Ringlokschuppen II

Leonard Elze
Paul Hoffstadt
Lars Zeppenfeld

Blick vom Dach der City-Galerie auf den Ringlokschuppen, L. Elze, P. Hoffstadt, L. Zeppenfeld, 2021

Sein & Schein

Leider ist der Lokschuppen für die Öffentlichkeit nur sehr eingeschränkt zugänglich. Für Interessierte ist das Betreten des Geländes jedoch untersagt. Den besten Blick auf den Ringlokschuppen hat man vom Bahnsteig des Gleises 55 oder vom obersten Parkdeck der Citygalerie. Es lohnt sich jedoch zu verweilen und die auf den ersten Blick unscheinbare Rückseite des Gebäudes genauer zu betrachten. Durch die Fenster lassen sich noch die verbliebenen Lokomotiven im Inneren erspähen. Doch die fehlende Instandhaltung der vergangenen Jahrzehnte haben Spuren an der Fassade hinterlassen. So wurde zwar die Fassade in dunkelroter Farbe überstrichen, Ausbesserungen an den Fugen auf der Nord-Ostseite lassen Schäden an der Substanz sichtbar werden. Eine farblose Stelle auf der Ost-Seite weist darauf hin, dass hier Teile eines Anbaus bereits abgerissen wurden. Auch Teile des historischen Wasserturms wurden bereits abgetragen.

Blick auf die Ostseite des Ringlokschuppens mit Spuren von baulichen Veränderungen, L. Elze, P. Hoffstadt, L. Zeppenfeld, 2021

Vor allem der Bau der Hüttentalstraße hat zu Veränderungen auf dem Bahnhofsgelände geführt. Mehrere Gebäude wurden um 1970 abgerissen. Die Planungen zur Hochstraße sahen vor, dass diese den Ringlokschuppen leicht tangiert. Die HTS nimmt Rücksicht auf die Form des Lokschuppens und läuft an dessen halbrunder Fassade in einer leichten Kurve vorbei. Dies „rücksichtsvolle“ Planung gibt Aufschluss über die Bedeutung der Bahn und den historischen Gebäuden zu dieser Zeit.

Heute treffen hier drei Verkehrskonzepte aufeinander. Die Bahn als Motor der Industrialisierung, die Hüttentalstraße aus Zeiten der autogerechten Stadt und der unterhalb der HTS verlaufende Spazier- und Radweg (siehe separaten Beitrag) als aktuelle klimafreundliche Leitlinie.

Hinter dem Ringlokschuppen (links) stehen die HTS, der Spazier- und Radweg sowie der Flusslauf der Alche eng nebeneinander, L. Elze, P. Hoffstadt, L. Zeppenfeld, 2021

Die halbrunde Bauform des Ringlokschuppens wirkt wie eine Klammer zum Bahnhof – Die HTS hat diese Wirkung ausgehebelt. Die Bedeutung der Drehscheibe im Innenhof des Lokschuppens als Dreh- und Angelpunkt in einem Zeitalter, als der Bahnhof hochfrequentiert war, hat durch die Außerbetriebnahme abgenommen. Einst pulsierte hier am Ringlokschuppen das wirtschaftliche Treiben der Stadt und war eines der Hauptpostkartenmotive von Siegen. Heute liegt das Herz des ehemaligen Zentrums der Siegener Unterstadt jenseits des Bahnhofs. Um den Ringlokschuppen ist es still geworden im Schatten der Hüttentalstraße. Aber so muss es nicht bleiben. Viele alte Ringlokschuppen haben mittlerweile ausgedient und wurden für andere Zwecke umgebaut. Die besondere Bauform dieses Bautyps und die guten Standortvorteile bergen ein großes Potential für neue anderweitige Nutzungen.

