[zuerst unter dem Titel »The Evolution of Kitchen Design. A Yearning for a Modern Stone Age Cave« veröffentlicht worden in: Nicolaj van der Meulen, Jörg Wiesel (Hg.): »Culinary Turn. Aesthetic Practice of Cookery«, Transcript Verlag, Bielefeld 2017, S. 47-57.]
„Die falsche, oft zimmermäßige Einrichtung der Küche ist die Ursache für viele Schwierigkeiten, die übermäßigen Zeitverlust zur Folge haben. Die Küche soll die Arbeitsstelle, das Laboratorium der Hausfrau sein, in der jede überflüssige räumliche Größe, und jede unhandliche Anordnung der Einrichtungsgegenstände zu dauernder Mehrarbeit führen. Sie muß zu einem Mechanismus, einem Instrument werden. Die Zeit sollte der Frau des Hauses zu kostbar sein, um tagein, tagaus die Mühseligkeiten der altmodischen Küchenbewirtschaftung zu ertragen.“[1]
Bereits 1926 entsteht in Frankfurt eine 1,90 x 3,40 m große Arbeitsküche, die unter der Bezeichnung Frankfurter Küche zum Prototyp einer vorgefertigten, standardisierten Küche wird. Die Rationalisierung der Arbeits- und Größenverhältnisse der Küche nimmt ihren Anfang aber in Amerika. Zunächst beschäftigt sich Catherine E. Beecher aufgrund der Dienstbotenfrage 1841 mit der Gestaltung der Küche. Christine Frederick und Lillian M. Gilbreth versuchen, in Analogie zur rationellen Arbeitsorganisation der Industrie, diese auf die Hausarbeit zu übertragen. Sie zerlegen die Arbeitsabläufe in die drei wesentlichen Arbeitsgänge, Aufbereitung, Zubereitung und Reinigung und ordnen diese den zugehörigen Arbeitsstätten Herd, Vorratshaltung und Spüle in einer zweckmäßigen Anordnung angepasst zu, um zur Arbeitserleichterung beizutragen. Darüber hinaus setzen sich Catherine E. Beecher und Lillian M. Gilbreth dafür ein, die Hausarbeit als Beruf und die Küche als Arbeitsplatz der Hausfrau anzuerkennen. Dieser Artikel behandelt den Wandel des Küchendesigns im Zeitraum von 1926 bis zum Ende der 1980er Jahre und zeigt auf, dass sich Wohnungsbauprograme und soziale Interessen sowie Gesellschafts- und Rollenbilder selbst in der Gestaltung und Nutzung des privaten Arbeits- und Lebensraums Küche wiederfinden.
In Deutschland löst das aufgrund der zunehmenden Frauenerwerbstätigkeit veränderte Frauenbild die Auseinandersetzung mit der Hauswirtschaft aus.[2] Die Anerkennung der Hausfrauentätigkeit als professionelle Arbeit ist der Anlass für eine intensive Beschäftigung mit dem Thema Küche. Neben dem 1924 veröffentlichten Buch von Bruno Taut Die neue Wohnung, Die Frau als Schöpferin [3] bleibt das wohl bedeutendste Werk der Rationalisierungsbewegung in Deutschland Der neue Haushalt. Ein Wegweiser zur wissenschaftlichen Haushaltsführung [4] von Erna Meyer. Der rationalisierte Haushalt bezieht sich auf drei Prämissen, die arbeitswissenschaftlich begründeten Prinzipien der Zeit-, Kraft- und Materialersparnis, die Vermittlung einer funktionalen und ergonomischen Ästhetik sowie die Forderung nach der Anwendung von Technik im Haushalt. Während sich zu Anfang insbesondere die Hausfrauenvereine mit der Rationalisierung des Haushalts befassen, folgen 1924 die Architektinnen und Architekten. Die neue Küchenform, eine zweckmäßig eingerichtete Arbeitsküche, wird aber nicht von allen Seiten in Deutschland positiv aufgenommen. In den 1920er Jahren entzündet sich eine große Debatte darüber, welche Küchenform die bessere sei, die Wohn- oder die Arbeitsküche. Die Entwicklung der rationellen Küche wird durch die einsetzenden Wohnungsbauprogramme der Städte eingeleitet und im großen Stil umgesetzt. Jede Stadt hat in ihrem Hochbauamt ihre eigenen ‘Küchenplaner‘, so dass sich die Küchen von Stadt zu Stadt unterscheiden. Es gab Münchner, Hamburger und Stuttgarter Küchen. Während alle diese Küchentypen in Vergessenheit geraten sind und es in der nationalsozialistischen Zeit zu keinen weiteren Konzepten der Arbeitsküche kam, wurde das erfolgreiche Modell der Frankfurter Küche in den USA, Schweden und der Schweiz weiterentwickelt und kontinuierlich an die fortschreitenden technischen Entwicklungen angepasst. Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrt eine modifizierte Variante der Frankfurter Küche als Schwedenküche oder Amerikanische Einbauküche nach Deutschland zurück. Bis heute hat die Frankfurter Küche ihre Bedeutung für den Wohnungsbau nicht verloren.
