Zum ersten Todestag von Carlo Pedersoli
Ich weiß, dass ich jetzt eigentlich zum Abschluss den kommenden Generationen einen weisen Rat mit auf den Weg gebe sollte, aber mir fällt nichts Besonderes ein, abgesehen von dem, was ihr schon wisst, aber was man ruhig noch mal betonen kann: geht niemals gleich nach dem Essen baden und setzt keine Hunde aus. – (Bud Spencer)[1]
Carlo Pedersoli
Vor einem Jahr ist Carlo Pedersoli gestorben, und es ist ganz unverkennbar dieser Pedersoli, der die obigen Sätze artikuliert, obwohl seine Autobiographie unter dem Künstlernamen Bud Spencer vermarktet wurde. Und mit Bud Spencer hat Pedersoli der Welt mehr als nur weise Ratschläge hinterlassen. Allerspätestens seit Carlos Tod kennen wir aber nicht nur die Kunstfigur Bud Spencer, sondern uns ist das vielfältige Leben des Pedersoli durch zahlreiche Nachrufe bewusstgeworden, die den Schwimmer, Erfinder, Juristen, Unternehmer, Familienvater, Sänger und Schauspieler ehren. „Ja, Carlo Pedersoli hat sein Leben wirklich gelebt.“[2]
Natürlich kursierten die berühmten Trivia um Pedersolis vielfältige Talente auch schon zu seinen Lebzeiten, und nichts davon ist im eigentlichen Sinn oder im lebensweltlichen Kontext trivial. Jedoch beziehen die Informationen nur in ihrem Kontrast zu Bud Spencer ihren Reiz, und sie entfalten auch stets ihre beste Wirkung, wenn jemand zum ersten Mal von ihnen hört. Der dicke Bär war Profisportler, der wortkarge Haudrauf war Akademiker, der asexuelle Kumpeltyp war Ehemann.
Pedersoli ist durch diese Vergleiche auch als solcher zu einem Teil der Pop-Kultur geworden, aber es ist nun Bud Spencer, der lebt bzw. in dem er lebt. Zu behaupten, dass Bud Spencer lebt, ist allerdings trivial, denn bei der Vorstellung, dass Pop-Ikonen und Superhelden[3] konserviert werden und über ein Menschenleben hinaus lebendig bleiben, dass sie larger than life sind, handelt es sich um einen Gemeinplatz. Was aber das Ikonenhafte der Ikonen ausmacht und wie Ikonen zu Ikonen werden, soll im Folgenden durchdacht werden.
Die Popularisierung von Bud Spencer und Terence Hill
Gründlicher als oder auch nur ebenso gründlich wie es in einschlägigen Film-Dokumentationen[4], in zwei monographischen Publikationen[5] und in Bud Spencers Autobiographie[6] geschehen ist, lässt sich die Erfolgsgeschichte von Bud Spencer und Terence Hill im vorliegenden Kontext nicht aufrollen. Aber es sollen die wichtigsten Linien und einige Details aufgegriffen und kommentiert werden:
1967 stolpert Carlo Pedersoli so richtig ins Filmgeschäft und legt sich, wie es in den 1960er Jahren in Italien üblich ist, einen amerikanisch klingenden Künstlernamen zu.[7] Die Versionen divergieren. Der Nachname Spencer bezieht sich auf den bewunderten Schauspieler Spencer Tracy. Der Vorname Bud wird mal auf das Lieblingsbier Budweiser zurückgeführt, mal auf das amerikanische Wort für Knospe als Anspielung auf die Statur.[8] Und diese erinnert in keiner Weise mehr an den als solchen schon sehr bekannten Profischwimmer Pedersoli. Außerdem trägt Bud Spencer im Gegensatz zu Pedersoli einen Bart bzw. ab dem Zeitpunkt, an dem es Bud Spencer gibt, muss auch Pedersoli mit dem Bart leben, wenngleich er ihn zu Beginn noch nach den Dreharbeiten abrasiert.[9] Carlo Pedersoli hat sich in jeder Hinsicht für seine erste große Produktion zusammen mit Terence Hill verwandelt.
Diese trägt im Deutschen den Titel Gott vergibt… Django nie und ist vom Regisseur Guiseppe Colizzi als Parodie auf die in den 1960er Jahren äußerst populären Italo-Western – insbesondere von Sergio Leone – angelegt.[10] Insgesamt lässt sich eine starke Transformation des Western von den amerikanischen Ursprüngen bis zum Italo-Western nachvollziehen.[11] Bei Colizzi finden sich in einer weiteren Überschreibung bei allem Pessimismus nun auch amüsante Szenen, die insbesondere Bud Spencer dominiert.
Vor allem hat Gewalt keine sichtbaren Folgen mehr.[12] Statt tödlicher Duelle ist das schlimmste, was passieren kann, der später so berühmte Taubenschlag,[13] der in den Medien eher unter der Bezeichnung Dampfhammer geführt wird. Der Film bildet den Auftakt der akribisch wie Tanzabläufe choreographierten cartoonesken Schlägereien mit konventionalisiertem Ablauf.[14] Wesentlich sind dabei die derealisierenden, absolut hyperbolischen Sound-Effekte, dass es also scheppert, klatscht, wummt und pfeift. Drei Standardszenen prägen sich ein, wenngleich der Move des Taubenschlags/Dampfhammers in Gott vergibt… Django nie noch nicht ganz ausgebildet und perfektioniert ist, sondern noch einen leicht seitlichen Drall hat.[15]
„Doppelohrfeige: Gleichzeitiger Schlag mit der linken und der rechten Handfläche auf beide Ohren des Widersachers. Oft mehrere Doppelohrfeigen hintereinander. Kein K.-o.-Schlag, benebelt den Gegner nur. Erstmals in Hügel der blutigen Stiefel. Taubenschlag: Hammerschlag mit einer Faust von oben auf den Kopf – schickt den Kontrahenten umgehend ins Reich der Träume […] Erstmals in Gott vergibt… Django nie. La Bomba: Im Kampfgetümmel wird Bud Spencer von einer ganzen Rabauken-Gruppe begraben, der Zuschauer kann ihn gar nicht mehr sehen. Nach einigen Sekunden hört man eine Folge der typischen Faustschlag-Geräusche, und sämtliche Gegner fliegen rückwärts nach allen Seiten davon […]. Erstmals in Die rechte und die linke Hand des Teufels.“[16]
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Die oftmals slapstickartigen Interaktionsabläufe erinnern an Stan Laurel und Oliver Hardy,[17] in Deutschland auch bekannt als Dick und Doof, wobei es im Grunde Bud Spencer ist, der hier beide Facetten verkörpert. Diese Paarkomik entspricht der Tradition der Buddy-Filme.[18] Das Katz-Maus-Schema, das Bud Spencer und Terence Hill dabei verkörpern,[19] kann mit Blick auf den italienischen Kontext als Allegorie auf das gespannte Verhältnis zwischen dem Norden und dem Süden gelesen werden;[20] in Deutschland fallen vermutlich eher Ähnlichkeiten zu Tom und Jerry ins Auge.
„Der Mechanismus ist so simpel wie unwiderstehlich: Terence redet, ich grunze genervt; er ist gelenkig, ich gleiche einem Bulldozer […]. Der Dicke und der Dünne, der Gewitzte und der Trottel, der Kopf und der Arm […].“[21] In den folgenden Jahren entstehen zahlreiche weitere gemeinsame Filme, die in Deutschland unabhängig von ihren italienischen Originaltiteln immer das Schema der zwei Typen wörtlich aufgreifen und variieren: Zwei vom Affen gebissen (1967), Vier Fäuste für ein Ave Maria (1969), Die rechte und die linke Hand des Teufels (1971), Vier Fäuste für ein Halleluja (1972), Zwei Himmelhunde auf dem Weg zur Hölle (1972), Zwei wie Pech und Schwefel (1973), Zwei Missionare (1974), Zwei außer Rand und Band (1976), Zwei sind nicht zu bremsen (1978).
Mit den deutschen Titeln wird es noch etwas kompliziert werden, aber zunächst einmal zeichnet sich an diesen die Zirkulation des Duos Spencer/Hill durch alle Genres ab, ein „entfesseltes Hopping durch die Sujets.“[22] Die immer gleichen Typen und die immer gleiche Konstellation haben – durch Bud Spencers Physiognomie und dem Kontrast zu Terence Hill – einen derart hohen Wiedererkennungswert, dass sie sich in das Abenteuergenre, in die Agentenkomödie, in Polizeifilme usw. usf. implementieren lassen. Der Western ist nicht das stabilisierende Moment in der Erfolgsgeschichte von Bud Spencer und Terence Hill, sondern gekoppelt an bestimmte Rituale sind es die beiden, die sämtliche andere Genres ihrerseits noch einmal ungeheuer popularisieren.
Bud Spencer und Terence Hill gehen in Serie. Serialität wird zu Recht immer wieder und besonders prägnant von Frank Kelleter,[23] Moritz Baßler und Jochen Venus als konstitutives Merkmal des Pop betont, das sich auf Basis einer Rückkopplung mit dem Publikum, also dem leicht messbaren kommerziellen Erfolg, einstellt.[24] „Wann immer die Popästhetik einen Aufmerksamkeitserfolg erzielt, kristallisiert an diesem Erfolg sofort ein Konvolut ähnlicher Produkte.“[25] Auf diesen Aspekt wird gegen Ende der Ausführungen zurück zu kommen sein (4.).
Zunächst einmal müssen die spezifischen Bedingungen für den außerordentlichen Erfolg von Bud Spencer und Terence Hill in Deutschland weiterverfolgt werden. Die deutschen Titel setzen in besonderem Maß auf den Wiedererkennungseffekt, indem die besagten zwei Typen, vier Fäuste oder der – duale – Antagonismus von rechts und links darin auftauchen. Dabei handelt es sich um freie Übersetzungen der italienischen Originaltitel, die ihrerseits nicht auf diesen Mechanismus setzen.
Mit Gott vergibt… Django nie etabliert sich das Duo erst als solches. Daher bezieht sich der Titel noch nicht auf dieses, aber auch hier ist die deutsche Übersetzung frei. Das italienische Original heißt Dio perdona… io no, also ‚Gott vergibt… ich nie‘. In der italienischen Fassung gibt es auch keine Figur namens Django, sondern Terence Hill spielt dort Cat Stevens, der erst entsprechend dem veränderten Titel in der deutschen Übersetzung Django heißt.[26]
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Hiermit rekurriert die deutsche Version auf Sergio Corbuccis Erfolgsfilm Django von 1966.[27] D.h. es wird in Deutschland durch die intertextuelle Anspielung initial bereits auf eine etablierte Figur und den Wiedererkennungseffekt gesetzt. Dass Corbuccis Film bzw. der Name/die Figur Django insgesamt eine große Wirkung in der Filmgeschichte hat, sei nur am Rande erwähnt.
Wesentlicher als die Divergenzen bei den Filmtiteln sind die gesamten deutschen Synchronisationen der Filme, und hier wird die Filmografie der Spender/Hill-Filme wirklich verwickelt. Für eine genaue Rekapitulation sei auf die Publikation von Christian Heger verwiesen. Spätestens ab Zwei Himmelhunde auf dem Weg zur Hölle ist Rainer Brandt für die deutschen Übersetzungen zuständig.