Blick unterhalb der HTS hindurch auf den Ringlokschuppen, dahinter die City-Galerie, L. Elze, P. Hoffstadt, L. Zeppenfeld, 2021
Auf der interaktiven Karte können Sie im Video "Lokschuppenklang" die Klänge des Ortes genießen. Folgen Sie dem nachstehenden Link.

Link zur Karte mit dem Video (siehe am Standort des Ringlokschuppens)

Ein mögliches Umnutzungskonzept für den Siegener Ringlokschuppen

Bei Lokschuppen unterscheidet man zwischen rechteckigen Lokschuppen, Rundhaus Lokschuppen und den Ringlockschuppen. Die rechteckige Halle ist dabei die einfachste Bauform, da hier die Lokomotiven ohne Drehscheibe in die Halle hinein- und wieder herausfahren. Das Rundhaus ist eine Halle, in dessen Mitte sich eine Drehscheibe befindet, um welche sich die Lokstellplätze kreisförmig anordnen. Ein Ringlokschuppen hat ein ähnliches Prinzip, bei dem sich die Drehscheibe im Freien befindet und die Halle halbkreisförmig um diese Drehscheibe angeordnet ist. Die alten Abstellhallen werden gerne als Kultur- und Veranstaltungsgebäude umfunktioniert, da sie einen besonderen Charme und gute Akustik bieten. Neben diesen Eigenschaften ist die Gebäudeform sehr einfach unterteilbar und bietet überall Möglichkeiten separate Ein- und Ausgänge zu installieren.

Bei unseren Recherchen rund um den Lokschuppen haben wir besonderen Wert auf die Standortsfaktoren des Gebäudes gelegt. Das Grundstück liegt sehr zentral in Siegen und ist fußläufig vom Bahnhof in wenigen Minuten erreichbar. Die vorhandene Clubbing- und Gastronomieszene ist nur wenige Minuten entfernt. Auch die Anreise per Auto ist über die Nahegelegenen Abfahrten der HTS problemlos möglich. Zudem sind unter der HTS Parkplätze vorhanden, die bei unseren Besuchen nur wenig ausgelastet waren. Des Weiteren befindet sich im Umkreis des Lokschuppens nur wenig bis gar keine Wohnbebauung. Aufgrund des bestehenden Lärmaufkommens  Bahnverkehrs und der HTS einen höheren Lärmpegel der Nutzung auch in der Stadt möglich macht, jedoch für ein urbanes Wohnen weniger attraktiv wirkt. Durch diese Überlegungen und die vorhandenen großen Räume war für uns schnell klar, dass es sich um einen sehr guten Standort für Events und Veranstaltungen handelt.

Entwurf für eine möglich Umnutzung des Ringlokschuppens, L. Elze, P. Hoffstadt, L. Zeppenfeld, 2021

In der von uns gezeigten Version werden die Stellplätze der Lokomotiven als teilbare Räume für Feiern, Hochzeiten oder Seminare genutzt. Im Innenhof dient ein alter Wagon als Restaurant. Das Gebäude am süd-westlichen Ende würde als Küche sowie Lager und für Technik genutzt werden. Die bestehenden Reste des Wasserturms bekommen als Terrasse eine neue Funktion. Das dreistöckige Gebäude im Nordosten würde Zimmer für Besucher von Feiern und Seminaren beinhalten. Außerdem sollen Bereiche als Museum genutzt werden um den Gästen den Wert dieses Gebäudes in vergangenen Zeiten bewusst zu machen.

Ringlokschuppen I

Martin Schmidt

Eine architekturhistorische Betrachtung

Ansicht des Ringlokschuppens aus Richtung des Hauptbahnhofs, Martin Schmidt 2021

Fährt man in Siegen über die Hüttentalstraße oder nutzt den Hauptbahnhof im Zentrum, fällt einem direkt ein ungewöhnlich kreisrundes Gebäude hinter den Bahngleisen auf. Hierbei handelt es sich um den geschichtsträchtigen Ringlokschuppen der Deutschen Bahn. Dieser ist mittlerweile stillgelegt und steht einer ungewissen Zukunft gegenüber.