Aufgrund der immer größer werdenden Wohnungsnot wird 1925 in Frankfurt/Main unter der Leitung von Ernst May ein auf zehn Jahre angelegtes Wohnungsbauprogramm aufgestellt. Ein wichtiger Grundsatz Ernst Mays für die Planung des Massenwohnungsbaus lag in der Rationalisierung der Hausarbeit. Mit einem rationellen Grundriss können die Räume so angelegt werden, dass die Hausarbeit mit geringstem Kraftaufwand zu leisten sei. Die Architektin Margarete Schütte-Lihotzky (1897-2000) wurde damit beauftragt, sich mit der Planung und Bauausführung der Wohnungen im Hinblick auf die Rationalisierung der Hauswirtschaft zu beschäftigen. Im Frankfurter Wohnungsbauprogramm wurde die Wohnküche nicht für ‚zeitgemäß‘ gehalten und durch eine ‚Doppelzelle, Einbauküche, Wohnzimmer‘ ersetzt.[5] Margarete Schütte-Lihotzky nimmt die Mitropa-Küche der damaligen Speisewagen zum Vorbild, in der auf einer Fläche von 1,97 x 1,83 m² und einer Anrichte mit denselben Ausmaßen Fünf-Gänge-Menüs zubereitet werden können.
In diesen beiden Räumen wird Essen von zwei Personen für 80 Personen in verhältnismäßig kurzer Zeit hergestellt. Darüber hinaus befinden sich in diesen beiden Räumen mit zusammen 7,12 m² Grundfläche Getränke, Essgeschirr, Bestecke und Gläser. Margarete Schütte-Lihotzky sieht in der Mitropa-Küche einen zweckmäßigen Arbeitsraum, in dem die Wege- und Griffersparnisse am konsequentesten umgesetzt werden. Sie versucht, diese Erkenntnis auf den Privathaushalt zu übertragen.[6] Dies bedeutet aber nicht, dass Schütte-Lihotzky die Kochpraxis der Hausfrauen verändern will. Sie möchte in erster Linie durch eine rationell aufgebaute Anordnung der Arbeitsorte eine Effizienz des Kochvorgangs und der Arbeitswege erreichen.
Die Küche als Zentrum der Hausarbeit wird in den 1920er Jahren von den Befürwortern der Arbeitsküche als Laboratorium[7], Fabrik[8] oder Werkstatt[9] betrachtet. Folglich werden für die Arbeitsabläufe in der Küche Untersuchungen nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten ähnlich dem Taylorsystem durchgeführt und die verschiedenen Küchenarbeiten mit der Stoppuhr abgemessen. Die Größe und die Form der Küche soll weitgehend Schritt- und Griffersparnis ermöglichen. Bei der Auswertung der Ergebnisse entsteht ein langer, schmaler Raum von 1,90 Breite und 3,40 Länge.
Die Küchenstruktur orientiert sich an den notwendigen Arbeitsschritten. Neben dem Arbeitstisch, der vor dem Fenster steht, befindet sich links der nach außen entlüftbare Speiseschrank. Rechts des Arbeitsplatzes reihen sich die Spülvorrichtung und Geschirrschränke mit Glastüren der Längswand. An die Spüle schließt eine Arbeitsplatte an, unter der sich ein Vorratsschrank mit Schütten befindet. Hierauf folgt der Topfschrank und in der Ecke der Besenschrank. Der dreiflammige Gasherd mit Backrohr sowie die Kochmaschine sind auf der gegenüberliegenden Seite angeordnet.
