützliche Motive und Zwecke.[11]

Reiche Spenden

Um diesen Zweck zu erreichen, kann es von Vorteil sein, ihn als Ziel zu verbergen. Viele Reiche nehmen den Standpunkt des Proust’schen Erzählers ein: Sie kauften teure Dinge nicht – betonen sie –, weil diese eben teuer seien, sondern weil sie schön seien, weil deren Qualität vielleicht sogar nicht nur auf hervorragendem Kunsthandwerk, sondern auf schöpferischem Kunstverstand gründe. Ihr Konsum teurer Dinge diene nicht dazu, kapitalistische Potenz unter Beweis zu stellen, sondern erfolge, um das Schöne und Kultivierte zu fördern. Darum könne man recht besehen gar nicht von ›Konsum‹ reden, denn ›Konsum‹ verweise auf vulgäre Stoffe und eine passive, manipulierte Aneignung, der luxuriöse Lebensstil hingegen beweise Sach- und Kunstverstand, ästhetische Verfeinerung. Man dürfe nicht nur das Zücken der Scheckkarte, den rasch, unproblematisch vollzogenen Kaufakt hervorheben, sondern müsse (an)erkennen, wie viel Zeit vonnöten sei, um einen erlesenen Geschmack und jene Kennerschaft zu entwickeln, die auf unendlich viel mehr als dem Ablesen des Preisschilds (mit dem aus gutem Grund distinguierte Objekte ohnehin nicht versehen sind) beruhe.

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Diese Argumentation ist häufig sehr erfolgreich, sofern sie nicht allzu beredt vorgebracht und von zurückhaltendem Gebaren unterstützt wird. Wenig plakatives Mäzenatentum anerkannter Institutionen der Hochkultur – Museum, Theater, Symphonie – trägt ebenfalls dazu bei. Ein Problem dieses ›Ethos‹ ist allerdings, dass in modernen Ästhetiken – deren Auffassungen mittlerweile auch das Denken und Handeln von Universitäten und Akademien, von Feuilleton und Kulturpolitik bestimmen – kein bindender Zusammenhang mehr zwischen Luxus und Kunst existiert. Im Gegenteil, oftmals dominiert das Abseitige, Ärmliche, Strenge, Serielle, Reproduzierte, Alltägliche. Nur in der bildenden Kunst, in der selbst für Arte Povera Höchstpreise erzielt werden, falls es sich um Unikate und seltene Werke handelt, kann noch die Behauptung spiritueller, künstlerischer Einstellung Hand in Hand mit der Demonstration monetärer Stärke gehen – wenn für Bilder und Skulpturen, die aus Abfällen, rostigen Stahlträgern, Nägeln, Fotokopien, sparsamen Bleistiftstrichen etc. bestehen, große Summen eingesetzt werden. Richtig beweiskräftig würde aber die Selbstbeschreibung Reicher, ihr Handeln entstehe aus und strebe nach Kultivierung, erst, wenn sich ihr Geschmack auch auf Dinge, die kaum etwas kosten, richtete. Geschieht dies nicht, kann die These Veblens, der Konsum teurer Dinge finde seinen Grund nicht in ästhetischer Verfeinerung, sondern in dem Bemühen, materiellen Reichtum anzuzeigen, stets ideologiekritisch gegen sie ins Feld geführt werden.

Auch an den Spenden der Wohlhabenden entzündet sich deshalb mitunter Kritik: Wer aus Gründen der Moral oder Steuerersparnis einen Gutteil seines Vermögens für religiöse und philanthropische Organisationen oder für Museen, Symphonieorchester und Universitäten stifte, ergehe sich nicht weniger in demonstrativer Verschwendung als jemand, der sich einen Lear-Jet oder einen Fußballverein zulegt – vorausgesetzt, die Stiftung wird öffentlich gemacht und der Stifter behält genug an Geld für sich selbst zurück.