Anbindung Siegens an das Schienennetz – die Ruhr-Sieg-Bahn

Als im Zuge der industriellen Revolution der Bedarf an Eisen stieg, die Siegener Hütten immer mehr Kohle benötigten und die damaligen Transportwege zu teuer und umständlich waren, entschied sich 1835 ein eigens gegründetes Planungskomitee dazu, den Bau einer Pferdeeisenbahn zu beantragen. Hierdurch sollte das Siegerland mit dem Ruhrgebiet verbunden werden, um die dortige Kohle auf direktem Weg zu transportieren. Da sich der Vorgang jedoch in die Länge zog, beantragte das mittlerweile in Hagen befindliche Hauptkomitee 1851 eine Dampfeisenbahn. Die Genehmigung erfolgte nach Einigung auf den Streckenverlauf schließlich 1856. Baustart war 1858 unter der Leitung der Bergisch-Märkischen Eisenbahngesellschaft. Letztendlich wurde die Ruhr-Sieg-Strecke 1861 eingleisig fertiggestellt und 1870 auf zwei Gleise erweitert (Tröps, 1995; LWL 2002; Krause, 2011).

Die Fertigstellung der 106 Kilometer langen Ruhr-Sieg-Bahn durch das gebirgige Sauer- und Siegerland und durch das enge Lennetal war eine technische Meisterleistung und wurde in zeitgenössischen Berichten bejubelt:„Die schwierigen und gewaltigen Bauwerke jeder Art, wodurch die Ruhr-Sieg-Bahn eine der großartigsten und bewunderungswürdigsten Bauunternehmungen der neueren Zeit ist, werden für immer ein Zeugnis bleiben davon, was menschlicher Fleiß, Energie und Kunst sowie die Vereinigung vieler Kräfte vermag“ (Wochenblatt  Kreis Altena 1861).

Blick auf die Bahngleise, rechts der Hauptbahnhof, links der Ringlockschuppen, Martin Schmidt 2021
Der Bau des Ringlokschuppens

Eines dieser gewaltigen Bauwerke der Ruhr-Sieg-Strecke war der Ringlokschuppen in Siegen, welcher mittlerweile unter Denkmalschutz steht. Der Lokschuppen wurde im Jahr 1884 unter der Bauherrschaft der deutschen Reichsbahn als Teil der Ruhr-Sieg-Strecke erbaut, um die stetig steigende Nachfrage der örtlichen Hütten nach Eisen zu befriedigen und den Standort Siegen als Eisenbahnknotenpunkt weiter zu festigen. Der Ringlokschuppen wurde polygonal-halbkreisförmig direkt angrenzend an den Gleisverlauf gebaut. Das Gebäude besitzt ein Geschoss und ist umlaufend in Massivbauweise errichtet. Das Dach wurde als Fachwerkkonstruktion ausgeführt, um die enormen Spannweiten zu ermöglichen.

Die Funktion des Ringlokschuppens war es, die Dampfeisenbahnen und später auch Dieselloks, die hier durchfuhren oder ihren Endpunkt hatten, zu versorgen, anzuheizen und wieder in Fahrtrichtung umzudrehen. Dazu fuhren die Triebwagen auf eine Drehscheibe welche zentral zu dem Gebäude angeordnet war. Damit war es möglich, die Triebwagen im ganzem zu drehen oder auf eines der Tore auszurichten. Zur damaligen Zeit war es essenziell, dass die Lokomotiven gedreht wurden, da diese nur in eine Richtung fahren konnten und ein Wenden ohne Drehscheibe unmöglich gewesen wäre. Im Ringlokschuppen selbst, konnten die Triebwagen nun gewartet werden. Der Wasserturm und die Wassergewinnungsanlage an der westlichen Seite gewährleisteten hier die Wasserversorgung der ankommenden Dampflokomotiven. Gleichzeitig wurde der Kohlenvorrat mit Kränen wieder aufgestockt