Der Gang in der Küche ist 0,90 m breit. Der schmale Gang ermöglicht kurze Wege von der einen auf die andere Seite. Durch eine breite Schiebetür gelangt man in den Wohn- und Essraum. Um das Prinzip der kurzen Wege auch außerhalb der Küche zu erfüllen, wird der Weg zwischen Küche und Esstisch auf drei Meter festgelegt. Die Frankfurter Küche ist die erste voll eingerichtete Arbeitsküche, die im Frankfurter Wohnungsbauprogramm als Massentyp zur Anwendung kommt. Bei der Frankfurter Küche, bekam die Hausfrau einen Arbeitsplatz zugewiesen, der nach Funktion und Qualität dem des Mannes vergleichbar sein sollte. Dadurch wird die Küche zum monofunktionalen Raum, zu einem Arbeitsplatz für eine Einzelperson. Es wird aber vergessen, dass die Frau ihre Koch- und Küchentätigkeit zuvor in Anwesenheit ihrer Familie bzw. ihrer Kinder ausführte, von denen sie nun getrennt wurde. Die Beaufsichtigung der Kinder sowie die Kommunikation mit anderen Familienmitgliedern waren mit der Frankfurter Küche nicht mehr gegeben. Zugleich war die Rationalisierung des Haushalts mit dem Versuch verbunden, den individuellen Freiheitsspielraum der Frau zu erweitern. Doch worin bestand dieser individuelle Freiheitsraum? Eher nicht im privaten Vergnügen oder in der Beschäftigung mit den Kindern nach der Küchenarbeit, sondern in weiteren produktiven Tätigkeiten wie außerhäusige oder innerhäusige Arbeit. Die häusliche Arbeit ist Bestandteil eines Funktionalisierungsprozesses, der zum Ziel hatte, die weibliche Produktivkraft gezielt auszubeuten. Der emanzipatorische Ansatz bei der Gestaltung der Frankfurter Küche war zwar für die Hausfrau vorhanden, konnte letztlich aber nicht umgesetzt werden, da das entscheidende Merkmal beruflicher Tätigkeit, die Entlohnung, nicht eingelöst wird. Ohne diese blieb der Zwang zur erwerbstätigen Arbeit für die Frau und somit ihre Doppelbelastung weiterhin bestehen. Bei der Arbeitsküche als spezialisierter Arbeitsplatz der Hausfrau handelt es sich nicht nur um ein marginales, innenarchitektonisches Detail, sondern sie stand im Zusammenhang mit der allgemeinen gesellschaftlichen Tendenz, die auf eine Funktionalisierung des Menschen (am Arbeitspatz und zu Hause) zum Nutzen der gesellschaftlichen Systeme hinauslief. Vielmehr wurde sie zu einem Paradigma für die Durchdringung von kapitalistischer Arbeits- und privater Wohnwelt. Die Rationalisierungseuphorie der Weimarer Zeit lässt keine verbindlichen Rückschlüsse auf die Realität der Hausarbeit jener Zeit zu, da die meisten Arbeiterhaushalte sich aufgrund der schlechten finanziellen Situation den Einbau der ‚neuen Küchen’ nicht leisten konnten.
Aufgrund eines anderen Frauenverständnisses in der NS-Zeit, welches auf einem neuen ‚Mütterlichkeits’- und Familienbild beruht, wird das Modell der selbstständigen und erwerbstätigen Frau durch das der Hausfrau und Mutter ersetzt. Zugunsten der Kleinsiedlungen und Kleinwohnungen am Stadtrand oder auf dem Dorf wird der Geschosswohnungsbau in der Großstadt zunächst aufgegeben. Die neuen Eigenheime haben einen Wohn- und Kochraum mit mindestens 14 m². Generell lässt sich sagen, dass die Küchenplanung für Kleinsiedlungen und Geschosswohnungsbauten in der NS-Zeit wie in der Weimarer Republik uneinheitlich waren. Es wurden je nach Region sowohl Wohn- als auch Arbeitsküchen geplant.