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Fast alle Philanthropen verfahren so, trotz Spendentätigkeit bleiben sie Reiche. Darum haftet ihren öffentlichen Veranstaltungen manchmal ein Makel an. Der Hinweis, man könne dort Juwelen und teuerste Abendgarderobe zur Schau tragen, das diene auch der guten Sache, leuchtet längst nicht allen Teilen der Öffentlichkeit ein, die in solchen Events bloß eine selbstsüchtige, eitle Veranstaltung erkennt, deren Spendenkosten recht besehen als Investition in Kontaktpflege und mediale Aufmerksamkeit fungieren. Das gilt natürlich besonders für Charity-Veranstaltungen, die nicht künstlerischen oder humanistischen Zwecken dienen. Mit dem Argument, es wäre besser, die Reichen entrichteten mehr Steuern, anstatt mit ihrem Sponsoring eigentlich öffentliche Aufgaben zu übernehmen, wird aber auch die private Unterstützung angesehener Kulturinstitutionen angegriffen.

Selbst am Mäzenatentum im künstlerischen Bereich entzündet sich also mitunter Kritik. Besser kann man wohl kaum belegen, in welch starkem Maße Reichtum gerade in Westeuropa von Teilen der ärmeren Bevölkerung negativ betrachtet wird. Die Ausführungen von Veblen besitzen demnach keine universelle Gültigkeit. Der Reichtums-Beweis, der durch den Konsum teurer Objekte geführt wird, bringt nicht in allen Bevölkerungskreisen gleichermaßen Reputation ein. Dieser Befund passt auch mit der Diagnose zusammen, dass Reiche sich heutzutage keineswegs immer in der Öffentlichkeit unter Verwendung ihrer Status-Marken gerne zu erkennen geben, sondern dies oft vorzugsweise unter ihresgleichen tun.

Demonstrativ schlichter Konsum

Etwas anderes ist es, wenn Reiche auf günstigere Gegenstände zurückgreifen, Mittelklasse-Wagen fahren, in kleinen Häusern leben, Kaufhaus-Kleidung tragen. Inmitten von ärmeren Leuten, die ihren Kontostand nicht kennen, trägt das zur Anonymität bei, bietet den Schutz des Unauffälligen. Ist jedoch bekannt, dass sie über viel Geld verfügen, gewinnt dieser Konsum eine noch größere Kraft, als es der ›standesgemäße‹ Einkauf vermöchte. Die Demonstration liegt hier in dem Abstand zu dem, was Reichen möglich und unter ihnen üblich ist (oder zumindest als üblich angenommen wird).

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Mit dem demonstrativem Konsum im Sinne Veblens hat das nichts mehr zu tun, es zehrt allerdings von ihm, wäre ohne ihn als Negativfolie nicht möglich. Veblen selbst stellt eine gewisse Mäßigung seines Prinzips der »conspicuous consumption« in Rechnung, zumindest müsse die allzu offensichtliche Verschwendung ein wenig rationalisiert werden (»must at least have some colourable excuse in the way of an ostensible purpose«). Er begründet das mit dem Übergang von der Sklavenhalter- zur Industriegesellschaft. In Letzterer greife der Arbeitsinstinkt stärker, darum stünden die unnützen, teuren Dinge in der Zeit der Moderne vermehrt unter Verdacht.[12]

Dies reicht aber zur Erklärung nicht aus. Andere Gründe, die mehr als bloße Rationalisierungen darstellen, bieten sich ebenfalls an. Erstens und vor allem zählt in der kapitalistischen Ökonomie für den Unternehmer nicht an erster Stelle das Geld – von dem er sich als Privatperson kostspielige Dinge kaufen könnte –, sondern, wie der Name der Wirtschaftsform bereits trefflich sagt, das Kapital, also die Summe, die für Investitionen und zur Aufrechterhaltung der Firma zur Verfügung steht. Zusammen mit den tatsächlich gegebenen oder befürchteten Auswirkungen der Konkurrenz auf das aktuell noch gut laufende Geschäft führt das mitunter zur Zurückhaltung erfolgreicher Eigentümer bei privaten Ausgaben.

Zweitens treibt heutzutage nicht wenige Reiche die Angst vor Raub, Entführungen oder investigativer Ausforschung dazu, zurückgezogen zu leben. Da es sich in exklusiven Clubs, auf kleinen Inseln, in abgesicherten Wohngebieten auch sehr schön und teuer leben lässt, nehmen sie den Preis, nicht allseits erkannt und bewundert zu werden, in Kauf.