Aufgrund des internationalen Casts, und weil die Synchronisation des Englischen auf Italienisch besser funktioniert als das Italienische auf Englisch zu synchronisieren, sind ohnehin alle Spencer/Hill-Filme auf Englisch gedreht und in allen Sprachen nachsynchronisiert, d.h. auch im Italienischen sprechen Bud Spencer und Terence Hill nicht sich selbst – und auch Carlo Pedersoli und Mario Girotti übernehmen diesen Part nicht.[28]
Im Deutschen hat Rainer Brandt bereits das so genannte Schnodderdeutsch u.a. in der Serie Die Zwei (!) etabliert und popularisiert. Es handelt sich dabei um einen kalauernden wilden Jargon-Mix. Wie in Die Zwei geht es aber nicht nur um einen bestimmten Stil oder eine bestimmte Semantik, sondern es werden in die Passagen, in denen im Original niemand spricht und die Lippen der Darsteller nicht fokussiert werden, zahlreiche Sprüche eingebaut, die es in der Vorlage überhaupt nicht gibt.[29] Darüber hinaus stottern und lispeln viele der Gegenspieler im Deutschen im Gegensatz zur Vorlage.[30]
Nachdem die Spencer/Hill-Schnodderdeutsch-Synchronisationen erkennbar aufgrund des Schnodderdeutschs so erfolgreich waren, dass sich die Leute am nächsten Tag auf der Straße, in Bussen und auf der Arbeit die entsprechenden Sprüche zuwarfen,[31] wurden ältere Spencer/Hill-Filme, die noch ohne Schnodderdeutsch übersetzt worden waren, ein zweites Mal synchronisiert. Die „abgefahrene Synchronisation am Rande der debilen Albernheit“[32] sei an einem Beispiel illustriert:
Concierge: Bedaure Gentlemen. Zutritt nur für Mitglieder. Trinity: Wollen sie unsere Ausweise sehen?
Concierge: Tut mir leid, Gentlemen, ich darf sie nur reinlassen, wenn sie Mitglied sind.
Trinity: Wir sind mit Glied. Ohne hätten wir ‘ne zu hohe Stimme […].
(Vier Fäuste für ein Halleluja, 1972)[33]
Bei einigen zweitsynchronisierten Filmen ändert sich nachträglich auch der Titel. Aus Gott vergibt… Django nie wird Zwei vom Affen gebissen; aus Hügel der blutigen Stiefel wird Zwei hau’n auf den Putz.[34] Zusammen mit dem Schnodderdeutsch wird also auch das nun etablierte Zweierschema nachträglich auf die Filme appliziert. Außerdem werden die Filme stark geschnitten. Sehr brutal waren sie im Vergleich zu anderen Italo-Western bereits in der ersten Fassung nicht, waren sie doch bereits als deren Parodie angelegt. Die zweiten deutschen Fassungen enthalten allerdings überhaupt keine blutigen Szenen mehr, sondern das Schema der choreographierten Gewalt mit allen bekannten Moves, die Hund-Katze-Freundschaft und jetzt auch das Schnodderdeutsch zeichnen nun auch diese Filme mehr aus, als es die ursprüngliche Handlung tut.
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Die an den deutschen Fassungen beteiligten Firmen von Horst Wendlandt und Rainer Brandt waren so erfolgreich, dass sie in der Folge auch an einigen Produktionen der Originalfilme beteiligt waren. Und überhaupt dürfte an den kommerziellen Mechanismen, die sich um Bud Spencer und Terence Hill ranken, deutlich geworden sein, dass die Filme alle Rekorde brachen und ungeheure Summen eingespielt haben,[35] da man sonst nicht einen solchen Aufwand betrieben hätte. Aber umgekehrt hat dieser Aufwand die Popularität des Duos noch gesteigert.[36]
Noch ist das Schema aber nicht komplett. Was sich seit Gott vergibt… Django nie durch alle Spencer/Hill-Filme wie ein roter Faden zieht, sind die opulenten Mahlzeiten oder auch die maßlosen Fressgelage. Vom Würstchenwettessen über Riesenomelettes zum Bohnenauflauf ist alles dabei.[37] Hierbei handelt es sich um eine wesentliche Modifikation seitens Colizzi sowohl des amerikanischen Western als auch des Italo-Western. Zum einen transformiert sich das amerikanisch-protestantische Genre in ein katholisches, zum anderen kann die Lust am Essen als Anspielung auf den Hunger im Mezzogiorno/Süditalien gelesen werden.[38] Man könnte darin auch eine Facette der karnevalesken Tradition im Sinne Michail Bachtins sehen,[39] haben die Filme doch etwas Volkstümliches in dem Sinn, dass sich das Duo stets für die Belange Unterdrückter aus dem einfachen Volk gegen Reiche und Mächtige einsetzt.
Da es ganz einfach zu dem kräftigen Bud Spencer passt, haben die Gelage aber auch schlicht einen erheblichen komischen – visuellen – Effekt. In einem der Plattfuß-Filme isst Bud Spencer einen sehr großen Teller Spaghetti mit ca. drei oder vier Gabelrollen und unglaublicher Eleganz innerhalb von vermutlich weniger als einer Minute auf, und obwohl man derartige Szenen schon kennt, erwecken sie immer wieder eine gewisse Aufmerksamkeit, die auf dem Grotesken basiert – auch hier könnte Bachtin ins Spiel kommen.
Im Wesentlichen ist die Popularisierung nachvollzogen, die Erfolgsformel komplett. Der behäbigere Dicke mit dem Bart und der flinke, schlaue Dünne mit den blauen Augen, also eine Figur mit signifikanten Merkmalen und ein figürlicher Kontrast – bis hin zur Haarfarbe – garantieren einen hohen Wiedererkennungswert, außerdem großes Sympathie- und Identifikationspotential. Das Verhältnis der beiden ist ebenso plakativ wie stabil. Immer wieder entfaltet sich ein Katz- und Maus-Spiel zwischen den beiden Figuren, sodass sich ein Arsenal wohlvertrauter Szenen und Dialoge ausbildet, das beliebig wiederholt werden kann.
Einzelne Szenen gleichen sich in allen wesentlichen Details so sehr, dass sie fast austauschbar sind: der ostentativ choreographierte, derealisierte Kampf, die hyperbolische akustische Untermauerung der Schlägereien, die Fressgelage. Zu erwähnen ist natürlich auch, dass die Filme mit eingängigen Soundtracks versehen sind. Darüber hinaus entfaltet sich stets ein Plot, in dem die guten, in Zahl und Mittel unterlegenen Figuren gegen einen mächtigen bösen Gegner antreten, was schon in der Bibel bei David gegen Goliath gut funktioniert hat.
Was hier also am Werk ist, sind einige der Schemata, die Venus mit dem Populären in Verbindung bringt: Kindchenschema und Kraftschema, allerdings kein Sex und keine Gewalt,[40] was Bud Spencer und Terence Hill dann auch noch kindertauglich und moralisch unbedenklich in zahlreichen Kulturen macht. Hinzu kommt im deutschen Kontext das Schnodderdeutsch, das Dialoge liefert, die unabhängig von der Handlung zitierfähig sind.
Es stellt sich also ein Ensemble von Merkmalen ein, das zunächst einmal zusammen auftreten muss. D.h. die Kombination der genannten Merkmale weckt für die Zukunft die Erwartung, dass A mit B gekoppelt sein muss, also Katze mit Maus, Prügeln mit Sounds, Essen mit Sprüchen usw. usf. Aber das Schema bzw. die Paradigmen sind indifferent gegenüber Genre, Kulisse sowie der jeweiligen fiktiven Charaktere, der genauen Handlung und der syntagmatischen Abfolge. Paradigma toppt Syntagma – einmal mehr im Pop! Das scheint mir der wichtigste Punkt zu sein, auf den zurückzukommen sein wird.
Bis hierhin liegen zahlreiche Rückkopplungseffekte zwischen Rezeption und Produktion vor. Bereits bei der Titelgebung von Gott vergibt… Django nie handelt es sich ja, wie bereits gesagt, um einen Verweis auf einen Erfolgsfilm, führt also vorangegangener Erfolg zu einer Anpassung der Produktion. Und in der Folge dieses ersten Films stabilisieren sich auf Basis von dessen Erfolg die entsprechenden Topoi und Schemen und gehen letztlich in eine Serie.[41]
Wichtig ist, dass wir es hierbei nicht mehr ausschließlich mit dem Raum des Films oder der Fiktion zu tun haben. Bud Spencer und Terence Hill spielen fiktive Figuren mit den unterschiedlichsten Namen, bleiben sich aber doch immer gleich und tragen diese Figuren aus der Fiktion heraus. Das unterscheidet sie von Fernandel und Gino Cervi, die zwar vor allem mit Don Camillo und Peppone verbunden werden, aber letztlich variabel eingesetzte Schauspieler sind. Fernandel ist zwar ein Künstlername, aber im Grunde ist er der Darsteller des Don Camillo oder aber der Darsteller irgendeiner anderen Figur, während Don Camillo in der Fiktion bleibt.
Man könnte nun zahlreiche Darsteller als Beispiel für ein anderes Phänomen anführen, nämlich dass sie jenseits der konkreten fiktiven Figuren an bestimmte Typen gebunden sind, wie Bud Spencer und Terence Hill, aber letztlich doch lediglich Stars und Schauspieler sind und keine Kunstfigur-Ikonen. Z.B. ähneln sich Remington Steele und der James Bond von 1995 bis 2002, weil Pierce Brosnan sie auf eine bestimmte Weise verkörpert und hier einen Bezug schafft, aber Brosnan als solcher trägt diese Figuren nicht in die Realität, sondern kleidet sich deutlich schlechter als jene und setzt sich für Umwelt- und Tierschutz ein.
Die Kunstfiguren Bud Spencer und Terence Hill leben aber in Rückbindung an Carlo Pedersoli und Mario Girotti und bewegen sich als Kunstfiguren mit ihren leiblichen Substraten in Magazinen, Shows und der realen Welt. Die Kunstfiguren sind nicht einfach nur populär im Sinne von beliebt, sondern pop, weil in ihnen Fakt und Fiktion in eins fallen. Bzw. zwischen Fakt und Fiktion tut sich ein Zwischenreich auf, nämlich die Pop-Kultur, in der die Kunstfiguren fest verankert sind, sodass sie sich immer weiter reproduzieren können und in beiden Dimensionen in Serie gehen können.
Gebrauchsästhetik funktioniert ähnlich, aber entweder haben wir es dabei mit funktionalen Design-Objekten zu tun oder mit Alltagsgegenständen im Museum. Mit Bud Spencer und Terence Hill beleben in jedem neuen Film die Ikonen als solche ostentativ wechselnde Genres, Plots und Charakteren, und sie können als diese Ikonen außerhalb der Filme auftreten und sich dabei in jedem Kontext gleich bleiben. Daran ändert auch Bud Spencers Biographie nichts, in der Pedersoli spricht und dabei zahlreiche Äußerungen tätigt, die zu einer Demontage Bud Spencers beitragen könnten, was sich aber faktisch in der Rezeption nicht eingestellt hat. – Und ich möchte es auch der LeserIn dieses Artikels nicht antun, hier auf diese Aspekte einzugehen.
„Das Krokodil und sein Nilpferd“
1980, also ein Jahr nach seinem Erscheinen, gewann Das Krokodil und sein Nilpferd[42] die Goldene Leinwand, eine Auszeichnung, die nur kommerziell überaus erfolgreichen Filmen zuteilwird. Die Kritikerstimmen waren verhaltener, um es vorsichtig auszudrücken, und auch heute noch gilt der Film selbst unter Fans und Kultur- und Filmwissenschaftlern als schwächster Film des Duos.[43]
Christian Heger, dessen Monographie im vorliegenden Kontext bereits oft zitiert wurde, hat seine Magisterarbeit über die Westernparodien von Bud Spencer und Terence Hill am filmwissenschaftlichen Institut der Johannes Gutenberg-Universität Mainz geschrieben, also keineswegs ein populär geschriebenes Buch zu populären Kunstfiguren vorgelegt, was zum einen deren Wert- oder Seriösschätzung belegt und zum anderen darauf schließen lässt, dass Wertungen möglichst hintergangen werden, weil es in wissenschaftlichen Zusammenhängen ja um neutrale Analysen und Erklärungen, vielleicht auch Modellbildungen und Theoretisierungen geht.