Aufgrund des ideologischen Wandels wird in den 1930er Jahren die Küchenforschung in Deutschland eingestellt. Von den amerikanischen und schwedischen Instituten wird die deutsche Küchenforschung der 1920er Jahre, speziell die Frankfurter Küche, aber zur gleichen Zeit aufgegriffen und weitergeführt. So wird die weiterentwickelte Frankfurter Küche, jetzt Schwedenküche genannt, wieder zum Ideal der Einbauküche der Nachkriegszeit.
Den Startschuss für die erste deutsche Anbauküche in Serienherstellung ist die Kölner Möbelmesse von 1950. Das bis dahin immer noch vorherrschende Küchenbufett wird in Ober- und Unterschränke aufgelöst, die unabhängig voneinander aufgestellt werden können. Kühlschrank, Herd und Spüle sind Beistellgeräte und können bis 1956 nicht unter einer fugenlosen Edelstahlabdeckung zusammengefasst werden. Die Arbeitsfläche zu Beginn der 1950er Jahre besteht aus Linoleum, das gegen 1955 durch eine kunststoffbeschichtete Oberfläche, das Resopal, ersetzt wird. Ist die Korpus- und Farbgestaltung der Küchenmöbel zunächst eckig und auf die Farben grau ,weiß und schwarz begrenzt, bieten die Hersteller ab Mitte des Jahrzehnts abgerundete Küchenmöbel und eine vielfältige Farbgestaltung von kräftigen bis pastosen Farben an. Vor allem durch die neuen Resopalarbeitsflächen entsteht ein das Gesamtbild bestimmender harmonischer Gesamteindruck der Küche. Der in erster Linie als Arbeitsplatz ausgestattete Raum erhält eine persönliche Note. Darüber hinaus werden Durchreichen und Imbissplätze in den Küchenraum integriert, wodurch soziale Beziehungen innerhalb und außerhalb des Raumes ermöglicht werden. Sie stehen für den Beginn der Auflösung der Arbeitsküche, ohne den Arbeitsablauf zu beeinträchtigen. Das Küchendesign der 1950er Jahre verändert sich im Laufe des Jahrzehnts somit in technischer, ästhetischer und sozialer Hinsicht. Die Modelle von 1957 haben keine Ähnlichkeiten mehr mit den Modellen zu Anfang des Jahrzehnts.
Abb. 4: Küche zu Anfang der 1950er Jahre, WKS Küche des Architekten Sep Ruf (links), Abb. 5: Küche in Pastellfarben, um 1955 (rechts)
Sowohl die Technisierung, Elektrifizierung als auch die Farb- und Materialentwicklung haben innerhalb eines Jahrzehntes einen neuen Stil hervorgebracht, der seitdem verbindlich ist. Es ist zwar ein neuer Stil entstanden, aber an der von Margarete Schütte-Lihotzky entwickelten ergonomischen Aufteilung der Arbeitszentren hat sich nichts verändert.
Bis in die 1960er Jahre hinein sind die wichtigsten Arbeits- und Designkriterien die rationelle Handhabung, die ergonomische Verbesserungen und der Hygieneanspruch. Erst gegen Ende der 1960er Jahre werden psychologische und noch verstärkter soziale Designkriterien in die Küchenplanung aufgenommen. Warme Farben und holzimitierende Dekore kombiniert mit Ansetztisch und Esstheken sowie das Einfügen von Regalen brechen die geschlossene Küchenzeile auf und sind der zaghafte Beginn einer auf größere „Wohnlichkeit“ und Kommunikation ausgerichteten Küche.
In den 1970er Jahren wird diese Tendenz vollends umgesetzt. Neben farbigen Küchenzeilen werden schlichte und rustikale Holzküchen angeboten. Vor allem die Nischenregale unterstreichen den Eindruck von Küchen mit einem im Verständnis der 70er Jahre wohnlichen Charakter.
Die sterile Einbauküche, der ehemalige Arbeitsplatz für eine Person, verliert ihre Vormachtstellung und wird von einer ‚gemütlich gestalteten’ Essküche abgelöst. Die Gemütlichkeit wird neben der Verbesserung der warmen Farben und Dekore sowie abgerundeter und aufgelockerter Wandschränke vor allem durch den Essplatz erreicht, der eine Kommunikation und das gemeinsame Arbeiten in der Küche wieder möglich machen.