Nachdem am 14. Mai 1965 die Elektrifizierung der Ruhr-Sieg-Strecke abgeschlossen (SZ-Archiv, 2015) und der Zugverkehr auf elektrische Züge umgestellt wurde, kamen Triebwagen zum Einsatz, die in beide Fahrtrichtungen fahren konnten. Ebenso erhöhte sich die Reichweite der Triebwagen. Hierdurch verlor der Ringlokschuppen seine Bedeutung für den Zugverkehr und das Bahnbetriebswerk wurde somit zum 31.12.1996 nicht mehr weitergeführt.

Das Gebäude befindet sich weiterhin im Besitz der Deutschen Bahn. Bis in das Jahr 2015 diente der Ringlokschuppen als Eisenbahnmuseum für die Eisenbahnfreunde Betzdorf unter der Schirmherrschaft eines Trägervereins, welches jedoch aufgelöst wurde. Weiterhin fehlt es aber bis heute an einem Konzept, wie das Gebäude einer Nutzung zugeführt werden kann (SZ-Archiv, 2015).

Fuß- und Radweg entlang der HTS

Selina Lenz
Kiara Navarro Frommann
Sinem Eycan
Lea Franz

Sein & Schein – Die HTS und der Spazier- und Radweg

Auf den ersten Blick erscheint das Bauwerk der HTS so, als wäre es nur für den einen Zweck der Autobahnverbindung entstanden. Die Anschluss-punkte zur Stadt sind nicht immer direkt sichtbar. Zu hoch ist die Fahrbahnebene für die Menschen, die sich unterhalb zwischen den Pfeilern durch die Stadt bewegen. Der Spazier- und Radweg tritt zudem auf der Stadtebene noch in den Hintergrund. Es ist unklar, was HTS und Weg selbst sein wollen und welche Werte sie vermitteln möchten. Dadurch erscheint bei vielen Menschen die HTS zunächst wie ein unpassender Fremdkörper, der als riesiges überdimensioniertes Betonbauwerk unbedacht in die Stadt eingesetzt wurde.

Fuß- und Radweg unterhalb der HTS im Bereich Geisweid, S. Lenz, K. Navarro Frommann, S. Eycan, L. Franz, 2021

Auf den zweiten Blick fällt allerdings auf, dass die HTS auf der einen Seite als spannendes Verkehrsbauwerk erscheint, das sich in vielen Richtungen der Stadt erstreckt und sich die Form und Ausführung sehr an der Stadtstruktur und der gegebenen Topografie anpasst. Auch der Weg unterhalb und entlang der HTS weist an einigen Stellen großes Potential und attraktive Räume auf. Der Spazierweg erscheint mal als gestalteter Erholungswege und mal als notwendiger Transitwege ohne ästhetischen An-spruch. Aber durch eine gezielte und geplante Umgestaltung könnten einige Standpunkte deutlich an Wert gewinnen, an denen besondere Orte entstehen könnten.

Der Spazier- und Radweg unterhalb der HTS existierte bereits vor dem Bau der Hochstraße. Im Rahmen der Baumaßnahme wurden keine neuen Wege angelegt, da früher noch nicht so viel Wert auf Radverkehrsverbindungen gelegt wurde, wie heute. Während dem Bau der HTS wurden lediglich die vorhandenen Wege wiederhergestellt oder verlegt.[1] Der heutige Fuß- und Radweg beginnt in Geisweid und führt bis zum Siegener Hauptbahnhof. Er orientiert sich hauptsächlich an der Struktur, also der Ausrichtung der HTS. Es lässt sich beobachten, dass der Weg vielmehr als Durchgangsweg für den Fahrrad- und Fußverkehr und weniger als reiner Spazierweg angesehen wird. Auf dem Weg fallen besonders die unterschiedlichen Stützenarten auf

Stützenarten der HTS im Siegener Stadtgebiet, S. Lenz, K. Navarro Frommann, S. Eycan, L. Franz, 2021

Im Bereich von Geisweid, Weidenau und den dortigen Parkmöglichkeiten stehen Y-Stützen. An den höchsten und flachsten Stellen und den Unter-zügen bei den Parkplätzen sind achteckige Stützen zu erkennen und am Siegener Bahnhof wurden Säulen mit einer flachen Kannelierung eingesetzt. Diese Säulen weisen Ähnlichkeiten zur Antike auf.

