Kleine Artikelrevue Novembervon Thomas Hecken2.12.2012

In monatlichen Abständen stellen wir auf unserer Seite interessante Artikel der letzten Zeit vor, die im Internet frei zugänglich sind.

Dieses Mal sind es Artikel von Thomas Frank zum Vergleich von Occupy und Tea Party, von Francis Fukuyama zum amerikanischen Populismus, von Benjamin Schwarz zur hohen Zeit des amerikanischen »popular song«, von William Deresiewicz zum »upper middle brow«-Stil sowie von Alissa Quart zum »Hipster-Sexism«.

Seit einem Jahr gibt es nach langer Pause wieder das amerikanische Magazin »The Baffler«. Es erscheint nun halbjährlich bei der Cambridger MIT Press, was Thomas Frank, den bekanntesten Beiträger der Zeitschrift, in der aktuellen November-Ausgabe nicht daran hindert, die Akademiker und Universitätsdozenten in seinem Rückblick auf die lange erstaunlich überbewertete Occupy-Bewegung in ihre politischen Schranken zu weisen: »the Left has come to be dominated by a single profession whose mode of operating is deliberately abstruse, ultrahierarchical, argumentative, and judgmental – handing down As and Fs is its daily chore – and is thus the exact opposite of majoritarian«. Wenn man die deutsche Piraten-Partei zum Vergleich heranzieht, scheint Franks Diagnose nicht bloß auf links-poststrukturalistische Geistes- und Kulturwissenschaftler, sondern auch auf postideologische Informatiker und andere Internetfans zuzutreffen.

Die Frage, weshalb der amerikanische Populismus in den Jahren der Finanzkrise rechts- und nicht linksgerichtet ist, beschäftigt auch Francis Fukuyama (»Left out«), den in Deutschland leider nur mit seiner »Das Ende der Geschichte«-These bekannten Autor. Der in der Siedler-Tradition ruhende »American exceptionalism« (»Americans care less about equality of outcomes than the possibility of social mobility, even if such mobility takes generations to achieve«) ist dabei nur einer in einer ganzen Reihe an plausiblen Gründen, in der, als passendes Stichwort zur amerikanischen Präsidentschaftswahl, auch der Plutokratismus (»not just rule by the rich, but rule by and for the rich«) nicht fehlt.

In »The Atlantic« zelebriert Benjamin Schwarz wie Tausende amerikanische Feuilletonisten vor ihm eine andere, mittlerweile vergangene amerikanische Mehrheits-Tradition, die »classic popular songs« des »Great American Songbook«, »a body of refined, complex work that stands at the apogee of this country’s civilization, mostly written for the musical theater from roughly the 1920s to the 1950s by such composers and lyricists as Porter, Rodgers and Hart, Jerome Kern and Dorothy Fields, Irving Berlin, George and Ira Gershwin«. Wesentlich mitleidloser als viele andere seiner Vorgänger bilanziert Schwarz, dass der Jazz nach dem Abschluss dieser historischen Epoche von allen populären Quellen abgeschnitten geblieben und damit selbst leblos geworden ist. Kein Wunder, würde Thomas Frank wahrscheinlich anfügen, dass dieser moderne, unpopuläre Jazz unter den akademischen Linken sowie den antihierarchischen Boheme-Linken manchen Anhänger besaß.

»The American Scholar«, das Magazin der College-Gesellschaft mit bildungsbürgerlicher Ostküsten-Tradition, Phi Beta Kappa, zeigt sich hingegen darüber besorgt, dass sich nicht einmal mehr viele der modernen Kunstfreunde dem konformistischen populären Geschmack versagen. William Deresiewicz findet in seinem Artikel mit dem Untertitel »The Culture of the Creative Class« den »Masscult« (Justin Bieber, »Fifty Shades of Grey«, George Lucas) ebenso bedenklich wie den »Midcult« (»peddling uplift in the guise of big ideas […] ›Tree of Life‹, Steven Spielberg, Jonathan Safran Foer, ›Middlesex‹, ›Freedom‹ – the things that win the Oscars and the Pulitzer Prizes«), hält aber den neuen »upper middle brow«-Stil für ebenfalls überraschungsfrei und glatt: »It is post- rather than pre-ironic, its sentimentality hidden by a veil of cool. It is edgy, clever, knowing, stylish, and formally inventive. It is Jonathan Lethem, Wes Anderson, ›Lost in Translation‹, ›Girls‹, Stewart/Colbert, ›The New Yorker‹«.

Aus anderer, popfeministischer Perspektive benennt Alissa Quart das, was dem modernen Konservativen ganz postironisch erscheint, teilweise, mit Blick auf die Darstellung von Frauen, als »Hipster-Sexism« – und Hipstertum bedeutet ihr, wie seit gut zehn Jahren in den USA üblich, Ironie: »Hipster Sexism consists of the objectification of women but in a manner that uses mockery, quotation marks, and paradox […] Hipster Sexism afflicts Americans 30 and under and the people over 30 who make ads, T-shirts, movies, magazines, and television shows for them.«