About Supervise Me!

Panoptische Videobeobachtung, automatisierte Nutzerprofilerstellung, softwaregestützte Arbeiterkontrolle – das ist der Stoff aus dem Dystopien gemacht werden. Und doch ist mediale Überwachung auch in der Jetztzeit zu einem facettenreichen Thema herangewachsen. Denn längst geschieht sie auch auf freiwilliger Basis und lässt nicht nur die Überwachenden sondern auch die Überwachten selbst ihren Nutzen aus ihr ziehen.

Im Rahmen des Projekts Medien der Überwachung aus dem interdisziplinären Masterstudiengang Medien und Gesellschaft erforschen Studierende der Universität Siegen das Thema aus medialen, sozialen und ökonomischen Perspektiven, um die Bedeutung der digitalisierten Überwachung für den einzelnen und die Gesellschaft zu hinterfragen. Alle Ergebnisse werden am 16. & 17. Juli 2021 unter dem Titel Supervise Me! Chancen und Risken der medialen Kontrollgesellschaft im Rahmen einer Online-Tagung präsentiert und diskutiert. Ausgetragen wird die Tagung via BigBlueButton, Informationen zu Anmeldung und Tagungstool sind unter dem entsprechenden Menüpunkt zu finden. Willkommen sind Studierende, Lehrende und jeder mit Interesse am Thema.

Das von Studierenden ausgerichtete Projekt entsteht unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Joachim Eigler, Prof. Dr. Rainer Leschke, PD Dr. Sandra Nuy, Uni.-Prof. Dr. Hanna Schramm-Klein, Julia Müller und Tobias Röding.


Vorträge

Videoüberwachung im Öffentlichen Raum – Chancen und Risiken

Jana Neurohr, Madlen Spittel, Svenja Nieswandt, Benedikt Schneider

Wer kann mich beobachten, wenn ich mich in der Öffentlichkeit bewege? Die Menschen vor Ort – aber auch solche hinter Bildschirmen. Und diese können nicht nur beobachten, sondern auch überwachen. Videokameras zählen zu den Überwachungsmedien einer Gesellschaft. Videoüberwachung hat heutzutage eine große Relevanz und sollte in dem Diskurs über Medien der Überwachung nicht vergessen werden. Mit unserer Forschungsfrage „Inwiefern kann sich ein Individuum der Überwachung des öffentlichen Raumes in Deutschland durch Videokameras entziehen?“ wollen wir sensibilisieren. Unter Einbezug von Expertenwissen in den Bereichen Datenschutz und Sicherheit stellen wir konkrete Chancen und Risiken der Videoüberwachung in Deutschland dar und gehen dadurch der besagten Forschungsfrage nach.

Außerdem sollen durch aufgezeichnete Gespräche mit dem Sozialanthropologen und Kriminologen Nils Zurawski sowie Torben Strausdat von der Initiative “Kameras stoppen!” die gesellschaftlich geteilten Positionen zur Videoüberwachung und die Bedeutung in einem breiten Kontext der Digitalisierung aufgezeigt werden.

Formen medialer Überwachung in den Medien

Timo Kradepohl, Laura Burghaus, Bianca Jankowski, Henri von der Heiden

Durch technologischen Fortschritt und Digitalisierung ergeben sich neue medienvermittelte Überwachungsmöglichkeiten. Überwachung ist allerdings nicht nur ein relevantes Thema, welches mittels Medien organisiert wird, sondern was auch zunehmend selbst als Thema in den Medien präsent ist. Dabei haben sich Überwachungsmethoden, Beobachtungs- und Kontrollmöglichkeiten im Laufe der Zeit erheblich weiterentwickelt. Gleichermaßen entwickelten sich die Potentiale der Medien bei der Überwachung, da diese durch ihren instrumentalisierenden und dokumentierenden Charakter zur Infrastruktur der Wirklichkeit geworden sind und sie damit zugleich die Zeit repräsentieren, in der sie entstehen.

Ziel unseres Projektes ist es, die historische Veränderung der Überwachung anhand eines Zeitstrahls und der Bildung von vier Epochen (1930 bis heute), die den jeweiligen Entwicklungsstand repräsentieren und durch verschiedene Überwachungs-Aspekte gekennzeichnet sind, darzustellen. Darüber hinaus soll in diesem Kontext auch die Rolle der Medien analysiert und mit diversen Beispielen illustriert werden.

Schlussendlich werden diese beiden Schwerpunkte der Untersuchung von uns in einer 3D-Animation zusammengeführt und veranschaulicht. Diese grafischen Elemente stellen unsere medienhistorischen Untersuchungen auf eine neue, eigenständige Art dar.

Softwaregestützte Überwachung und Kontrolle in Unternehmen

Ziele, Potentiale und Risiken von People Analytics im Rahmen der Führung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Home-Office