[1] Planungsabteilung Landesbetrieb Straßenbau NRW, schriftliche Auskunft vom 20.08.2021

In der interaktiven Karte können Sie per Video den Spazier- und Radweg erleben. Den Startpunkt finden Sie dort in Geisweid.
Link zur Karte

Kleiner geschichtlicher Hintergrund zur HTS

Die Hüttentalstraße, kurz HTS oder auch die Bundesstraße 54, ist eine rund 28 km lange Hochstraße. Sie verläuft überwiegend vierspurig und ist nahtlos an die Autobahn A4 angeschlossen.[1] Der Bau der HTS begann im Jahre 1974, die ersten Planungen gab es jedoch schon in den sechziger Jahren. 1977 gab es die erste Verkehrsfreigabe, wobei die gesamte Bauzeit 43 Jahre betrug. Da die HTS in mehreren Abschnitten und über viele Jahre geplant und erweitert wurde, gab es mehrere Baufachleute, die an diesem Projekt beteiligt waren. Genannt seien hier Hochtief AG Köln/ Siegen, Adam Hörnig Baugesellschaft, Ing.- Büro Köhler & Seitz, Ingenieurbüro Thomas & Bökamp und viele weitere. Bauherr der HTS war die Bundesstraßen-verwaltung der Bundesrepublik Deutschland.[2]

 

Unteransicht der HTS, Liniengrafik, S. Lenz, K. Navarro Frommann, S. Eycan, L. Franz, 2021

Um die HTS errichten zu können, mussten im Siedlungsbereich von Siegen großflächige Bau- und Abrissmaßnahmen getroffen werden. Das hat das Stadtbild Siegens tiefgreifend verändert und war daher von Anfang an ein großer Streitaspekt zwischen den BewohnerInnen. Bereits 1991 entstand eine Diskussion unter der Überschrift „Traumstraße oder Alptraum“, bei der sich die Frage stellte, ob die HTS eine sinnvoll nutzbare Stadtautobahn oder doch eher ein verhasster Alptraum werden sollte.[3] Im Jahre 1970 wurden bereits die ersten Häuser in Buschgotthardshütten abgerissen, im darauffolgenden Jahr kamen noch Häuser in der Austraße in Siegen hinzu. Zu den ersten Abschnitten der HTS gehörten die Eintrachtrampe an der Siegerlandhalle, die Strecke zur ausgebauten Siegener Autobahnan-schlussstelle in der Rinsenau und die Brücke über die Ruhr-Sieg-Bahnstrecke in Weidenau in Richtung der alten B 62 (auch Ostrampe genannt). Darauf folgte die Strecke von Weidenau Richtung Siegen-Innenstadt und Kreuztal, der Lückenschluss in der Siegener Innenstadt und Kreuztal-Mitte.[4]

[1] Opitz. Matthias: Die Hüttentalstraße (HTS), 11.07.2018, verfügbar unter: Die Hüttentalstraße (HTS) [ZEIT.RAUM] (zeitraum-siegen.de), Zugriff: 06.08.2021.

[2] Landschaftsverband Westfalen-Lippe: B 54/62n – Hüttentalstraße (HTS), Ziegenbergtunnel, Siegen, ca. 1997.

[3] Opitz. Matthias: Die Hüttentalstraße (HTS), 11.07.2018, verfügbar unter: Die Hüttentalstraße (HTS) [ZEIT.RAUM] (zeitraum-siegen.de), Zugriff: 06.08.2021.