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Drittens mag sich auch bei dem ein oder anderen, der bereits als Kind in reiche Verhältnisse hineingeboren wurde, eine gewisse Langweile angesichts des für ihn allgegenwärtigen Luxus ausbreiten. Wenn die Eltern den nur teilweise heuchlerischen Spruch, der eigentliche Luxus sei freie Zeit, gerne auf den Lippen führen, leidet das verwöhnte Kind als reicher Nichtsnutz umgekehrt unter den leeren Tagen nicht enden wollender Freizeit, die selbst mit allerlei Gütern nicht immer befriedigend aufzufüllen ist.

Zudem ist – viertens – nicht vollkommen auszuschließen, dass sich auch unter den Vermögenden mitunter Menschen finden lassen, die nicht aus Arbeitsaskese oder dem Zwang zur permanenten Investitionstätigkeit auf den Kauf und die Zurschaustellung von Luxusgütern verzichten, sondern aus Freude an künstlerisch-geistigen Genüssen – die sich für Bücher, Opern, Filme, für reduzierte, minimale Designformen, für die erhabene Natur begeistern, alles Dinge, die wenig oder gar nichts kosten, falls man nicht selber eine Oper baut, ein Landschaftsareal kauft oder einen Film produziert.

Zuletzt, fünftens, muss man den Einfluss der Pop- und Rockkultur auf jüngere Reiche registrieren: Unter denjenigen, die z.B. durch die Börsengänge ihrer Internet-Firmen zu frischem Geld gekommen sind, gibt es sicherlich nicht wenige, für die Jeans und T-Shirt bereits das Höchstmaß an Verfeinerung darstellen, weil sie ganz grundsätzlich den Eindruck des Snobistischen und Gekünstelten vermeiden wollen.

All das kann hier nur feuilletonistisch angedeutet oder postuliert werden, Forschungsergebnisse, die auf umfangreichem, empirischem Material beruhen, scheint es dazu nicht zu geben, bloß Erfahrungsberichte und Skizzen von Teilbereichen.[13] Auch darum firmiert der vorliegende Aufsatz unter der Angabe ›Essay‹. Im Ergebnis lassen sich die hier vorgetragenen Vermutungen und Beobachtungen zu der Feststellung summieren, dass Veblens Gesetz in der Gegenwart viele Ausnahmen aufweist: Erstens vermeiden es viele Reiche sorgfältig, in ihrer teuren Ausstattung auf Ärmere zu treffen; die ›Demonstration‹ ihres Konsums wollen sie bloß in ihrer eigenen Klasse von Angesicht zu Angesicht durchführen. Zweitens gibt es auch einige Reiche, die auf »conspicuous consumption« verzichten, zumindest in einigen Bereichen. Für Haus und Auto gilt das zumeist nicht, wohl aber für Kleidung und Schmuck. Und wenn bei ihnen etwa Anwesen, Villa und Fuhrpark durchaus teuer ausfallen, dann zumindest in einer Form, die nicht gleich vehement ins Auge springt.

Billige Medien

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Dass heutzutage Veblens Gesetz dennoch hohe Plausibilität besitzt, liegt an der massenmedialen Berichterstattung. Als Veblen dekretierte, Reiche müssten außerhalb kleiner Gemeinschaften, in denen jeder jeden kennt, zum Mittel des verschwenderischen Konsums greifen, um als Vermögende jedem sichtbar und dadurch von allen – auch denjenigen, die nicht wissen, wer man ist – gleich hoch anerkannt zu werden, hatte er die Möglichkeiten medialer Repräsentation nicht vor Augen. Spätestens seit der technologischen und ökonomischen Etablierung des weltumspannenden Internets muss diese Möglichkeit aber in höchstem Maße berücksichtigt werden. Die Begründung für Veblens Gesetz wird damit brüchig, das Gesetz selber muss deshalb allerdings nicht zwangsläufig an Festigkeit verlieren.

Intakt bleibt das Gesetz, wenn Reiche, die sich freiwillig fotografieren und filmen lassen oder sich nolens volens den Medien aussetzen, erkennbar teuer präsentieren. Folgt man Veblen, hätten sie dies gar nicht nötig, denn zusammen mit ihrem Namen und Gesicht erfolgt ja zuverlässig (selbst wenn dies aus Forbes-Listen und anderen Veröffentlichungen ohnehin schon gut bekannt ist) die Information der Zeitschrift oder der Fernsehsendung, dass es sich bei ihnen um Reiche handele. Eine Visualisierung dieses Umstands durch teure Insignien braucht eigentlich nicht mehr vorgenommen werden, um bei Zuschauern, die sie nicht persönlich kennen, Reputation zu erwerben.