Während Heger aber die Western des Duos mit dem Verweis darauf, dass es sich hierbei um ungeheuer anspielungsreiche Filme mit Blick auf die Genre-Vorläufer handelt,[44] implizit und explizit hoch wertet, spricht er Das Krokodil und sein Nilpferd die Qualität ab: „Der Plot ist holprig zusammengeschustert und versprüht auch in seinen Einzelsequenzen nur wenig komödiantischen Charme.“[45] Auf das beschriebene Merkmal des holprigen Plots und die Ästhetik der Einzelsequenzen wird noch zurück zu kommen sein (3.2).
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Zunächst einmal muss im Sinne Thomas Heckens metakritisch konstatiert werden, dass sich auch in Bezug auf pop-kulturelle Artefakte immer wieder implizit und explizit wertende Urteile einschleichen, dass Pop nicht gleich Pop ist, dass es immer die als intelligenter und raffinierter betrachteten Varianten und die als einfacher eingestuften gibt und geben wird.[46] Es ist relativ deutlich, dass Heger wertet und bei dieser Wertung Kategorien wie Originalität und Genre-Reflexivität zum Maßstab nimmt, und dagegen ist auch absolut nichts einzuwenden.
Um später wieder möglichst neutral argumentieren zu können, sei es nun meinerseits einmal gesagt: Ich halte Das Krokodil und sein Nilpferd für den besten der ohnehin großartigen Spencer/Hill-Filme. Ich glaube, dass dies mit einigen Aspekten zu tun hat, die im nächsten Kapitel zur Sprache kommen werden. Aber selbstverständlich habe ich für mein Werturteil keine besseren Gründe als Heger, und selbstverständlich lassen sich beide Urteile gleichermaßen analytisch reflektieren und auf strukturelle und ästhetische Merkmale zurückführen, sodass die Ausführungen transparent bleiben.
Es ist allerdings für künftige Kanonisierungsprozesse pop-kultureller Artefakte interessant, sich implizite und explizite Wertungen immer mal wieder vor Augen zu halten, sie probeweise bewusst von den analytischen Kategorien zu trennen und sie wieder darauf zu beziehen. Außerdem ist es wahrscheinlich, dass sich die pop-kulturelle Zirkulation von Elementen und die wissenschaftlichen Untersuchungen immer wieder voneinander trennen – um sich dann erneut einzuholen –, weil in unserem Kanon am Ende das bleibt, was wir als komplexer, reflektierter und damit auch hochwertiger empfinden – um dann immer mal wieder zu entdecken, dass dabei bestimmte Artefakte zu Unrecht unbeachtet geblieben sind.
Es ist schwer, oberflächlich zu bleiben,[47] also Oberflächen um ihrer selbst willen zu schätzen und bei der oberflächlichen Beschreibung von Gegenständen zu verweilen. Bzw. die Erforschung des Pop und die sich damit einstellende Kanonisierung ist oder bleibt eben nicht pop, und das ist ja auch gut so. Es lässt sich außerdem vermuten, dass textimmanente Analyseverfahren aller Art, und insbesondere diejenige, die sich auf die Ästhetik beziehen, den als hochwertiger eingestuften Erzeugnissen vorbehalten bleiben, während literatursozilogische, markt-, konsum- und zirkulationsbezogene Verfahren auf alle Produkte angewendet werden.
Wenn man einmal davon ausgeht, dass man es mit einem hochwertigen Gegenstand zu tun hat, kann man ihm auf hermeneutische oder diskursanalytische Weise begegnen und beides provoziert dann mehr oder weniger rezeptionstheoretische Fragestellungen. Könnte man natürlich auch ohne diese Prämisse… Tun wir also so, als sei Das Krokodil und sein Nilpferd irgendetwas zwischen Goethe, Schiller und Brecht, wenn wir es nicht ohnehin schon wirklich glauben, und fragen wir nach dem Sinn des Films, d.h. legen wir seinen Inhalt, die in ihm zur Sprache kommenden Diskurse frei und verfolgen sein gesellschaftskritisches Potential.
Das Krokodil und sein Nilpferd spielt in Rhodesien, dem heutigen Simbabwe der Kolonialzeit bis 1970. Er thematisiert Umweltzerstörung, Tierausrottung, Korruption, Modernisierung, Kapitalismus, Rassismus, Kolonialismus und in Spuren die gesellschaftliche Lage im Zuge des Entkolonialisierungsprozesses. Die beiden Cousins Kroko und das Nilpferd Tom kämpfen gegen den reichen, skrupellosen weißen Ormond, der Bewohner von ihrem Land vertreibt, um einen Safaripark zu bauen und die entsprechende Infrastruktur zu errichten, der außerdem Wildtiere töten oder aber gefangen nehmen lässt, um Elfenbein sowie lebende Tiere zu exportieren.
Ormond tritt in einer bezeichnenden Szene mit seinem Fuß auf eine Landkarte, um seinen zweifelhaften Besitzanspruch zu untermauern und zu zeigen, wie er ihn durchzusetzen gedenkt (15:13). Er und seine Schlägertruppe glauben explizit, das „Gesetz“ auf ihrer Seite zu haben (17:24), indem sie die arme Bevölkerung entweder mit sehr wenig Geld bestechen oder mit Waffengewalt bedrohen. Insbesondere Ormonds Leute erinnern mit ihrer Kleidung an Militärs, tragen sie doch teilweise Jacken in Tarnfarben oder mit Abzeichenlaschen auf den Schultern.
Es wird eine gespaltene Gesellschaft gezeigt, bei der die Linien allerdings nicht klar verlaufen. So behauptet eine Figur gegenüber einer anderen, die sich darüber wundert, dass Schwarze ein edles Spielcasino betreten dürfen, dass die Grenze nicht mehr zwischen schwarz und weiß, sondern zwischen arm und reich verlaufe (119:04). Das scheint nicht ganz zuzutreffen, aber dann irgendwie doch wieder, denn Korruption gibt es auf allen Seiten.
Dass Ormond die beiden Cousins in sein Anwesen einlädt, um sie zu bestechen, zeigt nur überplakativ einen Aspekt dieser Problematik. Als Tom vor Gericht steht, zeigt sich, dass auch die sympathische, wohlmeinende Mama Leone zum Mittel der Bestechung greift (123:04). Mehr noch wird dadurch transparent, dass alle Exekutivorgane von jeder Seite Geld nehmen, um Staatsgewalt auszuüben und Recht zu sprechen. Insgesamt wird ein ordnungs- und rechtsfreier Raum im Gefolge des Kolonialismus und im Zuge der Entkolonialisierung entworfen, in dem Geld und Gewalt entscheiden. Gleich zu Beginn des Films werden Gemälde von Krokos und Toms Vätern gezeigt, die diese als eine Mischung aus Großwildjägern und Kolonialherren inszenieren (07:11). Auch die Guten müssen ja irgendwie mal ins Land gekommen sein, und ihre Väter hatten für die Einreise wohl keine anständigen Gründe.
In Bezug auf die Kolonialgeschichte Rhodesiens bewegt sich der Film nicht ganz auf der Höhe der Zeit, weil die Handlung einige Jahre in die Vergangenheit verlagert ist. Der Film ist aber insofern aktuell, als er zeitgleich zum rhodesischen Entkolonialisierungsprozess gedreht wurde. Der britische Kolonialismus war im Afrika zweifelsohne kein Segen, und damit dass in dieser Gemengelage mit Ormond ein weißer Kapitalist auftaucht, der explizit durch Korruption mächtig geworden ist und aus der Lage des Landes Profit schlägt, verhandelt der Film bekanntes Wissen um die Folgen der Globalisierung, Kolonialisierung und Kapitalisierung bzw. spätestens der Film popularisiert dieses Wissen zu dem Zeitpunkt, an dem Rhodesien einen gewissen Nachrichtenwert gehabt haben dürfte.
Und inmitten dieser Gemengelage sind und bleiben Kroko und Tom die Unbestechlichen. Natürlich bricht der Film auf diese Weise einen komplexen politischen und gesellschaftlichen Zusammenhang in ein Schema von Gut und Böse herunter. Betont werden muss aber, dass sich die Opposition von Gut und Böse nicht glatt mit denen von arm und reich, schwarz und weiß, gebildet und ungebildet, tierlieb und grausam in eins setzen lässt. Dazu später mehr.
Spätestens durch die Lösung, dass zwei Männer mit Fäusten etwas gegen das Böse ausrichten können, das letztlich ganz einfach durch Ormond personifiziert wird, zeigt sich der Film selbstverständlich als unterkomplexe Anlage. Legt man außerdem brechtianische Kategorien an, mag gerade die Katharsis am Ende die gesellschaftskritischen Nuancen bzw. den entsprechenden Impetus nichtig machen. Die Welt lässt sich so leicht wieder in Ordnung bringen, dass man beruhigt vor dem Fernseher sitzen bleiben kann. Gleichwohl ist der didaktische Anspruch des Films nicht zu leugnen.
Das Ermorden und der quälerische Export von Tieren wird noch weitaus deutlicher thematisiert (z.B. 07:54), und dabei ist es ja auch klar, wie sich Gut und Böse aufteilen, nämlich zwischen Tieren und den meisten Menschen. Kroko wird von Beginn an als Tierschützer inszeniert, der seinem Cousin als erste Handlung bei einer Safari die Reifen zerschießt, damit keine weiteren Tiere mehr gejagt werden können.
Natürlich möchte Tom Kroko dafür zunächst verprügeln, und er verweist auch anfangs auf die Notwendigkeit, Geld zu verdienen. Aber genau diese Haltung, mit der sich möglicherweise viele identifizieren können, wird eingeführt, um sie zu demontieren, denn Tom entdeckt sehr schnell sein Herz für Tiere und findet neue Wege, Profit zu machen. Er fährt Touristen weiterhin auf Safaris durch die Landschaft und füllt die Gewehre nun Platzpatronen (23:00). Dass gezeigt wird, dass man in Afrika auch ohne Tiermord Geld erwirtschaften kann, lässt sich als didaktisches Moment deklarieren.
Außerdem lässt Tom im Verlauf der Handlung immer wieder zusammen mit Kroko Löwen und Elefanten aus ihren Gehegen frei (101:35). Auch hier kann eingewendet werden, dass die Entlassung kleiner Babyelefanten, deren Eltern zuvor abgeschlachtet wurden und wiederum deren Elfenbeine sich auf dem Weg nach Europa, Kanada und in die USA befinden – einige Bemerkungen und das Ensemble von Figuren, das einreist, um Elfenbein und Tiere zu kaufen, legen diese Nationalitäten nahe –, wohl kaum die Lösung sein kann. Aber so unterkomplex diese Geste auch ist, so nett ist sie eben gemeint.
Die angereisten Einkäufer zeigen sich im Übrigen für einen Moment daran interessiert, wie es den Tieren wohl in ihrer künftigen Heimat gehen werde, lassen sich aber allzu schnell durch Ormonds Aussage beschwichtigen, dass es den Tieren in Afrika eigentlich zu heiß und dass Kanada ihr natürlicher Lebensraum sei (01:36:32). Vielleicht keimt angesichts der absurden Aussage bei Zusehenden die berechtigte Frage auf, was solche Tiere in Zoos und Zirkussen zu suchen haben.