Parallel zur konventionellen Küchenplanung gab es aber auch innovative und visionäre Planungen. In der Zeit zwischen 1968 – 1973 werden sie als Küchenideen für die Zukunft bezeichnet und von Chemiefirmen und Küchenherstellern unabhängig voneinander in Auftrag gegeben. Innovative Küchenentwürfe bestehen aus Konzepten, die nicht für den massenhaften Einsatz und Gebrauch gedacht sind. Einzelne Elemente daraus werden dennoch von Küchenfirmen aufgegriffen und umgesetzt. Als innovativ zu bezeichnende Ideen dieser Zeit sind der Küchenwagen und vor allem die Kücheninsel zu nennen. Während der 1964 entwickelte Küchenwagen, die cucina minima, des italienischen Designers Joe Colombo schon vielen ein Begriff sein wird, da er bereits einen festen Platz in einigen Museen hat, sind die zur selben Zeit entstandenen Kücheninsel des Engländers John Heritage und der schweizerischen Firma Novellectric weitgehend in Vergessenheit geraten.
Möglicherweise ist dies auf den Umstand zurückzuführen, dass gerade die Kücheninsel ohne Zeitverzögerung von den Herstellern aufgegriffen und im Rahmen ihrer Küchenprogramme weiterentwickelt wurde.
Die speziell von Küchenfirmen in Auftrag gegebenen visionären Forschungsarbeiten für die Küche der Zukunft machen deutlich, dass sich auch Küchenhersteller mit den aktuellen Themen der Zeit, der Raumfahrtentwicklung und der historischen Zäsur der Mondlandung beschäftigten. Die Innovationen der Raumfahrtechnik, die kleinen Raumverhältnisse eines Raumschiffes und die damit verbundenen eingeschränkten, aber effizienten Lebensumstände werden auf die Küchentechnik übertragen. So liegt z. B. das Hauptaugenmerk der Küchenfunktion auf dem Aufwärmen vorgefertigter Mahlzeiten und nicht auf dem Kochen. Die technische Einführung der Mikrowellengeräte blickt bereits 1967 auf eine zehnjährige Entwicklung zurück. Bereits zu jenem Zeitpunkt war absehbar gewesen, dass Tiefkühlkost und Fertiggerichte aufgrund der außerhäusigen Erwerbstätigkeit der Frau an Bedeutung gewinnen würden.
Während bei den Ideen über Zukunftsküchen zum einen der Blick auf die technischen Entwicklungen gelegt wurde, richtete sich der Blick auf der anderen Seite auf die Gestaltung der Raum- und Größenverhältnisse. Parallel zum Status der Hausfrauentätigkeit und damit der Küchenarbeit lösen die Designer zu Beginn der 1970er Jahre den Küchenraum einfach auf. Die Küche wird zu einem fahrbaren Modul, das bei Benutzung aufgeklappt, im unbenutzbaren Zustand jedoch zusammengeschoben und in eine Ecke gestellt werden kann.
In dieser Zeit steht also mehr die Zeitersparnis als die Kulinaristik im Zentrum der Küchengestaltung.
Aufgrund neuer Lebensstilformen in den 1980er Jahren, die durch ein verändertes Familienbild, durch alternative Wohn- oder Lebensgemeinschaften unverheirateter Paare und Singlehaushalten gekennzeichnet sind, ändert sich auch das Wohn- und damit das Küchennutzungsverhalten und schließlich auch der Genuss am Essen.[10] Von nun an wird mehr Wert auf frische und saisonale Lebensmittel gelegt. Auch verstärkt sich das Bedürfnis, europäische und außereuropäische Gerichte zuzubereiten sowie gemeinsam in der Familie oder mit Freunden zu kochen. Die Küche wird dafür von der Küchenplanung wieder mehr ins Zentrum der Wohnung gerückt. Dabei geht es insbesondere darum, die Küche eher als ausgestaltetes Prestigeobjekt, denn als ‚Equipment’ der Wohnung zu betrachten.