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Ob dies nun aus alltäglicher Gewohnheit erfolgt oder im Glauben, die Angabe ›reich‹ müsse durch offen sichtbare Prachtentfaltung dringend unterstützt werden, um Reputationsgewinne erzielen zu können – jedenfalls verzichten viele Reiche nicht auf »conspicuous consumption«, wenn sie wissen oder hoffen, einen Gegenstand der Massenmedien abzugeben. Das geschieht in unterschiedlichen Segmenten der Medienbranche mit unterschiedlichem Personal. Wie viele der Reichen jeweils so verfahren, wie viele von ihnen aus eigenen Stücken oder gegen erklärten Willen derart (re)präsentiert werden, welche Resonanz solche Vorstellungen unter ihresgleichen finden, darüber liegt erneut kein Zahlenmaterial vor, es muss an dieser Stelle deshalb bei typologischen Angaben bleiben:

  1. Der zumindest an Grundbesitz reiche Adel findet sich mit Landgütern, Pferden, höfischem Dekor, Brautmode gerne oder mitunter unfreiwillig in der Boulevardpresse wieder, den Blättern ›für die Frau‹ sowie den Klatschmagazinen in TV und Internet.
  2. Unternehmer und Manager fahren mit kostspieligen Autos und in teuren Anzügen zu öffentlich angekündigten Sitzungen, Gerichtsverhandlungen, Presseterminen, über die auch Tageszeitungen und politische Magazine berichten.
  3. Reiche aus der Showbranche und Unterhaltungsindustrie lassen sich nicht nur, aber oftmals auch in teurer Garderobe und mit exklusiven Preziosen für Mode- und Lifestylemagazine sowie für Zeitungen und Sendungen aller Art, gedruckt oder online, ablichten, sei es für den redaktionellen oder den Werbe-Teil (die Grenzen zwischen beiden verschwimmen häufig).
  4. Auskunftsfreudige Reiche, zumeist Erben oder Leute (oft mit abfälligem Zungenschlag ›Neureiche‹ genannt), die meinen, bei der Erhaltung ihres Reichtums oder ihrer gesellschaftlichen Stellung nicht in erster Linie von Beziehungen zu jenen Kreisen und Verbänden abzuhängen, die u.a. durch Vorstellungen von ›Takt‹ und ›Ehre‹ integriert werden, lassen sich beim Shopping filmen oder zeigen mit Preisschild oder unter Angabe der gekauften Luxusmarke ihre Käufe in sozialen Netzwerken wie z.B. Instagram. Da sie ebenso wie die Reichen aus dem Showgeschäft Medien mit Nachrichten über ihr Privatleben versorgen, um im Gespräch zu bleiben, sind sie auch regelmäßig Gegenstand ›negativer‹ Meldungen, in denen über vermeintliche Skandale bei ihnen spekuliert wird.In geringerer Frequenz passiert das ebenfalls publicityscheueren Reichen; bei ihnen muss die Nachrichtenlage aber schon fundierter sein; das ist etwa der Fall, wenn staatliche Stellen Ermittlungen aufgenommen haben. Ungeachtet solcher Binnendifferenzen gilt jedoch grundsätzlich, dass die Massenmedien rechtlichen oder schweren moralischen Verfehlungen einen höheren Nachrichtenwert zubilligen, wenn sie Reichen zugeschrieben werden.

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  1. Reiche allgemein präsentieren ihre Gärten, Garderoben, Juwelen, Weinberge, Häuser, Autos, Boote, Inneneinrichtungen den Boulevardmedien oder – im dezenteren Fall – der Fachpresse (Design-, Wein-, Yacht-, Motor-, Uhren-, Architekturmagazine). Die traditionelle Gender-Ordnung ist hier noch weitgehend intakt: Frauen sind für Mode und Einrichtung zuständig, Männer für Autos und Yachten; reiche Männer, die sich selbst der Presse verweigern, werden mitunter indirekt über ihre Frauen sichtbar, wenn diese ihr Heim oder ihren Kleiderschrank präsentieren möchten und/oder vom Mann nicht wegen ihrer sozialen Stellung, sondern ihrer Schönheit auserkoren wurden.
  2. Vertreter aller genannten Gruppen gehen zu Veranstaltungen (Shop-Eröffnungen, Vernissagen, Premieren, Charity-Veranstaltungen, Preisverleihungen), bei denen Kamerateams und Fotografen zugelassen sind.