[4] Hüttentalstraße, verfügbar unter: https://de.wikipedia.org/wiki/H%C3%BCttentalstra%C3%9Fe , letzter Zugriff: 06.08.2021.

 

Alte Bismarckschule in Weidenau

Schein & Sein

Auf den ersten Blick könnte das Gebäude in der Bismarckstraße mit den vielen großen Fenstern und dem repräsentativen Haupteingang immer noch eine Schule beherbergen. Die Beschilderung neben den Säulen des Eingangs zeigt jedoch, dass sich in dem Gebäude das Deutsche Rote Kreuz befindet. Der zweite Blick kann sich nicht von der angrenzenden rauhen und fensterlosen Fläche lösen – ein Bunker bildet einen Teil des langgestrekten Bauvolumens. Es ist eine besondere Atmosphäre, die dieses denkmalgeschützte Gebäude umgibt. Hier verschmelzen drei Bauphasen sichtbar in der Straßenfassade zu einer Gesamtansicht. Sofort sucht man die Nahtstellen – denn eigentlich wirkt das Bauvolumen trotz unterschiedlicher Bauweisen in sich stimmig. Der Bunker gibt vor etwas Geheimnisvolles zu sein. Schließlich hat er einen separaten Eingang. Anfangs hat er sich dem historischen Schulgebäude in seiner Ausrichtung angepasst um seinerseits auf die später folgende Schulerweiterung (Mittelteil) zu wirken und schließlich eine Symbiose mit beiden Gebäudeteilen einzugehen. Er ist auffällig und doch unauffällig. Einst sollte der Bunker den Menschen in Weidenau unauffälligen Schutz vor Bombenangriffen bieten. Heute dagegen, obgleich er keine Alltagsnutzung für das DRK beinhaltet, bietet er unaufdringlich die Möglichkeit zur Erinnerung, zum Nachdenken über Geschichte und die Frage, welche identitätsstiftende Rolle er für die Stadt Siegen beisteuern darf.

Hofansicht, links der historische Bestandsbau mit den zwei schieferverkleideten Giebeln, mittig der Ergänzungsbereich aus den 1950er Jahren, rechts der Bunker, Flörke 2021

Cansu Akin und Precilia Nluta

Eine Ortsbesichtigung im Comic-Format…

Hier eine Ortsbesichtigung im Comic-Format

 

Nähere Informationen zum Gebäude

Die Kreisverwaltung des Deutschen Roten Kreuz (DRK) befindet sich in einem ehemaligen Schulgebäude in der Bismarckstraße. Das Gebäude mit angrenzendem Hochbunker, steht heute unter Denkmalschutz. Die Schule wurde um 1900 errichtet, im Volksmund wurde sie auch Flurschule genannt.[1] Vermutlich ist sie anfangs eine Grundschule gewesen. Aufgrund von vorbereitenden Schutzmaßnahmen für die Zivilbevölkerung zum Zweiten Weltkrieg wurde 1944 ein Hoch- und Tiefbunker an die Schule angegliedert. In dem Bunker haben ungefähr 204 Personen Schutz gefunden.