Mit der Auflösung des traditionellen Familienbildes Ende der 1980er Jahre rückt die rationelle Küchenplanung weiter in den Hintergrund. Neue Lebensstile, die andere Ansprüche an die Küche stellen, werden von den Küchenherstellern berücksichtigt. Die Küche als Raumeinheit löst sich nahezu auf. Sie wird nach Möglichkeit in den Wohnraum integriert: ein Arbeitsblock ermöglicht das gemeinsame Vorbereiten der Mahlzeiten, und viele Küchenschränke und Schubladen werden durch Etageren und Paneelsysteme aus Edelstahl ersetzt. Darüber hinaus verleiht die Kombination mit Elektrogeräten aus Edelstahl und die dazu passenden Küchenfronten mit Metallicfarben den Küchen ein professionelles Äußeres.
Die Küche mit ihrer Arbeit und ihren Gerüchen gilt es zu präsentieren und nicht wie in den 1920er bis 60er Jahren zu verstecken.
Während in den 1920er Jahren die Befreiung der Frau von unnötiger und eintöniger Arbeit im Vordergrund steht und eine hiermit verbundene Sichtbarmachung und Anerkennung ihrer Arbeit als Beruf, in dem man ihr einen eigenen Arbeitsplatz innerhalb des Hauses zuweist, bleiben am Ende von der Idee einer modernen, rationalisierten Hausarbeit nur die schnellen, funktionalen und sauberen Arbeitsvorgänge übrig. Die Küche als anonymer Arbeitsplatz einer Einzelperson hat sich nicht durchgesetzt. Das Gegenteil ist eingetreten: Die Küche rückt wieder ins Zentrum der Wohnung, sie ist wieder sozialer Dreh- und Angelpunkt, in der das Kochen gleichberechtigt oder aufgrund der Erwerbsarbeit untergeordnet neben dem geselligen Miteinander, dem gemeinsamen Essen und Arbeiten den wichtigsten Platz der Wohnung einnimmt. Die Küche ist wieder zum Treffpunkt für Familie und Freunde geworden. So wie sich vor Urzeiten die Menschen um das Feuer, der Quelle der Nahrungszubereitung, setzten, finden sich heute ebenfalls alle Menschen, egal ob Ehepaare, Familien oder Lebensgemeinschaften an dieser Quelle ein. Mehr noch: Die Küche ist nicht nur Mittelpunkt zur Entstehung sozialer Gemeinschaften, vielmehr wird im gemeinsamen Tun und Erleben in der Küche soziale Gemeinschaft ermöglicht und gebildet.
Anmerkungen
[1] Muche, Georg: Das Versuchshaus des Bauhauses, in: Meyer, Adolf: Ein Versuchshaus des Bauhauses in Weimar, München [1925], (Bauhausbücher, Band 3), S. 15 f.
[2] Schlegel-Matthies, Kirsten: „Im Haus und am Herd“: Der Wandel des Hausfrauenbildes und der Hausarbeit 1880-1930, Stuttgart 1995.
[3] Taut, Bruno: Die neue Wohnung. Die Frau als Schöpferin, Leipzig 1924.
[4] Meyer, Erna: Der neue Haushalt. Ein Wegweiser zur wissenschaftlichen Haushaltsführung, Stuttgart 1926.
[5] May, Ernst: Grundlagen der Frankfurter Wohnungsbaupolitik, in: Das Neue Frankfurt, 7-8/1928, S. 118.
[6] Lihotzky, Margarete: Die „Frankfurter Küche.“ Typisierte Küche des Hochbauamtes Frankfurt/M., in: Stein, Holz, Eisen, 8/1927, S. 157.
[7] Lihotzky, Margarete: Rationalisierung im Haushalt, in: Das Neue Frankfurt, 5/1927, S. 121.
[8] Anonym: Die Küche – die Fabrik des Hauses, in: Wohnungswirtschaft, 3/1925, S. 19.
[9] Ebd.: S. 19.
[10] Flaig, Berhold Bodo, Meyer, Thomas, Ueltzhöffer, Jörg: Alltagsästhetik und politische Kultur. Zur ästhetischen Dimension politischer Bildung und politischer Kommunikation, Bonn 1993.