Jede dieser Rubriken wird von unzähligen Medienorganen organisiert und bedient, mit oftmals erheblichem Zuschauer- und Käuferzuspruch.[14] Den Zugang zu den Bildern der Reichen erkauft sich der Medienkonsument manchmal bloß damit, dass er Rundfunkgebühren bezahlt oder neben den Berichten mit Werbebotschaften konfrontiert wird. Auch wenn er direkt Geld entrichten muss, handelt es sich um Summen, die fast jeder aufbringen kann. Selbst Magazine (wie z.B. Vogue), die vorwiegend über Luxusgegenstände berichten – und im Zuge dessen regelmäßig auch über ihre reichen Besitzer –, halten arme Kunden eher über ästhetische Signale als über den Preis von der Rezeption ab; die Auflagenzahlen belegen, dass entsprechende Journale nicht allein von Reichen, sondern auch von Wohlhabenden, von Angehörigen der Mittelschicht konsumiert werden.

Luxusmarken

Zum Teil haben Illustrierte und Websites auf das Interesse eines Publikums an Waren, die es selber nicht bezahlen kann, aber dennoch bzw. gerade darum gerne betrachtet, reagiert, indem sie den teuren Produkten, deren Kauf das Privileg der Reichen bleibt, günstigere Angeboten beifügen. Jener oft beschworene zeitgenössische Kunde, der zugleich bei Chanel und bei H&M einkauft, dürfte zwar ein Fantasiegebilde sein, gut belegt ist aber das Bemühen von Ketten wie Zara, auf schnellem Weg billige Varianten kostspieliger Designer-Stücke herzustellen. Deshalb ist es für Zeitschriften und Portale nicht nur sinnvoll, preislich hoch unterschiedliche Produkte nebeneinander zu präsentieren, um den ärmeren Lesern einerseits Luxus auf billige Weise – Fotoreproduktionen auf Papier oder im Netz kosten nicht viel – und andererseits Erschwingliches zu bieten. Sinnvoll ist das auch, weil das Teure dabei mitunter das Billige aufzuwerten hilft und dem Leser (dem potenziellen Kunden) vielleicht das gute Gefühl verschafft, am Luxus irgendwie teilzuhaben.

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Für Reiche stellt das dann ein Problem dar, wenn das Teure kaum oder sogar (wenigstens für den Laien) überhaupt nicht unterscheidbar vom Billigeren ist. In dem Fall laufen sie Gefahr, dass man ihre Käufe, wenn sie sie am Leibe tragen oder auf andere Art als ihren Besitz ausweisen, nicht als Dokumente des Reichtums erkennt. Aus diesem Grund kommt allseits, nicht nur unter Reichen, bekannten Luxusmarken, die eine Hochpreispolitik verfolgen, große Bedeutung zu. An den Logos der weithin durchgesetzten Luxusmarken, die ihre Waren verzieren und vor allem kennzeichnen, wird das Teure sofort offenbar – ganz unabhängig davon, ob man an Stoffen und Designformen meint das Edle zu erkennen oder eben nicht.

Darum wird gleich verständlich, weshalb Taschen in den Umsatzbilanzen der meisten großen Modehäuser, die im oberen Preissegment operieren, viel stärker zu Buche schlagen als Kleidung. Auf Hosen, Blazern, Blusen rasch ins Auge springende Markennamen anzubringen gilt als unfein, auch wenn es im Luxussegment nicht mehr vollkommen verpönt ist. Logos von Dior, Prada, Louis Vuitton deutlich sichtbar auf Lederwaren zu applizieren wird hingegen mehr als nur akzeptiert. Dass sich mit ihnen viel bessere Geschäfte machen lassen als mit Kleidungsstücken derselben Marken, obwohl diese Brands zahlreichen Fälschungen unterliegen, ist ein sehr guter Beleg für die intakte Bedeutung von Veblens Gesetz des Geltungskonsums. Mit ihnen kann man rasch anzeigen, dass man über Geld verfügt, ihre Botschaft versteht fast jeder.