Andreas Graskamp, Jessica Konrad

Eine aktuelle Informationsbasis über die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist die Grundlage für jede Führungsentscheidung (vgl. Drumm 2008: 75). Diese Informationsbasis einzuholen, stellt im Kontext von Home-Office, dass durch die Digitalisierung der Arbeitswelt und des Arbeitsplatzes ermöglicht wurde, eine Herausforderung für die Führung dar (vgl. Dietrich et. al. 2021: 5). Führung auf Distanz wurde insbesondere durch die Corona-Pandemie zur Normalität. Durch die fehlende physische Präsenz der Führungskraft könnte die Informationsbasis fehlen, um fehlerfreie Führungsentscheidungen tref-fen zu können. Eine Möglichkeit dieses Defizit auszugleichen, ist die Nutzung von People Analytics Soft-ware, die mithilfe von im Unternehmen gesammelter Daten, das Verhalten der Mitarbeitenden aus-wertet und den Führungskräften zur Verfügung stellt (vgl. Höller et. al. 2018: 30f.).
Der Vortrag befasst sich mit dem Einsatz von People Analytics Software als Überwachungs- und Kon-trollinstrument von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Home-Office durch Führungskräfte. Es sol-len die Potentiale, Ziele und Risiken der softwaregestützten Überwachung veranschaulicht, sowie Handlungsimplikationen für die Mitarbeiterführung abgeleitet werden. Im Fokus dieses Vortrags soll der Nutzen dieser Anwendungen für Führungskräfte stehen und beantwortet werden, inwiefern sie eine Informationsbasis, trotz der fehlenden physischen Präsenz der Führungskraft, für die Füh-rungsentscheidungen bereitstellen.

Marketing und mediale Kontrolle

Sonja Bruch, Annette Krikun, Carola Sobbe, Daria Weidlich

Relevanz – Hinsichtlich der persönlichen Datenpreisgabe werden online häufig paradoxe Verhaltensweisen festgestellt, welche sich durch eine Diskrepanz zwischen einer datenschützenden Einstellung und dem tatsächlichen Verhalten kennzeichnen.

Forschungsgegenstand – Wie im Online-Handel gewinnen auch im Rahmen des stationären Lebensmitteleinzelhandels Datenaustauschbeziehungen immer mehr an Relevanz. In Form von digitalen Kundenkartenapps werden Kunden im Gegenzug zu ihren Daten Vorteile angeboten. Daraufhin wird untersucht, wie Konsument:innen unterschiedlichen Alters diese Datenaustauschbeziehung wahrnehmen und ob sich ein paradoxes Verhalten auch in diesem Kontext feststellen lässt.

Forschungsdesign – Mit Hilfe eines Leitfragebogens werden qualitative Interviews mit insgesamt 12 Personen unterschiedlichen Alters und Geschlechts durchgeführt, um mögliche Unterschiede im Nutzungsverhalten und der Wahrnehmung zu identifizieren. Ziel ist es, festgestellte Verhaltensmuster durch die Bezugnahme auf theoretische Ansätze wie dem Privacy Paradox und Privacy Calculus erklärbar zu machen.

Erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass paradoxe Verhaltensweisen auch im Rahmen des stationären Lebensmitteleinzelhandels auftreten. Vermutlich spielen u.a. die Beeinflussung durch das Umfeld sowie der Bezug zum Unternehmen eine Rolle.

Self-Tracking: Chancen und Risiken digitaler Selbstvermessungstechniken für das Individuum

Sabrina Krämer, Felix Richter, Jessica Knodel

(Selbst-)Überwachung – ein kontroverses Konzept, das in der Vergangenheit bereits durch Arbeiten von Bentham oder Foucault Aufmerksamkeit erlangte. Die Selbstreglementierung durch empfundene Überwachung ist auch heute Teil vieler Bereiche unseres alltäglichen Lebens.

Waage, Fitness-Tracker, Apps zum Kalorienzählen – sie alle haben eines gemeinsam: sie helfen uns dabei, uns selbst zu vermessen und unser Verhalten zu kontrollieren.

Self-Tracking – insbesondere durch Fitness-Apps – ist ein anhaltender Trend, der im Sinne von Foucaults Panopticon Einfluss auf Individuen und dadurch auch auf soziale Gefüge haben kann.

Doch warum und wie funktioniert Self-Tracking? Und wie wird Selbstüberwachung in der Gesellschaft belohnt oder bestraft?

Der Vortrag Self-Tracking: Chancen und Risiken digitaler Selbstvermessungstechniken für das Individuum widmet sich der Frage, wie Selbstüberwachung im Fitness-Bereich menschliches Verhalten beeinflusst und welche sozialen Effekte sich daraus ergeben. Beleuchtet werden dabei nicht nur die in den Medien häufig angeprangerten Probleme, sondern auch die Chancen, die neue Technologien des Self-Tracking den Nutzerinnen und Nutzern bieten.

Überwachung als Herausforderung für die Autonomie des Individuums

Charlotte Bachmann-Weber, Cynthia May, Fabian Bhatti, Markus Orlowski

Innerhalb unserer Projektgruppe befassen wir uns mit der Thematik der Autonomie in der medialen Überwachung. Wir definieren den Begriff der Autonomie zunächst nach Kant, um Autonomie, bzw. einen möglichen Autonomieverlust daraufhin im Hinblick auf die mediale Überwachung aus verschiedenen anwendungsbezogenen Perspektiven weiter zu bestimmen und zu analysieren. Die Beispiele, anhand denen wir die Auswirkungen auf die Autonomie der Nutzer von medialen Tracking plausibilisieren möchten, sind im konkreten: (Digitales) Self-Tracking, die Smart-Phone Nutzung und mediale Überwachung von Kindern, sowie die Überwachung als Dissonanz in den sozialen Medien. Zudem soll das Phänomen der Selbstüberwachung, als sich selbst beobachten, um sich selbst zu optimieren, im Ganzen dargestellt und nicht ausschließlich auf die Form des digitalen Self-Trackings reduziert werden. Die Selbstüberwachung hat sich über lange Zeit hinweg entwickelt und ist in der neoliberalen Gesellschaft omnipräsent geworden.
Welche Auswirkungen mediales Tracking auf die Autonomie der Individuen hat und ob autonomes Handel in diesem Rahmen noch möglich ist, ist eine der Kernfragen in diesem Vortrag.