Aber auch hier wartet schon die Erlösung. Auf dem Höhepunkt des Films wird gezeigt, wie Kroko und Tom Tiere aus dem Schiff befreien. Wir können dabei zusehen, wie Antilopen, Zebras, Strauße usw. usf. von großartiger Musik untermauert in die Freiheit laufen, springen und hüpfen. Wie schön, und vielleicht auch zu schön, um wahr zu sein. – Die Szene beginnt auf folgendem Video ca. bei 2:30.
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Dass sich Ormonds Männer gegenüber der einheimischen Kultur als respektlos erweisen, ist erwartbar. So veranstalten sie bei ihrem ersten Auftritt einen Messerwettwurf auf ein Heiligenbild (05:03). Tom verteidigt das Heiligenbild für seinen Besitzer mit Faustgewalt. Die erste standartgemäße Prügelei des Films rankt sich also um das Thema der interkulturellen Achtung. Hier wird es allerdings verzwickt.
Die maßgebliche Aufklärerfigur im Dienste von Modernisierung, Wissenschaft, Bildung und Fortschritt ist nämlich der schwarze, einheimische Doktor des Ortes. Zunächst einmal werden damit Klischees über die indigene Bevölkerung hintergangen. Der Doktor lehnt sich ganz besonders gegen Ormond auf, um diesen zu provozieren und alle anderen für die Problematik der mangelnden Achtung gegenüber den Einheimischen und den Tieren zu sensibilisieren bzw. konkret auf Ormonds Machenschaften hinzuweisen. Er betreibt in diesem Sinne eine Zeitung. Dass er seinerseits in keiner Weise käuflich ist, wird dadurch unterstrichen, dass er seine Zeitung noch nicht einmal Kroko und Tom für Werbemaßnahmen zur Verfügung stellt (30:32).
Als Aufklärer tritt er jedoch auch gegen die einheimischen Riten und Bräuche an. Nun ist gegen Modernisierung z.B. im Sinne von Penicillin, das er anpreist (11:04), nicht das Geringste einzuwenden, aber dass er Mama Leones Heilkünste als Scharlatanerie und Quacksalberei verunglimpft, zeigt auch die Sturheit und Eindimensionalität seiner Haltung (z.B. 11:00). Das mag noch als liebevoller Zwist zwischen den beiden Figuren inszeniert sein bzw. hier mag sich ein Katz- und Maus-Schema auf Seiten der indigenen Figuren ausbilden.
Aber in der deutschen Version muss man sich schon fragen, was es mit der Schmetterlingszeichnungen-Sammlung des Doktors auf sich hat. Hier ist herausgeschnitten, was im Italienischen Klarheit verschafft, nämlich dass der Doktor seltene Schmetterlinge einfängt und vermutlich auch tötet, weil er sie schön findet und sie zeichnen möchte.
In der herausgeschnittenen Szene fängt Kroko genau das Exemplar, hinter dem der Doktor seit langem her ist. Während der Doktor sie aber wegen ihrer Schönheit einfängt, lässt Kroko den Schmetterling in Anwesenheit des Doktors genau mit der Begründung wieder fliegen, dass dieser eben zu schön sei, um nicht frei weiter leben zu dürfen (Szene beginnt bei 58:58). Man kann die Szene durchaus als redundant und langatmig bezeichnen. Sie eignet sich zweifelsohne zum Herausschneiden im Rahmen von Kürzungsmaßnahmen, jedoch wirft sie auch ein ambivalenteres Licht auf den Arzt, als in der deutschen Fassung übrigbleibt.
Wie sich Zivilisation und das – vermeintlich – archaische Szenario bzw. die ‚Eingeborenen‘ zueinander verhalten, wird dann noch in einer witzigen Szene vorgeführt. Tom hält bei einer seiner Safari-Touren in einem sehr klischeehaften Ort mit mehr oder weniger traditionell gekleideten Einwohnern. Scheinbar ist der Zwischenstopp nötig, weil eine Zündkerze kaputtgegangen ist, und Tom ermutigt die Touristen, das Dorf zu besichtigen. Hier sei noch nie zuvor ein Weißer gewesen sei, so Tom. Außerdem seien die Eingeborenen zwar primitiv, vielleicht auch etwas scheu, aber sicher sehr freundlich.
Kroko hebt in diesem Moment eine leere Coca-Cola-Flasche vom Boden auf: „Du Nilpferd, ein weißer Mann muss aber auf jeden Fall schon mal hier gewesen sein.“ (36:02) Die westliche Konsumkultur sowie deren Globalisierung wird in einem einzigen prägnanten Bild gefasst: in der Coca-Cola-Flasche. Hier findet also ein reflexives Spiel mit den Mythen der Pop-Kultur statt. Metonymisch steht diese Flasche für alle Prozesse, die sich um globalen Konsum ranken. D.h. zunächst einmal kommuniziert sie ganz einfach einen Widerspruch zu Toms Äußerungen. Wäre die Marke weniger etabliert, könnte es sich auch um Productplacement im Kino handelt, so aber werden vor allem die Konsumgewohnheiten in der Weite der Fiktion und der Rezeptionssituation im Kino aneinandergekoppelt.
Eine materielle Coca-Cola-Flasche ist bereits in der Realität ein übersignifikantes bzw. -signifizierendes Zeichen, weil sie über Werbung medial mythisch aufgeladen wurde. Als solches Zeichen taucht sie im Film auf. Was wir auf der Leinwand sehen, zirkuliert aber gleichzeitig ganz und gar real und materiell. Damit funktioniert die Coca-Cola-Flasche nicht nur als pop-kulturelles Hyperparadigma,[48] sondern auch ganz so wie Bud Spencer und Terence Hill selbst als ein Übergangsmechanismus zwischen Fakt und Fiktion, weil wir sie in den Händen halten können, während wir sie im Film sehen, um in dessen Kontext zu decodieren, wofür Coca Cola steht, und dabei waren wir alle es selbst, die die Coca Cola zu dem gemacht hat, was sie im Film nun sein kann, d.h. wir haben sie in der Realität mythisch aufgeladen.
Die Touristen möchten im Dorf nun ein ethnokitschiges Artefakt von einem Eingeborenen erwerben, der dieses als unverkäuflich deklariert, weil es vom Vater des Vaters des Vaters sei. Damit treib er den Preis hoch und verkauft es letztlich mit der Frage, ob er es noch einpacken soll.
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Kurz darauf gibt der Eingeborene Tom einen Teil des Erlöses dafür, dass er die Touristen in den Ort gebracht hat. In dieser kurzen Szene wird die klischeehafte Vorstellung der Touristen vom naiven Eingeborenen dekonstruiert. Das geschieht jedoch durch die Kontrastierung mit einem weiteren Klischee, nämlich dem über die Naivität von Touristen, die auf Ethno-Merchandise hereinfallen und sich über den Tisch ziehen lassen. Es lässt sich durchaus fragen, ob damit nicht ein neues Stereotyp aufgebaut wird, nämlich das des kommerziell interessierten, keineswegs unverdorbenen ‚Wilden‘. Hits the savage back – zumindest indirekt – oder wird er nun seinerseits als Ausbeuter beschrieben, was die ausbeuterischen Tendenzen eines Ormonds verharmlosen könnte? In jedem Fall wird hier der Diskurs des Ferntourismus aufgerufen und koloniale wie ‚postkoloniale‘ Blicke einander gegenüber gestellt.
Nun kann man bei fast allen Aspekten sagen, dass sie recht einfach und plakativ aufgebaut sind, wenngleich es mit der zuletzt skizzierten Szene schon schwieriger wird. Das Aufgreifen virulenter Diskurse und die Popularisierung einer Gutmenschen-Botschaft mit einfachen Lösungen angesichts einer äußerst komplizierten politischen und ökonomischen Lage mag unterkomplex und allzu kathartisch erscheinen. Aber am Ende siegt ja auch in Iphigenie auf Tauris das Gute, Wahre und Schöne.
Und vielleicht liegt alles, was in den letzten Absätzen aufgerollt wurde, beim ersten Sehen für jeden Zusehenden klar auf der Hand, muss es also gar nicht eigens beschrieben und untersucht werden, weil es allzu einfach ist, aber so viel unterflächlicher oder tiefsinniger ist Kabale und Liebe auch nicht bzw. lassen sich hier auch nicht schwieriger Zuordnungen verschiedener Figuren und Haltungen und ihre Oppositionen und Entsprechungen aufweisen.
Poppiges
Kommen wir zum Ästhetischen, das natürlich an die gezeigten Themen gebunden ist, sich aber vor allem jenseits der Handlungsbögen entfaltet, also punktuell funktioniert. Einmal mehr muss die deutsche Übersetzung des Titels – in gewissem Sinne wörtlich – ins Auge fallen, denn nur hier kommt ein Krokodil vor. Im Italienischen heißt Kroko Slim. Dieser Name lebt auch von seinem Gegensatz zum Nilpferd, indem auf die schlanke Statur von Terence Hill verwiesen wird, aber im Titel kommt das nichts zum Tragen. Das Original heißt Io sto con gli Ippopotami.
Dadurch dass hier ein Ich bei, mit oder unter den Nilpferden ist/steht, also eine identifikatorische, mitfühlende, unterstützende Haltung angezeigt wird, kommt der didaktische Anspruch des Films im Sinne des Tierschutzes, also eine Fremdreferenz mit Wirkabsicht deutlicher zum Ausdruck, während der deutsche Titel durch die Benennung von zwei Tieren, die sich in ihrer Statur unterscheiden, auf das bewährte Schema des Duos setzt und damit selbstreferentiell funktioniert.
Man könnte dies mit Jochen Venus als spektakuläre Selbstreferenz beschreiben: „Spektakuläre Selbstreferenz konstituiert sich in der Erfahrung einer figurativen Praxis, die unausweichlich anziehend, also spektakulär sein soll, dabei aber nur ihresgleichen darstellt und in diesem Sinne selbstreferenziell ist.“[49] Nun ist ein Titel nicht spektakulär, weil man kein Bild sieht, und Venus bezieht sich in seinen Ausführungen dezidiert auf Bildlichkeit und zwar genauer auf Darstellungen von Donald Duck und Micky Mouse. Aber hinter dem Film-Titel oder durch den Titel scheint natürlich das Bild des Dünnen und des Dicken in Kombination auf, kann dies unmittelbar und leicht evoziert werden, weil wir das Schema schon so gut kennen.
Wir haben es also, um es noch einmal anders auszudrücken, mit einem spektakulären, weil grotesken Kontrast zu tun, den wir wiedererkennen und uns leicht vorstellen können, wodurch der deutsche Titel auf die etablierten Kunstfiguren Bud Spencer und Terence Hill verweist, außerdem auf seine Vorläufer-Filme als Bedingung und Teil seiner selbst und auf sich selbst als Fortsetzung der Serie. Demnach liegt Selbstreferenz vor. Ein pop-kulturelles Artefakt geht hier einmal mehr in Serie auf Basis eines vorangegangenen Aufmerksamkeitserfolgs. Und damit stellt es sich selbst reflexiv als das aus, was es ist: als Medienprodukt. Dabei kommt es, Venus zufolge, zu einer „Inversion der Darstellungslogik“[50], weil die referentielle Ansicht quasi als Mittel in den Hintergrund gerückt wird, während im Vordergrund und als Zweck „eine selbstgenügsame spektakuläre Artistik“[51] ausgestellt wird.