Legende der Abbildungen
Abb 1: Grundriss der Mitropa Speisewagenküche. Aus: Much, Franz: Frankfurter und Stuttgarter Küchen, in: Andritzky, Michael: Oikos, von der Feuerstelle zur Mikrowelle. Haushalt und Wohnen im Wandel, (Ausstellungskatalog), Gießen 1992, S. 116
Abb. 1a: Einblick in die Mitropa-Speisewagenküche. Aus: Allmayer-Beck, Renate: Realisierung der Frankfurter Küche, in: Noever, Peter (Hg.): Die Frankfurter Küche von Margarete Schütte-Lihotzky, Berlin 1992, S. 32.
Abb. 2: Schrittersparnis in der Frankfurter Küche (rechts) gegenüber einer herkömmlichen Küche (links): Krausse, Joachim: Die Frankfurter Küche, in: Andritzky, Michael: Oikos, von der Feuerstelle zur Mikrowelle. Haushalt und Wohnen im Wandel, (Ausstellungskatalog), Gießen 1992, S. 104.
Abb. 3: Frankfurter Küche von Margarete Schütte-Lihotzky. Aus: Allmayer-Beck, Renate: Zusammenhänge zwischen Wohnungsbau und Rationalisierung der Hausarbeit, in: Noever, Peter (Hg.): Margarete Schütte Lihotzky. Soziale Architektur: Zeitzeugin eines Jahrhunderts, Wien 1993, S. 242.
Abb. 4: Küche zu Anfang der 50er Jahre, WKS Küche des Architekten Sep Ruf. Aus: Sozialwerk für Wohnung und Hausrat (Hg.) Möbel der Gegenwart für den sozialen Wohnungsbau, Bonn 1953, ohne Seitenangabe.
Abb. 5: Küche in Pastellfarben, um 1955, in: Nieburg Küchen Katalog von 1961.
Abb. 6: Modell Majestic 500, Firma Nieburg, 1965: Aus: Werbeanzeige Nieburg Küchen, in: Die moderne Küche, 35/1965, S. 22.
Abb. 6a: Küchenfront mit Kiefer-Dekor. Aus: Anonym: Internationale Möbelmesse Köln. Neue Küchenprogramme, in: Die moderne Küche, 1/1974, S. 31.
Abb. 7: Holzküche in rustikaler Ausführung. Aus: Anonym: Küchenprogramme aus der laufenden Produktion, in: Die moderne Küche, 2/1975, S. 88.
Abb. 8: Mobiler Küchenwagen Cuchina Minima, Joe Colombo, 1964. Aus: Anonym: Boffi. La non cucina, in: Ottagono, 107/1993, S. 119.
Abb. 9: Englische Kücheninsel Masterplan, John Heritage, 1963. Aus: Snelling, Joyse: „Masterplan“-Küche erfüllt die Träume der Hausfrau, in: Die moderne Küche, 20/1963, S. 56.
Abb. 10: Novellipsenküche, Firma Novelectric, 1965. Aus: Anonym: dmk international. Luxus-Küchen aus der Schweiz, in: Die moderne Küche-Beilage, 31/1965, S. D.
Abb. 11: Modell Experiment 70 des Designers Luigi Colani, Firma Poggenpohl, 1970. Aus: Lübbert-Griese, Käthe: Wird die Küche ein Gerät? Küchengestaltung in Bewegung, in: Die moderne Küche, 2/1970. S. 13.
Abb. 11a: Modell Typ 1, Firma Bulthaup. Aus: Anonym: Möbelmesse Köln 1970, in: Form, 50/1970, S. 5.
Abb. 12: Küchenblock der Firma Haas und Sohn KG. Aus: Schulz, Gisela: Internationale Möbelmesse Köln 1972. Gemütlich – wohnlich- mobil. 1. Bericht, in: MD, 3/1972, S. 43.
Abb. 13: Modell Mal-Zeit, Coop Himmelb(l)au, 1987-89. Aus: Cecarelli Lorena; Doveil, Frida; Goldschmiedt, Mariaclara: La cucina – produzione e tendenze: IIluogo e la macchina, in: Modo, 133/1991, S. 54.
Abb. 14: Modell Eroica, Alberto Rizzi, Rossano Didaglio, 1990. Aus: Ebd.: S. 58, 59.
Abb. 15: Küchenmodell von 1989. Aus: Werbeanzeige, in: Die moderne Küche, 5/1989, S. 67.
Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Transcript Verlags.
Nähere Angaben zum Sammelband, in dem der Aufsatz erschienen ist, hier.