Gleiches gilt auch für Autos, mit ihnen könnte man sogar seinen Status erfolgreich signalisieren, wenn sie ohne gleich erkennbares Markenzeichen auskämen; der Grad an fachmännischer Kenntnis ist in diesem Bereich viel höher anzusetzen als in dem der Mode; in etwas geringerem Ausmaß gilt das auch für bekannte Kunstwerke. Gegenstände von Lamborghini wie von Gerhard Richter führen ihr unsichtbares, aber dennoch deutlich prangendes Preisschild stets mit sich. Bei anderen Objekten wie Häusern und Yachten entfällt sogar häufig die Notwendigkeit, um ihren Schöpfer zu wissen, bei ihnen reicht oft die schiere Größe aus, um auf das Vermögen ihres Besitzers schließen zu können.

Einige Luxusmarken haben auf die breite Wahrnehmung ihres Namens und ihrer Produkte in den Massenmedien insofern reagiert, als sie in bestimmten Bereichen Dinge anbieten, die nicht nur für Reiche erschwinglich sind (z.B. im Fall der Haute-Couture-Häuser günstigere Prȇt-à-porter-Linien, teilweise sogar für ein Mittelschichtspublikum erschwingliche Kaufhaus- und Jugendmarken – und vor allem Parfüme und kleine Lederwaren). Das geht so lange gut, wie Reiche durch diese Ausbreitung der Marke ihre Reputation bzw. die des Luxussegments der Marke nicht gefährdet sehen.

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Das Ausmaß und die Reichweite der Berichterstattung wiederum hängen von solch einer Diversifizierung nicht ab. Auch ohne die Möglichkeit, Derivate teurer Gegenstände und Marken zu erwerben, bleibt bislang die Aufmerksamkeit ärmerer Schichten für reiche Produkte ähnlich ausgeprägt wie ihr Interesse an Berichten über ihre luxurierenden Besitzer. Diese Aufmerksamkeit ist nicht selten derart groß, dass bestimmte Produkte und Kollektionen nur noch zu Schauzwecken hergestellt werden; sie rentieren sich nicht durch den Absatz, sondern dadurch, dass von ihnen aus ein helles Marketing-Licht auf andere, weniger extravagante Waren derselben Firma fällt.

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Zum erfolgreichen Marketing über den Kreis vermögender Kunden hinaus trägt auch bei, dass sich im Bereich massenhaft akklamierter Pop- und Rockmusik viele Stars (also – wenn sie auf eine längere Karriere zurückblicken können – fast immer Reiche) heutzutage in einem zuvor nicht gekannten Maße bei Auftritten auf der Bühne wie bei Gängen auf der Straße (für bestellte Fotografen oder für erwartbare Paparazzi) neben Rückgriffen auf billigere Jeans- und Sportkleidung auch in teuren Produkten präsentieren (teilweise sogar ohne von der jeweiligen Marke bezahlt worden zu sein).

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Diese Produkte entsprechen zwar oft nicht mehr Vorstellungen des ›feinen Herrn‹ oder der ›eleganten Dame‹, sie sind aber dennoch auch für Reiche abseits der Showbranche gedacht, weil deren Geschmack seit den 1960er Jahren zunehmend Elemente der Freizeitkleidung und Jugend/Pop-Moden akzeptiert und Luxusfirmen ihnen teure Varianten solcher Moden offerieren – die neuerdings selbst von Stars des Unterhaltungssektors, die sich ein etwas rebellischeres Image geben, in erheblichem Umfang getragen und wiederum (sei es in der Werbung, sei es auf den Social-Media-Seiten, sei es in journalistischen Artikeln) von ärmeren Konsumenten massenhaft rezipiert werden.[15] Es ist darum einerseits plausibel, von der verkleinerten Macht des Trickle-Down-Effekts und von der Dominanz eines Mittelschichts-»Standardpakets« zu reden,[16] andererseits aber falsch, die Orientierung an teuren Gegenständen, an Vorlieben der Reichen gering zu veranschlagen.

