Mode Septembervon Sarah Held10.9.2016

Fashionable Feminism?

Nicht nur in der Mode feiern die 90er Jahre, mit der aktuellen Retrowelle, eine Renaissance. Auch innerhalb der Popkultur zeigen sich diverse Phänomene aus den 90ern, allen voran das Revival von Girl Power, das vorwiegend mit leeren und wenig feministisch konnotierten Phrasen der Spice Girls assoziiert wurde und wird.

Ähnlich wie diverse andere massenkompatible Erscheinungen hat auch der popfeministische Spice-Girls-Slogan einen aktivistischen und/oder subversiven Background. Vor dem Bubble-up zur nahezu inhaltsleeren Oberflächenrhetorik des Pop-Mainstreams der 90er Jahre positionierte sich die punkinduzierte Riot Grrrl-Bewegung mit emanzipatorischen Slogans wie Revolution Girl Style Now. Diese dienten zur Identitätsbildung und -verortung sowie dezidiert zum aufrührerischen Verhalten, aber vor allem zur Bandenbildung innerhalb einer feministischen „Sisterhood“. Als genderorientiertes Punksubgenre weist die Riot-Grrrl-Bewegung einerseits ästhetische Verwandtschaft zum Punk auf, bildete aber eine eigene Bildsprache heraus, die heute innerhalb der Riot-Grrrl-Retrowelle reproduziert und erweitert wird.[1]

Im Folgenden werden einige Beispiele aus der aktuellen Popkultur – wie bspw. Vermarktung feministischer Slogans – und deren Verwendung als Tool zur Identitätsbildung durch vestimentäre Praxen skizziert und kurz diskutiert.

Nicht nur in sozialen Netzwerken und szeneorientierten Kontexten sind feministische Mode und ein sogenannter Riot-Grrrl-Style sichtbar. Der Onlineshop Feminist Apparel hat sein Sortiment komplett auf Radical Chic ausgelegt, so kann sich dort von Kopf bis Fuß mit feministischem Merchandise eingedeckt werden, glitzernde Accessoires inklusive. Es werden Nischen geöffnet und kleine Untergrund-Designlabels, beispielsweise Indyanna[2] gegründet, die ihre Kollektionen mit aufrührerisch klingenden Titeln wie riots start everywhere benennen und sich am Kleidungsstil von Riot-Grrrl-Bands wie Bikini Kill, Bratmobile oder Le Tigre orientieren.

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Quelle: www.feministapparel.com

Was früher als subkulturelle do-it-yourself-Mode der Riot-Grrrl-Bewegung entstand, wurde mittlerweile über Indielabel bis hin zu globalen Modeketten kommerzialisiert. Den endgültigen Schritt weg von der Szene markiert das T-Shirt mit feministischem Druck des schwedischen Modehauses H&M aus dem Jahr 2015.

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Quelle: www.hm.com/at

Die Verwendung von feministischen Symboliken und Bildsprachen unter kapitalistischen Interessen großer globaler Marken ist kritisch zu betrachten, und auch hier muss wie bei verschiedenen aktuellen feministischen Erscheinungen in der Produktvermarktung (z.B. Disneyprinzessinnen wie Merida, Brave 2012, Elsa, Frozen 2013 oder diversifizierte Körper bei Mattels Barbiepuppen) das Framing mitgedacht werden. Wer agiert, wie wird agiert, was sind die Rahmenbedingungen und unter welchen Prämissen werden welche Absichten verfolgt? Bei der H&M-Kampagne handelt es sich weniger um eine ideell orientierte Massenverbreitung von feministisch-emanzipatorischen Inhalten als um eine kapitalistische Verwertungslogik. Feminismus wird hier zur zentralen Marketingstrategie hipper Labels reduziert.

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Bildrechte: Marina Firi; Kollektion: the riot starts everywhere von Indyanna;
Quelle: https://missy-magazine.de/2016/05/30/riot-grrrl-chic

Aktivistisch bleibt es eher an der Oberfläche, wenn Jacken mit glitzernden riot-Schriftzügen verziert werden. Bildsprachlich werden hingegen modische Praxen mit feministisch-subversiven Inhalten assoziiert. Das erinnert latent an Beyoncé Knowles, deren feministisches Engagement und öffentliche Selbstbezeichnung als Feministin in radikal-feministischen Kreisen kritisch diskutiert werden.[3]

An dieser Stelle muss eingeworfen werden, dass eine Ikone wie Beyoncé Knowles einen größeren Einfluss auf ein breites, zumeist junges Publikum hat als die einschlägigen Diskussionen der Genderforschung und radikal-aktivistischer Gruppierungen. Im Sinne eines spread-the-word sind die aktuellen Entwicklungen durchaus förderlich für die Verbreitung feministischer Intentionen, um die „Sisterhood“ zu erweitern. Zudem verhilft die poppige Variante Feminismen zu einem Imagewechsel: sich buchstäblich in neuem Kleid zeigen.

Kurzum: es trägt dazu bei, die Attraktivität einer feministischen Selbstbezeichnung zu erhöhen, denn es gilt in bestimmten Kreisen als schick, Feminist*in zu sein. Es bereitet zudem möglicherweise einen Einstieg, sich auch tiefergehend mit der Materie zu beschäftigen und nicht nur feministisch motivierte Bildsprachen auf Textilien zu tragen.

 

Anmerkungen

[1]  https://missy-magazine.de/2016/05/30/riot-grrrl-chic

[2]  http://indyanna.squarespace.com

[3]  http://www.theeuropean-magazine.com/julia-korbik–3/9500-feminism-as-a-trend

 

Sarah Held promoviert an der Goethe Universität Frankfurt und an der Akademie der Bildenden Künste Wien.