D.h. dass im Deutschen das durch die Identifikation mit den Nilpferden – im Plural, also keineswegs eins als Metapher für Tom/Bud – im Italienischen ausgestellte Thema des Tierschutzes in den Hintergrund rückt, indem auf Basis der Popularität der vorangegangenen Spencer/Hill-Filme auf diese selbst verwiesen wird. Die Tiere bilden nur noch die Elemente für den Kontrast, der gleichermaßen spektakulär wie selbstreferenziell ist, und hierbei steht jeweils ein Tier im Singular für eine der beiden Kunstfiguren. Spektakulär und ganz im Stil der 70er Jahre sowie ganz im Stil von Pop ist auch der Originaltrailer zum Film:
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Es dominieren Komplementärfarben, wie Orange und Blau bei der Einblendung des Titels. Die Konturen eines Nilpferdes sowie die von weiteren Tieren zeigen sich in groben zweidimensionalen Zeichnungen ohne Schattierungen und Details.[52] Die Tiere erscheinen nicht zuletzt aufgrund der Farbgebung entnaturalisiert oder derealisiert.[53] Wir sehen u.a. einen roten Löwen und einen türkisen Elefanten. Statt also auf das Thema zu setzen und möglichst viel von der afrikanischen Landschaft und ihren Wildtieren zu zeigen, kreist die Ästhetik um das Poppige selbst. Wann immer der Titel einfriert (z.B. 01:42), verwandelt sich der Bildschirm in ein Plattencover, verweist das artifiziell wirkende künstlerische Produkt, das den Film anpreisen und zum Kinobesuch anregen soll, auf die Konventionen eines anderen Mediums und dessen Verkaufsmechanismen. Wir hören dabei den von Bud Spencer gesungenen Soundtrack und Ohrwurm Grau, Grau, Grau.
Dass hier weniger auf den konkreten Inhalt als auf das eigens kreierte Universum verwiesen wird, kann an der Einblendung zweier Scheinwerfer gesehen werden, die die Kinosituation simulieren bzw. das Filmen thematisieren. Natürlich führt der Trailer auch ein wenig in die Handlung ein, aber neben den Actionszenen – Autocrash, Häusereinsturz, freigelassene Löwen – werden diejenigen Szenen aus dem Film achronologisch aneinandergereiht, die bereits feste Szenographien sind: Bud Spencer schlägt einen Gegner mit der Bratpfanne nieder; Terence Hill zeigt Kartentricks. Wir hören außerdem ein paar der stets wiedererkennbaren Sprüche.
Umberto Eco hat den Begriff der Szenographie von Marvin Minsky entlehnt, der im Rahmen seiner KI-Forschung das Konzept der Frames betont: „A frame is a data-structure for representing a stereotyped situation, like being in a certain kind of living room, or going to a child’s birthday party. Attached to each frame are several kinds of information. Some of this information is about how to use the frame. Some is about what one can expect to happen next. Some is about what to do if these expectations are not confirmed.”[54]
Es handelt sich um eine mentale Datenstruktur, die dazu dient, eine stereotype Situation zu repräsentieren, die angesichts neuer Situationen erinnert und aktualisiert wird.[55] Es liegen also prästabilisierte Scripte für Orte, Zeiten, Handlungen, konventionalisierte Standartsituationen etc. vor, die Verständigung erleichtern, Handlungsabläufe vorgeben, Verhaltensweisen regulieren.[56]
Mediale Präformierung ist dabei von entscheidender Bedeutung. „Kein einziger Text wird unabhängig von den Erfahrungen gelesen, die aus anderen Texten gewonnen wurden. Die intertextuelle Kompetenz […] stellt einen besonderen Fall von Übercodierung dar: sie gibt die eigenen Szenographien vor. […] Die intertextuelle Kompetenz […] umfaßt alle dem Leser vertrauten Systeme. […] Tatsächlich könnte der Begriff der intertextuellen Szenographie den Topoi der klassischen Rhetorik oder den Motiven angenähert werden […].“[57] Wenn Minsky in seinen Beispielen von Kindergeburtstagen spricht und Eco von Supermarktbesuchen[58] befinden wir uns im Bereich allgemeiner zwischenmenschlicher Kommunikation, aber Eco betont, wie zuvor zitiert, dass Szenographien sich nicht selten auf Basis intertextueller Zirkulation und deren Kompetenz einstellen.
Wichtig ist also eine bestimmte literarische oder massenmediale Sozialisation, aufgrund derer intertextuelle Szenographien verfügbar sind. Dabei bilden sie eine Beschränkung für den prinzipiell unbegrenzten Semioseprozess, weil sie recht konkrete Vorgaben sind oder machen, unter welchem Gesichtspunkt ein Gegenstand aufgefasst wird, welche Relevanz ihm zugeschrieben wird und welche Interpretation oder Folgehandlung gewählt wird.
Die Erfolgsgeschichte der Spencer/Hill-Filme basiert darauf, dass sie ihre ganz eigenen Szenographien ausprägen. Insofern funktionieren die Filme auch in fast allen Punkten stets selbstreferentiell, können sie basierend auf einem eigenen Formenarsenal in Serie gehen. Und auf diesen Mechanismus setzt bereits der Trailer, der sich bei der Selektion nur wenig an dem neuen Themenspektrum Kolonialismus und Tierschutz orientiert und eher auf allgemeine Action-Szenographien und auf die eigenen zugreift. Es geht dabei aber nicht nur um das Wiedererkennen, sondern auch um die Möglichkeit, jede einzelne dieser Szenen zu komplettieren, also um eine aktive Rezeption. Dabei werden die Deutungen und Komplettierungen aber durchaus kanalisiert: Wir wissen, dass die Prügelei nicht brutal verläuft. Wir wissen, dass der Kartentrick kein ausbeuterischer Betrug ist. Wir wissen, dass die Guten siegen werden.
Bud Spencer wird im Film als Reproduktion seiner selbst aufgerufen. Wir sehen ihn zu Beginn im Schuss-Gegenschuss-Verfahren mit einem Nilpferd kontrastiert wasserspuckend aus einem Teich auftauchen. Auf der Suche nach der Person, die ihm diese Situation eingebrockt hat, also Kroko, folgt er dessen Radspur, und zwar ganz und gar, wirklich gaaanz und gaaar, akribisch, d.h. er geht starr auf den Boden blickend jeder noch so kleinen Kurve nach, wirkt kindlich, gedankenlos, unbeholfen und vor allem clownesk.
Wir sehen einen Schnuller an einer Kette an seinem Hals hängen, was die Kindlichkeit seines Verhaltens unterstreicht, außerdem einen komischen Kontrast zu seinem Bart und seiner Statur darstellt. Um den Schnuller rankt sich dann die erste Schnodderdeutsch-Übersetzung des Films. Von seinem ersten Kontrahenten auf den Schnuller angesprochen fragt er: „Weißt du, warum der kleine Schnuller nicht blau ist?“ um mit einem Satz selbst auf die Frage zu antworten, der so im Italienischen nicht vorkommt: „Weil meine Mama wollte, dass ich ein Mädchen werde, bin ich ja fast. Ne Braut mit Vollbart.“ (06:05)
Die Dialoge tragen insgesamt kaum die Handlung, die sich szenisch aneinanderreiht, sondern gestalten sich sehr situationsbezogen. Diese punktuelle Struktur mag holprig erscheinen,[59] zeigt aber eine selbstgenügsame Anlage. Da alle Elemente schon eingeschliffen sind, brauchen sie nur um ihrer selbst willen anzitiert werden, entfaltet sich durch die szenische Ästhetik ganz einfach das Spencer/Hill-Schema. D.h. obwohl die Handlung ja so unausgefeilt oder lieblos gar nicht ist, dient sie doch vor allem als Anlass, Bekanntes als solches in Szene zu setzen, also die Paradigmen zu implementieren.
Man könnte hier statt von Holprigkeit auszugehen, auch eine reflexive Reproduktion vermuten, durch die sich eine Selbst-Parodie vollzieht. Der Film scheint zu wissen, dass das Publikum schon weiß, was kommen muss. Er liefert dem Publikum eine Kompilation von allem, was erwartet wird. Und so mündet der Schnuller-Dialog schnell in die erste Prügelei, in der mit allen dazu gehörigen Geräuschen ein Dampfhammer ausgeteilt wird (06:28).
Wenn wir später sehen, dass Ormonds Leute hereinschneien, als Tom eine Bratpfanne in der Hand hält, wissen wir, was folgen wird. Es wird zu einer Prügelei kommen, bei der Tom mit der Pfanne zuschlagen wird. Im Italienischen rankt sich der Dialog nach der Schlägerei lediglich darum, dass die Omelettes in der Pfanne ohnehin nicht geschmeckt haben. Im Deutschen wendet sich die Szene wiederum ein wenig ins Selbstreferenzielle: Hier konstatiert Kroko: „Hey, früher hast du mit mehr Dampf zugeschlagen. Da hatte die Pfanne ne Beule.“ Tom antwortet lapidar: „Gusseisen verbiegt sich nicht.“ (32:30)
Abgesehen davon, dass hier Bud Spencers enorme Kraft im Gegensatz zum Italienischen explizit thematisiert wird, führt der Verweis auf frühere Zeiten nicht nur in die Biographie der fiktionalen Figuren Kroko und Tom zurück, sondern auch in die früheren Filme der Kunstfiguren Bud Spencer und Terence Hill. Es gibt hier nicht nur in der fiktiven Deixis ein Früher aus Sicht der Figuren, sondern weil wir die Figuren allzu gut kennen und die vorherigen Filme mit ihnen erlebt haben, gibt es auch für uns ein mit den Figuren geteiltes Früher in der lebensweltlichen Deixis. In der Pop-Kultur bewegen wir uns in einem gemeinsamen Raum mit den seriell auftretenden Ikonen. Die Grenze zwischen Fakt und Fiktion ist in der Pop-Kultur durchlässig!
Zum festen Repertoire des bereits Bekannten gehören auch die Fressgelage. Aber auch hier neigt der Film zu einer Überspitzung des ohnehin schon Überspitzten. Als Kroko und Tom von Ormond zum Essen eingeladen werden, sitzen sie an einem prachtvoll und überreichlich gedeckten Tisch mit allen Zutaten, die man landläufig als dekadent einstufen würde (44:24). Die satura lanx, die mit Früchten gefüllte Schüssel, der die menippeische Satire ihren Namen verdankt, steht hier direkt auf dem Tisch bzw. der Tisch selbst dient sogar als Schüssel.
Und bemerkenswerterweise bietet der Film ja nicht nur ein ähnliches buntes Allerlei wie die antike Satire, die sich qua Stilmischung definiert, sondern auch das Thema der Dekadenz fügt sich hier ein. Die Ansammlung von verschiedenen, bereits präformierten Formen gilt schon in Petron Satyricon als dekadentes – es ist hinzuzufügen: postmodernes – Spiel.[60] Dekadent – und in dieser Hinsicht negativ bewertet – ist also nicht nur der verwöhnte, egoistische Ormond, sondern auch der Film – natürlich in einem positiven Sinn –, weil er reflexiv eine ästhetische Überfülle inszeniert.[61]
Mir fällt auf Anhieb keine opulentere Mahlzeit in den Spencer/Hill-Filmen ein, und wieder haben wir es mit einer spektakulären Selbstreferenz zu tun. Aber nicht nur bewusste Reproduktion, sondern Aemulatio ist am Werk, d.h. die Erwartung des Essens, die seitens der Produzenten und der Rezipienten reziprok und reflexiv vorliegt, wird spielerisch mit einer Überbietungsgeste erfüllt.
