Der Terminus Paratext bezeichnet gemeinhin Textsorten oder -elemente, die einen Basis- bzw. Haupttext flankieren, ergänzen oder kommentieren, dabei überwiegend von dessen Autor*in selbst stammen oder von dieser bzw. diesem autorisiert wurden. Unterscheiden lassen sich dabei Peritexte, die wie Vorwort, Motto oder Gattungsbezeichnung medial an ihren Verweistext gebunden sind, und Epitexte, die wie Interviews, Briefe oder Tagebucheinträge in der Regel in materieller Entfernung zu dem Text erscheinen, auf den sie sich beziehen.
Das als Kooperation zwischen der Universität Innsbruck und der Universität Siegen konzipierte und vom FWF und der DFG geförderte Forschungsvorhaben untersucht im Anschluss an das Vorläuferprojekt Zur Funktion auktorialer Paratexte für die Inszenierung von Autor*innenschaft, welches sich exemplarisch mit der Zeit um 1800 sowie der Klassischen Moderne beschäftigte, verschiedene Formen von Epitexten und ihre Funktionen im literarischen Feld der Gegenwart. Das impliziert nicht nur eine literarhistorische Verlagerung, sondern auch die Berücksichtigung veränderter kultureller, ökonomischer und vor allem medialer Bedingungen. So besteht das zugrundeliegende Textkorpus nicht mehr – wie noch beim Vorgängerprojekt – ausschließlich aus schriftlichen Quellen, sondern partiell auch aus audiovisuellem Material. Denn auktoriale Epitexte wie Interviews oder Literaturpreisreden finden sich seit einiger Zeit auch auf YouTube und anderen Kanälen. Nicht nur in medientechnischer Hinsicht ist dabei von der Annahme auszugehen, dass sich Formen und Funktionen auktorialer Epitexte aktuell ausdifferenzieren, sich das epitextuelle Spektrum mithin erweitert und für die Gegenwartsliteratur signifikant an Bedeutung gewinnt, wobei es sich ersichtlich nicht auf die notorisch gewordene Rolle des ‚Beiwerks‘ reduzieren lässt. Vielmehr ist zu fragen, inwiefern das literarische Werk zunehmend Anlass und Kulisse für epitextuell realisierte Inszenierungen von Autor*innenschaft bietet.
Diese Zusammenhänge exemplarisch auf der Basis eines fest umrissenen Quellenkorpus theoriegeleitet und materialgesättigt zu untersuchen, ist das Ziel unseres Vorhabens, das wir zu diesem Zweck in drei Arbeitspakte gliedern. Neben den im Rahmen von Autor*innenlesungen und Literaturpreisverleihungen zunächst mündlich geäußerten Epitexten liegt der Fokus auch auf den proliferierenden Varianten fingierter Epitexte, die Paratextualität zum Teil eines ästhetischen Spiels werden lassen, welches die Grenze von Text und Paratext produktiv überschreitet – und gleichzeitig aufs Neue markiert.
Arbeitspakete
Fingierte Epitexte
als poetisches Programm
(Innsbruck)
Performative Epitexte
bei Lyriklesungen
(Siegen)
Ritualisierte Epitexte
bei Literaturpreisen
(Innsbruck)