In Folge von Kriegszerstörungen sind im Jahre 1951 erste Erweiterungs-entwürfe der Bismarckschule entstanden. Die Erweiterung der Schule fand in Form eines Zwischenbaus statt, der die Lücke zwischen dem Hochbunker mit auskragendem Tiefbunker und der bestehenden Schule zu einem Riegel schloss.[2] Laut Baubeschreibung[3] wurden die Geschossdecken als Eisenbetondecken ausgeführt. Die Dachkonstruktion war als Holzkonstruktion mit Schalung und Schieferdeckung angedacht. Die Innenräume sollten mit Fenstern und Türen aus Nagelholz ausgestattet werden. Projektbeteiligte am Erweiterungsbau waren unter anderem der Architekt Franz Dornseifer und Bauingenieur Völmecke. Am Samstag den 14.11.1953 wurde der Erweiterungsbau feierlich eingeweiht. In einem Zeitungsartikel anlässlich der Festveranstaltung hieß es: „Die Bismarckschule, die im Kriege Unterkunft des Sicherheitsdienstes, nach dem Kriege beschädigt und verwahrlost und voller Schutt, dann provisorisch und mit wenigen Mitteln – nur einmal soll es von Bauamt einen einzigen Packen Nägel gegeben haben – wieder für den Unterricht hergerichtet und jetzt endlich – nachdem die anderen Weidenauer Schulen alle schon einmal dran waren – so fein aufgebaut wurde.“[4] Durch den Artikel wird deutlich, wie dringend notwendig der Erweiterungsbau (aufgrund der Kriegszerstörungen) in den Nachkriegsjahren gewesen ist.

Typisch für Schulbauten aus der Zeit um 1900 ist auch die Schularchitektur des historischen Gebäudeteils der Bismarckschule. Sie ist massiv errichtet, streng gegliedert und weist repräsentative Gestaltungsmerkmale aber auch regionale Besonderheiten auf. Das Bauvolumen des zweiflügligen Eckgebäudes hat einen zweigeschossigen Aufbau mit abschließendem Satteldach. Über dem hoch anstehenden und mit grob behauenen Natursteinen gemauerten Sockelgeschoss folgt ein verputztes Erdgeschoss. Das Obergeschoss ist teilweise mit Schiefer verkleidet (zur Straße Am Ufer und im vorderen etwas vorspringenden Bereich der Bismarckstraße). Die übrige Fassade des Gebäudes war verputzt. Die Gestaltung des späteren Anbaus wurde an den Baubestand angepasst. Dadurch wurde der Schulbau bis zum Bunker um acht achsen verlängert. Auf diese Wiese entstand eine strenge Gliederung, die trotz der vielen Fenster das Gebäude sehr massiv und gedrungen wirken lässt. Der Haupteingang der Schule zur Bismarckstraße war bauzeitlich mit einem auf mehreren Säulen ruhenden Vordach repräsentativ gestaltet worden.

Von ca. Anfang 2000 bis ungefähr 2009 befand sich in dem Gebäude eine Volkshochschule und eine Herder Bibliothek. 2009 hat das Rote Kreuz das Gebäude mit Bunker von der Stadt Siegen gekauft. Seitdem gehört es dem DRK-Kreisverband Siegen-Wittgenstein e.V.. Das Gebäude wurde für die Nutzungsansprüche des Roten Kreuzes als Bestandsbau umgebaut und zusätzlich im Hofbereich durch einen Anbau erweitert. Der historische Bestand und der als Anbau neu errichtete Gebäudeteil heben sich in Baukonstruktion und Gestaltung deutlich voneinander ab. Der Neubau durfte nur zweigeschossig mit Flachdach ausgeführt werden, d.h. er musste niedriger in der Höhe bleiben um den denkmalgeschützten Altbau nicht zu verdecken. Der Anbau schließt entlang der Straße Am Ufer an den Altbau an. Die Außenwand des Bestandsgebäudes wurde bis auf einen Durchbruch für die innere Erschließung zwischen beiden Gebäudeteilen, nicht angetastet. Zu den Veränderungen im Innenbereich der alten Schule gehört ein neuer Aufzug zur Sicherung der Barrierefreiheit. Elemente, wie das Treppenhaus sowie die alten Holztüren konnten erhalten bleiben und an anderen Stellen finden sich auch noch alte Fliesen. Der Neubau fungiert vor allem als Funktionsbau und beinhaltet Sanitäranlagen und Büros. Die Besonderheit des gesamten Bauwerks macht die spannende Verbindung seiner aus unterschiedlichen Zeitphasen stammenden Gebäudeteile aus: historischer Schulbau, Bunker, Schulerweiterung als „Lückenfüller“ und Anbau des DRK im Hofbereich.