Dabei rückt das Essen deshalb besonders ins Zentrum der Aufmerksamkeit, weil Kroko und Tom weder wissen, wie man Kaviar isst, noch einen Hummer kacken können. Krokos kreativer Umgang mit dem Kaviar dürfte eine der bekanntesten Szenen sein, die als Zitat zirkuliert. Er mischt einen Drink aus Champagner, Kaviar, Butter, Salz und Pfeffer und stürzt ihn hinunter. Anschließend isst er den Hummer mit dem Panzer – von geradezu schmerzhaft klingendem Krachen und Knacken akustisch begleitet. Dass ihm dabei Brocken aus dem Mund fallen, gehört zum karnevalesken oder saturnalischen Ritual.
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Dass sich Bud Spencer und Terence Hill in Das Krokodil und sein Nilpferd ostentativ im Wesentlichen mit all den beispielhaft aufgezeigten Aspekten selbst reproduzieren, dass sie Kinder ihrer selbst oder Selbstzitate sind, zeigen die sehr früh eingeblendeten Bilder der Väter an der Wand, die den beiden jeweils absurd ähnlich sehen (07:11).
Ein Seitenblick auf Terence Hill: Dieser ist, wie immer, der smarte, der die Gegner in Blickduellen täuscht, überlistet, ihnen ein Bein stellt und sich insgesamt durch seine Athletik auszeichnet. Nicht nur im Kampf, sondern auch als er sich zu Beginn des Films von einem Baum schwingt, sind seine Bewegungen stark stilisiert und überakzentuiert. Auch hierbei handelt es sich um einen derealisierenden Effekt, der nicht auf die Handlung verweist, sondern auf Terence Hill als künstliche Figur und auf das Spielen dieser Figur, die liefert, was zu ihrer Rolle passt und von ihr erwartet wird.
Das Image des Terence Hill ist aber in Deutschland ein etwas anderes als in Italien. Die Spencer/Hill-Filme gelten auch aufgrund ihrer Asexualität als kindertauglich. In Deutschland lässt man sich aber nicht das Potential des gutaussehenden Terence Hill entgehen. Es findet eine gewisse Sexualisierung der Figur statt. So wird er von einer Dame im Kasino im Italienischen nur leicht angeflirtet, die ihm im Deutschen ein sehr eindeutiges Angebot unterbreitet.
Außerdem hat er eine ansatzweise Romanze mit einer Frau namens Stella. Bei einem Treffen mit ihr, mimt er den Romeo, wird also szenographisch auf Shakespeare rekurriert, indem er während der Konversation lässig außen an einem Balkon hängt. Dazu passend ist Tom gegen die Liaison, weil er Geschäfte mit ihrem Vater machen möchte und fürchtet, dass Kroko ihm dies verdirbt. In der Szene, in der Kroko Stella zum ersten Mal sieht, murmelt er im Italienischen nur so etwas wie ‚Wer bist du denn?‘. Im Deutschen lautet sein Kommentar: „Hey, na, da geht einem ja das Messer in der Hose hoch.“ (40:18)
Auch auf die Kaviarszene folgt ein entsprechender Kalauer, der im Italienischen fehlt. „Tom: Ich ess doch keine Bricketts. Kroko: Das gibt Tinte auf den Füller. Tom: Ich schreib nur mit Blei.“ (47:29). Indem Bud Spencer auf die Anspielung nicht eingeht, sondern den Satz wörtlich nimmt, erfüllt er das bekannte asexuelle Kindchenschema, während Terence Hill in den Filmen durchaus häufiger Sätze artikuliert, die ich als Kind nicht verstanden habe. Und letzteres ist kein nebensächlicher Kommentar: Durch die Versatzstück-Ästhetik, durch die Selbst-Zitate und Szenographien-Kompilation kommt es nicht darauf an, ob man einem einzelnen Dialog folgen kann oder nicht.
Bleiben zwei ästhetisierende Merkmale: Natürlich lebt Das Krokodil und sein Nilpferd von seiner Kulisse. Der Wechsel der Kulissen folgt in den Spencer/Hill-Filmen der Variation der Genres und macht vielleicht den entscheidendsten Unterschied der Filme aus. Ich könnte mir gut vorstellen, dass die Einschätzung, wie die persönliche Rangfolge der Lieblingsfilme aussieht, von diesem Faktor stark bestimmt wird. Für den Plot, die Figuren, die Standardszenen und die Dialoge macht es nämlich keinen Unterschied, wo gedreht wird. Aber es entsteht eine erhebliche atmosphärische Differenz je nachdem, ob man sich im typischen Westernszenario befindet oder einem anderen. Der Begriff der Szenographie kommt hier auch in der deutschen Bedeutung von Bühnengestaltung zum Tragen.
Und, um noch einmal persönlich zu werten, es mag kein Zufall sein, dass meine Bestenliste folgendermaßen aussieht: 1. Das Krokodil und sein Nilpferd, 2. Zwei Missionare, 3. Zwei Himmelhunde auf dem Weg zur Hölle. Obwohl sich die Western-Szenarien in vielen Punkten von den drei genannten Filmen kaum unterscheiden, mag ich sie gerade noch so als Spencer/Hill-Filme, denn nur die beiden machen mir das Genre erträglich.
Zurück zur Sache: Landschafts- und Tieraufnahmen sind konstitutiv für Das Krokodil und sein Nilpferd. Damit fügt sich der Film in das längst etablierte Genre der Tier- und Naturfilme. Und auch dieser Aspekt lässt sich wunderbar punktuell implementieren und eindrücklich inszenieren, bedarf keiner konsistenten Narration. Hinzu kommen die ‚Sitten und Gebräuche der Eingeborenen‘, die sich an den Dokumentarfilm anlehnen, diesen jedoch mit überdrehter Optik hintergehen.
Das bereits erwähnte vermeintlich archaische Dorf sieht aus wie eine Filmkulisse. Zwar sehen die Häuserverzierungen für mein ungeschultes Auge aus wie Malereien des Ndebele-Volkes – die so bezeichneten Eingeborenen tragen auch mehr oder weniger die traditionelle Kleidung der Ndebele –, jedoch ist kaum vorstellbar, dass in einem realen Dorf alle Farben gleichermaßen unverwittert kräftig und frisch aussehen. Es wurde offenbar kein Wert auf Realitätseffekte gelegt, sondern das kontrastreiche Künstliche, Kräftige, geradezu Knallige als solches stehen gelassen, was einer poppigen Ästhetik entspricht.[62] Dies passt dazu, dass die Eingeborenen keine sind, sondern auch in der Fiktion nur solche spielen.
Hinzu kommt, dass die Ndebele nicht den größten Anteil der Bevölkerung in Simbabwe stellen. Das tun die Shona, die im Film eher nebenbei gezeigt werden und die bzw. weil sie weniger bunte Dörfer und Kleidungen aufzuweisen haben. Selegiert bzw. fokussiert wird die Minderheit der Ndebele vermutlich aufgrund der grellen Farbkontraste und scharfen Formen ihrer Ornamente, die poppig wirken, während die Repräsentation realer Verhältnisse hinter ansteht.
Um das Bild abzurunden, wird eine Variation von Shosholoza eingespielt, einem Volkslied der Ndebele, das von Bergarbeitern handelt. Hier bedient der Film alle Sinne und scheut keinen Kitsch, der aber als solcher gerade durch die Anwesenheit der Touristen reflexiv zur Schau gestellt wird. Wir beobachten ja die naiven Beobachter.
In Bezug auf Kitsch seien Anmerkungen angefügt, die sich im Status des lauten Denkens befinden, weil ich nicht über die nötigen zoologischen Kenntnisse verfüge, um ein bestimmtes Gefühl zu verifizieren. In Das Krokodil und sein Nilpferd werden zahlreiche afrikanische Wildtiere gezeigt, die intuitiv zu Simbabwe passen. Dort gibt es auf jeden Fall Krokodile, Nilpferde, Nashörner, Löwen und Elefanten.
Der Schimpansin Elisa, die zu Beginn des Filmes an der Hand eines jungen Mannes bekleidet im T-Shirt ins Haus von Mama Leone tritt und sich sehr anthropomorph verhält (09:24), ist dressiert und wirkt künstlich. Selbstverständlich liegt das am T-Shirt und an der Unwahrscheinlichkeit, dass Mama Leone einen zahmen Affen im Haus hält, d.h. der Umgang mit dem Menschenaffen entspricht eher einem bekannten und rekurrenten Film-Plot als einem realistischen Szenario.
Die Schimpansin will für mich aber auch nicht so recht zur gezeigten Landschaft passen. Oberflächliche Recherchen haben ergeben, dass es heute keine Schimpansen in Simbabwe gibt. Das heutige Verbreitungsgebiet der Menschenaffen liegt vielmehr ziemlich weit von Simbabwe entfernt. Ob es in Rhodesien Schimpansen gab, weiß ich schlicht nicht, aber der Menschenaffe passt für mich in Bezug auf das Krokodil und sein Nilpferd eher in das Paradigma ‚Tiere im Film‘ oder ‚komische Tiere‘, also zu einem Aspekt der Pop-Kultur, nach dem hier scheinbar selektiert wird, und weniger in das Register Wildtiere in Rhodesien.
Moritz Baßler hat auf die Relevanz von Paradigmen in der Pop-Literatur aufmerksam gemacht. Ausgehend von Roman Jakobsons Feststellung, die poetische Funktion übertrage das Prinzip der Äquivalenz von der Achse der Selektion auf die Achse der Kombination,[63] geht Baßler davon aus, dass der Clou bei der Pop-Literatur darin besteht, dass sie das Paradigma nicht im Syntagma abbildet, sondern es als Paradigma herausstellt.[64] Derartige Kompilationen sind stilbildend im Pop, weil sie Beschreibungen ersetzen, weil fremde Elemente und auch deren Zusammenhänge wie bei Collagen unmittelbar zum Sprechen kommen.
Hierbei handelt es sich um Fremdreferenzen, aber wie bei Collagen ist das Verfahren der Kompilation immer auch selbstreferenziell;[65] es verweist auf den Prozess des eigenen Zustandekommens, auf die eigene Ästhetik und auf vorangegangene künstlerische Artefakte. Falls meine Vermutungen zu der Schimpansin stimmen, wäre dies eine derealisierende, auf Klischees setzende Kompilation mehr in Das Krokodil und sein Nilpferd. Wenn nicht, eben nicht. Es bleiben dann ja trotzdem genügend als solche herausgestellte Paradigmen im Film übrig.
Kleiner Exkurs: Was bei mir zur Irritation bezüglich der Schimpansin geführt hat, ist der Umgang mit Tieren in der wunderbaren deutschen Produktion Im Dschungel ist der Teufel los von 1982 (Regie: Harald Reinl). Dort finden sich ebenfalls mindestens Schimpansen, Orang-Utans, Krokodile, Papageien, Strauße, Seehunde, Giraffen, Zebras, Antilopen, Dromedare, Nashörner, Elefanten, Geparden, Panther, Tiger, Löwen, eine – vielleicht – Python oder Boa und auch noch ein Stachelschwein mitten im Urwald.
Man muss an der Stelle wahrlich kein Zoologe sein, um zu ahnen, dass es eine solche Zusammensetzung von Tieren auf allerkleinsten Raum im Dschungel nicht gibt, sondern dass vielmehr das Register ‚wilde oder exotische Tiere‘ aufgerufen wird, das wir aus Zoos kennen. Hier finden also eine Deplatzierung, Dekontextualisierung und ein Sampling statt, das unnatürlich, oberflächlich, effektvoll[66] und ritualisiert, also pop ist.