Betrachtet man das Ausmaß der Berichterstattung über die potenziellen Konsumgegenstände der Reichen sowie über die Objekte, die sie sich bereits tatsächlich angeeignet haben, dann lässt sich abschließend mit einiger Wahrscheinlichkeit angeben, weshalb Reiche sich so selten im Modus des demonstrativen Konsums auf städtischen Plätzen und in für alle frei zugänglichen Geschäften und Gebäuden zeigen: Da nicht nur die Stars der Kulturindustrie viele Möglichkeiten haben, sich in Massenmedien darzustellen (aber auch in für sie abträglichen Fällen kaum verhindern können, sich dort vorführen zu lassen), vermeiden es Reiche, auch noch auf öffentlichen Straßen und Arenen, in direktem Kontakt mit Unbekannten, zumindest in unmittelbarer Reichweite von Ärmeren, aufzutreten. Dem Konsum der Reichen tut dies in beiderlei Hinsicht keinen Abbruch, Raum für exklusive Käufe und ungreifbare Auftritte wie für die mediale Rezeption durch Ärmere ist im Überfluss vorhanden.

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Anmerkungen

[1] Zu solchen und ähnlichen Bestimmungen vgl. Lauterbach, Wolfgang/Ströing, Miriam, »Wohlhabend, Reich und Vermögend – Was heißt das eigentlich?«, in: Thomas Druyen/Wolfgang Lauterbach/Matthias Grundmann (Hg.), Reichtum und Vermögen. Zur gesellschaftlichen Bedeutung der Reichtums- und Vermögensforschung, Wiesbaden 2009, S. 13–28.

[2] Proust, Marcel, Im Schatten junger Mädchenblüte [= Auf der Suche nach der verlorenen Zeit, Werke II, Bd. 2, hg. v. Luzius Keller, frz. Original À lʼombre des jeunes filles en fleurs (1919)], Frankfurt a.M. 2004, S. 300.

[3] Ebd., S. 301f.

[4] Ebd., S. 305f.

[5] Vgl. Bourdieu, Pierre, Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft [La distinction (1979)], Frankfurt a.M. 1982, S. 426ff.

[6] Vgl. Hoffmann, Robert/Schöndorfer, Claudia, »Die Zelebration des Besonderen. Luxus-Event Salzburger Festspiele«, in: Reinhold Reith/Torsten Meyer (Hg.), Luxus und Konsum. Eine historische Annäherung, Münster u.a. 2003, S. 159–179.

[7] Imbusch, Peter, »Unglaubliche Vermögen – Elitärer Reichtum«, in: Thomas Druyen/Wolfgang Lauterbach/Matthias Grundmann (Hg.), Reichtum und Vermögen. Zur gesellschaftlichen Bedeutung der Reichtums- und Vermögensforschung, Wiesbaden 2009, S. 212–230.

[8] Veblen, Thorstein, The Theory of the Leisure Class. An Economic Study of Institutions [1899], New York 1934, S. 86.

[9] Ebd., S. 169 u. 97.

[10] Ebd., S. 93 u. 151f.

[11] Ebd., S.97f .

[12] Ebd., S. 93.

[13] Etwa zuletzt Freeland, Chrystia, Plutocrats. The Rise of the New Global Super-Rich and the Fall of Everyone Else, London 2012.

[14] Vgl. Kendall, Diana: Framing Class. Media Representation of Wealth and Poverty in America, 2. Aufl., Lanham u.a. 2011.

[15] Vgl. Hecken, Thomas, »Reichtum und Popkultur«, Pop. Kultur und Kritik, H. 5 (2014), S. 98–120.

[16] Schrage, Dominik, »Vom Luxuskonsum zum Standardpaket. Der Überfluss und seine Zähmung als Thema der Siziologie«, in: Christine Weder/Maximilian Bergengruen (Hg.), Luxus. Die Ambivalenz des Überflüssigen in der Moderne, Göttingen 2011, S. 58–72.

 

Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Campus Verlags.

Weitere Hinweise zum Sammelband »Soziale Ungleichheit im Visier. Wahrnehmung und Deutung von Armut und Reichtum seit 1945«, in dem der Aufsatz zuerst erschienen ist, hier.

Wenn Sie den Aufsatz im wissenschaftlichen Zusammenhang zitieren wollen, benutzen Sie bitte die Buchfassung.