Passend dazu wird uns eine menschliche Typenrevue präsentiert und ein wandelndes Klischee an das andere gereiht: ein permanent filmender Japaner, ein Schweizer, der bei jedem Malheur behauptet, dass so etwas bei der Swiss Air nicht passieren könnte, ein weltfremder Priester, zwei verliebte Teenager, eine junge Frau, die geschminkt vor der Kamera posiert und ansonsten dauernd Walkman hört und tanzt, eine alleinstehende Lehrerin, ein cholerischer übergewichtiger deutscher Ehemann, ein Aussteiger und eine ‚Ureinwohnerin‘ mit einer Blume im Haar in einem Lendenschürzchen, die zu Tieren sprechen kann usw.
Dass der Stewart einen leichten österreichischen Dialekt spricht und der Pilot Amerikaner ist, mag noch nicht wie ein derealisierendes Arrangement wirken, aber dass der Japaner in seinem gebrochenen Deutsch standartgemäß das R als L artikuliert und ein Schweizer mit entsprechendem Akzent auf eine Familie mit einem berlinernden Vater stößt, zeigt die Variationsfreude beim Paradigma ‚klischeehafte Varietäten des Deutschen‘. Sehr empfehlenswerter Film, obwohl ich nicht nur den Besuch von Zoos bzw. überhaupt deren Existenz aus Gründen der Humanität/des Tierschutzes strikt ablehne, sondern auch gegenüber Tieren vor der Kamera äußerst skeptisch eingestellt wird. So viel darf man in einem Essay vielleicht mal sagen.
Zuletzt sei auf die Musik in Das Krokodil und sein Nilpferd eingegangen. Alle Spencer/Hill-Filme haben einprägsame Soundtracks. In dem vorliegenden Film ist es das von Bud Spencer gesungene Lied Grau, Grau, Grau, das in zahlreichen Variationen und Modulationen hinsichtlich der Instrumente, der Tempi usw. die jeweilige Handlung der Szenen begleitet. Die langsame Variante mit den Blasinstrumenten taucht beispielsweise sehr häufig auf, wenn Tom sich wie ein Bulldozer oder aber wie ein Elefant auf seine Gegner zubewegt und seine innere Wut und Kampfbereitschaft gezeigt werden soll, die noch nicht ganz in Aktion umschlägt.
Allein aufgrund der musikalischen Begleitung entfalten die Szenen eine enorme Selbstverständlichkeit. Die Musik passt zur Körpersprache. Das Minenspiel Bud Spencers muss nicht besonders ausgefeilt sein. Es ist auch nicht nötig, die Einbettung einer solchen Szene in den Plot zu kennen, und so funktioniert der Film einmal mehr szenographisch. Wenn man nichts versteht, versteht man trotzdem alles. Wenn man bei der gesungenen Version im Bus (57:25) auf den Text achtet, wird auch lediglich einmal mehr deutlich, was ohnehin bereits klar ist.
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Ein Löwe möchte weder gefangen noch erschossen werden. Er bittet die Menschen ganz niedlich darum, dies zu unterlassen. Währenddessen fährt der Bus an dem geplanten Safaripark von Ormond vorbei. So verweisen sämtliche Versatzstücke stimmig aufeinander, aber sie wiederholen und überlagern sich so redundant, dass eine ausgefeilte Handlung und Herleitung nicht nötig ist. Es gibt sie um des ästhetischen Effekts selbst willen. Das Lied ist schließlich ein Ohrwurm. Am Ende, wenn wir die Tiere in die Freiheit rennen sehen, läuft Walter Rizzatis Freedom, eine orchestrale Variation von Grau, Grau, Grau, in die eine Variation von Shosholoza eingearbeitet ist (1:38:44), also ein musikalisches Sampling stattfindet. Ein erhebender Moment – und gar nicht kitschig.
Insgesamt zeichnen sich die Filme durch Punktualität, Sinnlichkeit, also visuelle und akustische Reize sowie die Versatzstück-artige Reproduktion und Reihung aller Elemente aus, die sich in den Vorläufer-Filmen bereits etabliert hatte. Neben dem Zelebrieren der Ästhetik um ihrer selbst und um der Unterhaltung willen, verweisen die Filme mit all diesen Facetten reflexiv auf sich selbst und die Spencer/Hill-Tradition. Da das Syntagma den Anlass bildet, die Paradigmen zu tragen, fällt auch nicht besonders auf und muss auch nicht auffallen, wie durchaus vielschichtig die Handlung eigentlich ist. Der Film kann, wie alle anderen Spencer/Hill-Filme, leicht geschnitten werden und fragmentiert in die intermediale Zirkulation eintreten. Wenn ein konsistentes Syntagma das Wesentliche der Filme ausmachte, ginge das nicht.
Bud Spencer in der pop-kulturellen Zirkulation
Es ist nicht möglich aufzuzählen, wie und wo Bud Spencer pop-kulturell zirkuliert. Bud Spencer ist eine „Kunstfigur“, „Kultfigur“ „Legende“ und auch „Marke“[67]. Natürlich zirkuliert er zunächst einmal im Film. So rezipieren die Figuren in Marco Pontis Santa Maradona Spencer/Hill-Western[68] und spiegeln damit unsere Rezeption und Sozialisation. Bud Spencer hatte außerdem einen Cameo-Auftritt in Leonardo Pieraccionis Liebeskomödie Fuochi d’artificio.[69] Außerdem musste er Federico Fellini leider eine Absage erteilen, der ihn gerne in der Rolle des nackten Trimalchio im Satyricon gehabt hätte. „Und ich sah mich überhaupt nicht als Nacktdarsteller.“[70] Das Zitat stammt aus Bud Spencers Autobiographie, die sich auf Bestseller-Listen befand. Neben Homepages von Fans und einer eigenen Seite auf Facebook, die zur Zeit ca. zwei Millionen Menschen gefällt, ist der Handyklingelton des Feuerwehrchors aus Zwei wie Pech und Schwefel sehr beliebt.[71] Und insbesondere das letztere Beispiel zeigt, dass es sich bei dem Auftauchen von Bud Spencer in der Pop-Kultur um eine Zirkulation isolierter Versatzstücke handelt.
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Kai Glinka bietet in seiner Monographie zu Bud Spencer ein „Bohnenrezept à la Bud Spencer und Terence Hill“[72] an, und das wird auch gebraucht, gibt es doch zahlreiche Themenpartys, auf denen die Spencer/Hill-Gerichte gegessen werden.[73] Bei diesen Partys zeigt sich schon, dass sich leicht einzelne Elemente aus den Spencer/Hill-Filmen herausbrechen lassen, werden dabei doch selten ganze Filme geschaut, sondern eher Kompilationen oder die Soundtracks gehört und dazu eben Bohnengerichte gegessen – wenn man Pech hat, natürlich auch der Kaviar-Drink gereicht.
Bud Spencer hat konstatiert: „Und als ich in Deutschland Leute sah, die mein Gesicht als Tattoo auf ihrer Brust trugen, da wurde mir klar, dass ich nicht der einzige marziano [Marsmensch, so sein Spitzname in der Familie] auf dieser Welt bin.“[74] Tatsächlich kann man Bud Spencers Gesicht im Sommer auf zahlreichen Körperteilen bewundern. Zu den Tattoos kann angemerkt werden, dass gerade Bud Spencer so signifikant aussieht, dass er sich in zahlreichen Stilen und auch von weniger begabten Tätowierern wiedererkennbar stechen lässt. Bud Spencer und Terence Hill tauchen natürlich auch gemeinsam auf, aber Terence Hill alleine wäre nicht so leicht zu identifizieren. Bud Spencers Bart, das breite Gesicht und der mögliche starke Bildkontrast durch die dunklen Haare entfalten eine größere Prägnanz.
Es muss immer wieder betont werden, dass der Kult-Status von Bud Spencer und seine pop-kulturelle Zirkulation sicherlich auf dessen leichter Dekontextualisierbarkeit aufgrund des hohen Wiedererkennungseffekts basieren. Ebenso gilt dies für Elemente wie Bohnenessen in musikalischer Soundtrack-Begleitung. Natürlich kommt ein pop-kulturelles Artefakt selten allein, sondern zeigt sich in Stilverbünden,[75] d.h. am besten zieht man auf eine Party Bud Spencer und Terence Hill-Party auch noch ein passendes T-Shirt an.
Was wäre eine pop-kulturelle Zirkulation ohne Merchandise-Artikel? Man kann, nebenbei bemerkt, auch eine Bud Spencer Bratpfanne kaufen,[76] aber interessant sind die T-Shirts, darunter vor allem zwei Modelle: Bud Spencer im Scherenschnitt und als Banana Joe. Diese beiden besonders bekannten Varianten entfalten allerdings auch deshalb eine so große Prägnanz, weil die Formen bereits etabliert waren.
Che Guevara hat den Scherenschnitt popularisiert – oder war es umgekehrt? – und wurde in dieser Form zur Ikone, die später mit Bud Spencer auch auf eine andere Ikone übertragen werden konnte. Banana Joe spielt natürlich darauf an, dass Bud Spencer Ähnlichkeiten mit einem Gorilla aufweist, d.h. es geht wieder um seine prägnante Körperlichkeit. Das Shirt zeigt außerdem eine geöffnete Banane, und obwohl sie sich dadurch unterscheidet, kommt man dennoch nicht umhin, daran zu denken, dass auch die Banane mit Velvet Underground ihre eigene Karriere in der Pop-Kultur vor Bud Spencer hatte.
D.h. hier verbinden sich prägnante Sichtbarkeiten aus verschiedenen Bereichen und zirkulieren in dieser Kombination. Das Prägnante der Figur wie das Szenographische der Filme sorgen dafür, dass Bud Spencer als Zitat oder Collage seiner selbst zirkulieren kann. Er kann also unabhängig von seinem ursprünglichen Kontext in Serie gehen und sich mit anderen Ikonen zusammentun.
Die lebensweltlichen Kontexte können sich dabei wechselseitig kommentieren. Z.B. trägt mein nicht gaaanz schlanker Obstverkäufer auf dem Bornheimer Markt in Frankfurt/Main, wann immer das Wetter es zulässt, das Banana-Joe-T-Shirt. Selbst wenn man nun Bud Spencer nicht kennen sollte, ergibt sich so ein stimmiges Bild. Falls ich mal Obst esse, kaufe ich natürlich dort wegen des T-Shirts ein, weil es eine Distinktion zulässt oder bedeutet. Die Stände und Bananen auf dem Markt sind ja ansonsten alle gleich. So funktioniert Pop.
Pop stellt sich dort ein, wo es zu einer formalen, ästhetischen Verdichtung des Populären kommt. Das Populäre wiederum basiert z.B. auch auf den vielmals beschworenen Kindheitserinnerungen.[77] Aber natürlich nur, wenn eine kritische Masse an Rezipienten die gleichen Erinnerungen hat, also eine Szene gemeinsamer Aufmerksamkeit vorliegt.[78]
Matthias Bauer macht dieses Konzept von Michael Tomasello in Verbindung mit Ecos Untersuchungen fruchtbar, um die Komponenten von kulturellen Semiose- und Signifikationsdynamiken aufzuzeigen.[79] Er beschreibt in Anlehnung an Tomasello, wie Symbole und Zeichen allgemein stets auf Szenen gemeinsamer Aufmerksamkeit verweisen, die den sozialen „Hintergrund aller Bedeutungen, die kommunizierbar sind“[80], bilden.
Es liegt bei Tomasello eine Spracherwerbstheorie zugrunde, die die Relevanz sozialer Partizipation, deiktischer Gesten und gemeinsamer Blickwinkel betont. Indem auf konkrete gemeinsame, geteilte Szenen verwiesen wird, stellt sich ein pragmatischer Rahmen für den Gebrauch von Symbolen und Zeichen ein, der über deren einfache Referentialisierung hinausgeht. „In verschiedenen Kommunikationssituationen kann z.B. ein und dasselbe Objekt als Hund, Tier, Haustier oder als Plage aufgefaßt werden […], wobei jede solcher Auffassungen von den Kommunikationszielen des Sprechers abhängt.“[81]
Oder anders gesagt: Im gesellschaftlichen Zeichenverkehr kommt es darauf an, „die eigenen Handlungen und die der verschiedenen Interaktionspartner einerseits auf die ihnen gemeinsame Umwelt, andererseits aber auch auf die Gedanken und Empfindungen von ego und alter zu beziehen, die diese Handlungen motivieren oder reflektieren.“[82]
D.h. Kommunikation ist stets auf eine gemeinsame Umwelt bezogen, und es kommt zu einer wechselseitigen Verständigung nicht nur über dieses Bezugsfeld, sondern auch voneinander anhand dieses Bezugsfelds. Und dieses Bezugsfeld ist in großem Maß nicht das der realen Umwelt, sondern fiktionaler oder allgemein massenmedialer Angebote. Auf diese Weise – natürlich auch auf andere Weise oder erklärbar durch andere Theorien – stellt sich das Populäre ein.
Das Populäre ist aber noch nicht Pop. „Pop wäre […] eine Form des Populären“[83], so Niels Werber, der das Prinzip an Andy Warhols Siebdruck-Reihe verdeutlicht. Aus einem populären Bild entfaltet bzw. verdichtet sich Pop einmal mehr aufgrund seiner spektakulären Selbstreferenz: „Selbstreferenziell ist diese Spektakularität deshalb, weil Marilyns Konterfei bei Warhol vollkommen dekontextualisiert in Serie gehen kann und sich auf nichts mehr bezieht als das Spektakuläre selbst.“[84]
Zunächst versammeln sich also in den Spencer/Hill-Filmen prägnante Merkmale, die sich aufgrund ihres Erfolgs stabilisieren und in Serie gehen. Eine Kombination aus diesen Merkmalen ist durch alle Genres hindurch signifikant. Schon beim zweiten Mal verweist diese Kombination auf sich selbst bzw. auf das Phänomen Spencer/Hill. Spätestens in Das Krokodil und sein Nilpferd kommt es – insbesondere in der deutschen Fassung – zu einer gesteigerten Reflexivität, die man als spektakuläre Selbstreferenz bezeichnen kann. Die Spektakel der Prügeleien, der Sprüche und Fressgelage stellen sich selbst als solche bzw. als beliebte Szenographien aus. Sie können weitgehend von der Filmhandlung unabhängig auftreten und beliebig kompiliert werden, obwohl es in dem Film auch Handlungsstränge gibt, die fremdreferenziell auf virulente Diskurse verweisen.
Nun können sich die Elemente aber wieder völlig aus ihrem ursprünglichen Kontext lösen. Bud Spencer ist ausreichend aufgeladen und in Szenen gemeinsamer Aufmerksamkeit rezipiert worden, so dass er mit seinem prägnanten Aussehen allein allerorts zirkulieren und neue Verbindungen eingehen kann. Und Carlo Pedersoli bleibt immer ein bisschen dabei, denn der signifikante Körper verweist stets auch auf das leibliche Substrat. Fakt und Fiktion bilden eine Einheit. Der Kreis hat sich geschlossen, und wir haben großen Spaß daran.
Anmerkungen
[1] Spencer, Bud: Mein Leben, meine Filme. Die Autobiographie. Berlin 2011, S. 209.
[2] http://www.spiegel.de/panorama/leute/bud-spencer-ist-tot-nachruf-auf-den-legendaeren-haudrauf-a-1100116.html. Zugriff: 16.05.2017.
[3] Dath, Dietmar: Superhelden. 100 Seiten. Stuttgart 2016, S. 1.
[4] Z.B. Bud Spencer. Die große Dokumentation. Da Music, 2013.
[5] Glinka, Kai: Bud Spencer. 100 Seiten. Stuttgart 2017; Heger, Christian: Die rechte und die linke Hand der Parodie. Bud Spencer, Terence Hill und ihre Filme. Marburg 2009; vgl. auch Jeier, Thomas: Bud Spencer und Terence Hill. München 1980; Manthey, Dirk: Bud Spencer: Sein Leben und seine Filme. Zweite Kino Verlag 1981.
[6] Spencer 2011.
[7] Glinka 2017, S. 29
[8] Spencer 2011, S. 113; Heger 2009, S. 30.
[9] Glinka 2017, S. 29.
[10] Heger 2009, S. 35-39.
[11] Heger 2009.
[12] Heger 2009, S. 41, 49;
[13] Spencer 2011, S. 129.
[14] Spencer 2011, S. 131; Heger 2009, S. 49-54; Glinka 2017, S. 35.
[15] Glinka 2017, S. 29.
[16] Glinka 2017, S. 47.
[17] Heger 2009, S. 8, 63-70; Glinka 2017, S. 27.
[18] Heger 2009, S. 44; Koebner, Thomas: Buddy-Filme. In: Thomas Koebner: Sachwörterbuch des Films. Stuttgart 2002, S. 86ff.
[19] Glinka 2017, S. 27.
[20] Heger 2009, S. 74.
[21] Spencer 2011, S. 126.
[22] Glinka 2017, S. 48.
[23] Kelleter, Frank: Populäre Serialität. Eine Einführung. In: Frank Kelleter: Populäre Serialität. Narration, Evolution, Distinktion. Zum seriellen Erzählen seit dem 19. Jahrhundert. Bielefeld 2012.
[24] Baßler, Moritz: Leitkultur Pop? Populäre Kultur als Kultur der Rückkopplung. In: Kulturpolitische Mitteilungen 148 (2005), Nr. 1, S. 34-39, hier S. 34, 38; Werber: Niels: Ausnahmen des Pop. In: LiLi 46 (2016), S. 321-332.
[25] Venus, Jochen: Die Erfahrung des Populären. Perspektiven einer kritischen Phänomenologie. In: Marcus S. Kleiner, Thomas Wilke (Hrsg.): Performativität und Medialität Populärer Kulturen. Theorien, Ästhetiken, Praktiken. Wiesbaden 2013, S. 49-74, hier S. 67.
[26] Heger 2009, S. 49.
[27] Heger 2009, S. 121.
[28] Heger 2009, S. 119-120; Glinka 2017, S. 18.
[29] Heger 2009, S. 123-125; Glinka 2017, S. 54.
[30] Heger 2009, S. 125.
[31] Heger 2009, S. 124.
[32] Glinka 2017, S. 5.
[33] Heger 2009, S. 127; Glinka 2017, S. 58.
[34] Glinka 2009, S. 56-57.
[35] Heger 2009, S. 121.
[36] Selbst der Kostümfilm Hannibal von 1959, in dem Carlo Perdersoli und Mario Girotti – später Terence Hill – Statisten spielten und an dessen Set sie sich nicht getroffen haben, wurde nachträglich als Spencer/Hill-Film vermarktet (Glinka 2017, S. 21).
[37] Glinka 2017, S. 40-45.
[38] Heger 2009, S. 79; Glinka 2017, S. 44; Niikita, Nikolaj: Essgewohnheiten. 1999*.
[39] Bachtin, Michail M.: Rabelais und seine Welt. Volkskultur als Gegenkultur. Hrsg. V. Renate Lachmann. Frankfurt/Main, S. 68-72, 316-317.
[40] Venus 2013, S. 62.
[41] Baßler 2005.
[42] Das Krokodil und sein Nilpferd. Ungeschnittene Fassung, ca. 104 min. Länge, 3L.
[43] Glinka 2017, S. 3.
[44] Heger 2009, S. 59.
[45] Heger 2009, S. 165.
[46] Hecken, Thomas: Avant-Pop. Von Susan Sontag über Prada und Sonic Youth bis Lady Gaga und zurück. Moers 2012, S. 10.
[47] Hecken, Thomas: Pop-Konzepte der Gegenwart. In: Pop. Kultur und Kritik 1 (2012), S. 88-106, hier S. 97-99.
[48] Werber 2016.
[49] Venus 2013, S. 53.
[50] Venus 2013, S. 65.
[51] Venus 2013, S. 65.
[52] Hecken 2012, S. 97-99.
[53] Hecken 2012, S. 97-99.
[54] Minsky, Marvin: A Framework for Representing Knowledge. MIT-AI Laboratory Memo 306, June 1974. In: web.media.mit.edu/~minsky/papers/Frames/frames.html. Zugriff: 15.02.2012.
[55] Eco, Umberto: Lector in fabula. Die Mitarbeit der Interpretation in erzählenden Texten. München, Wien 1987, S. 99/100.
[56] Bauer, Matthias: „Berlin ist eine ausführliche Stadt.“ Einleitende Bemerkungen zur Berliner Stadt-, Kultur- und Mediengeschichte. In: Matthias Bauer (Hrsg.): Berlin. Medien- und Kulturgeschichte einer Hauptstadt im 20. Jahrhundert. Tübingen 2007, S. 15f.
[57] Eco 1987, S. 101.
[58] Eco 1987, S. 99-100.
[59] Heger 2009, S. 165.
[60] Kirichenko, Alexander: Satura und Pikareske. Der unendliche Spaß der Satyrica Petrons. In: Lickhardt, Maren, Niels Werber: Transformationen des Pikarischen. LiLi 44 (2014), S. 24-48.
[61] Vielleicht ist es gar nicht so weit hergeholt, dass Fellini bei Bud Spencer an Trimalchio denken musste. Dazu später noch eine Anmerkung.
[62] Hecken 2012, S. 97-99.
[63] Jakobson, Roman: Linguistik und Poetik. In: Roman Jakobson: Poetik. Ausgewählte Aufsätze 1921-1971. Frankfurt/Main 1979, S. 83-121, hier S. 94.
[64] Baßler, Moritz: Der deutsche Pop-Roman. Die neuen Archivisten. München 2002, S. 102.
[65] Lickhardt, Maren: Großstadt, Collage und Körper in der Weimarer Republik. Irmgard Keun und Klaus Mann als Fallbeispiele zwischen Versachlichung und Verdinglichung. Wird in einem erscheinen herausgegeben von in Simon Eberle, Oliver Jahraus, Michaela Rass.
[66] Hecken 2012, S. 88-106, S. 97.
[67] Glinka 2017, S. 2-3, 6, 98.
[68] Heger 2009, S. 8.
[69] Spencer 2011, S. 181.
[70] Spencer 2011, S.
[71] Spencer 2011, S. 138.
[72] Glinka 2017, S. 42.
[73] Heger 2009, S. 11.
[74] Spencer 2011, S. 195.
[75] Hecken 2012, S. 97-99; Venus 2013, S. 54.
[76] https://shop.budspencerofficial.com/de/fuer-sammler/134-eisenbratpfanne-beans-bacon-bohnen-speck-bud-spencer-4260456254433.html. Aufruf: 14.05.2017.
[77] Heger 2009, S. 7; Glinka 2017, S. 4.
[78] Tomasello, Michael: Die kulturelle Entwicklung des menschlichen Denkens. Zur Evolution der Kognition. Frankfurt/Main: Suhrkamp 2006.
[79] Bauer, Matthias: Szenen gemeinsamer Aufmerksamkeit. Medien als Kulturpoetik. Zum Verhältnis von Kulturanthropologie, Semiotik und Medienphilosophie. In: Christoph Ernst, Petra Gropp, Karl Anton Sprengard (Hrsg.): Perspektiven interdisziplinärer Medienphilosophie. Bielefeld 2003, S. 94-118.
[80] Bauer 2003, S. 94.
[81] Tomasello 2006, S. 20.
[82] Bauer 2003, S. 96.
[83] Werber 2016.
[84] Werber 2016.
Maren Lickhardt ist
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