[1] Die Bismarckstraße hieß vormals Flurstraße; die Schule erhielt ihren Namen entsprechend der Straßenbenennung. Zum Gebrauch des Namens Flurschule siehe auch: Siwiarchiv online, Eintrag vom 5.3.2018, online unter: https://www.siwiarchiv.de/lehrer-zwischen-1933-und-1945/, Zugriff: 09.09.2021.

[2] Pläne dazu lagern im Stadtarchiv Siegen, Best. 151 / Amt Weidenau, Nr. Nr. 958.

[3] Stadtarchiv Siegen, Best. 151 / Amt Weidenau, Nr. Nr. 958, Baubeschreibung vom 24.10.1951.

[4] Westfalenpost: Bismarckschüler als Dankbare Gastgeber, ohne Autor und Datum.

Gasometer

Aleyna Cilingir
Büsra Kaya
Beyza Yildiz

Ansicht von der Friedrich-Friesen-Straße,                                                         A. Cilingir, B. Kaya, B. Yildiz, 2021

Weltweit gibt es nur vier Kugelgasbehälter, die eine genietete Konstruktion aufweisen. In der Stadt Siegen befindet sich einer von ihnen in unmittelbarer Nähe der HTS. Der Gasometer wurde 1934 von der Firma Kölsch-Fölzer-Werke AG im Gewerbegebiet auf der Schemscheid am Fuße des Ziegenbergs südwestlich der Siegener Innenstadt gebaut.[1]  Bauherr waren die Stadtwerke Siegen. Die genaue Lage befindet sich zwischen Friedrich-Friesen-Straße, HTS/B54 und Achenbacher Straße.  Es wurde als Pufferspeicher für die örtliche Gasversorgung eingesetzt, doch diese war ab 1978 nicht mehr notwendig.[2] Somit wurde der Gasometer stillgelegt. Heute steht er unter Denkmalschutz.[3]

Der kugelförmige Gasometer mit einem Durchmesser von 15,70 m verfügt über ein Gewicht von 127 Tonnen. Dieses wird durch eine Unterkonstruktion aus dreieckförmig zusammengeführten Stahlrohren auf acht Punktfun-damenten getragen. Während die Füße der Stützen mit Schneiden auf die Fundamente aufgesetzt sind, sind die Köpfe der Stützen mit elastischen Gliedern versehen.

Detail der Unterkonstruktion, A. Cilingir, B. Kaya, B. Yildiz, 2021

Die Kugelmantelfläche bildet sich aus 48 unterschiedlich großen Baustahlblechen (St 52), die durch eine dreireihige Nietung (St 44) miteinander verbunden werden. Dabei wurde darauf geachtet, dass man durch die Verwendung der großen Bleche Gewicht und Nietnähte spart, um eine möglichst hohe Dichtigkeit zu erreichen. Der Verlust der Undichtigkeit wird durch die Verstemmung der äußeren Blechflanschen und Nietköpfe minimiert. Mit einem Rauminhalt von ca. 2.026 m3 hatte er eine Gas-speicherkapazität bis zu 10.000 m³. Bauzeitlich wurde die Innenwand mit Leinöl und das Äußere mit Bleimennige gestrichen.[4] Im Herbst 2019 wurde in Abstimmung mit der Denkmalschutzbehörde Arnsberg der Kugelgas-behälter entrostet und ein Korrosionsschutz sowie eine dunkel grüne Decklackierung aufgetragen.[5]

 

[1] Der Ziegenberggasometer in Siegen – Ein Gasbehälter der besonderen Art, ohne Autor, online unter: https://www.deutschlandmalanders.com/der-ziegenberg-gasometer-in-siegen/, Abrufdatum: 10.05.2021.

[2] Arbeitsgruppe Historische Städte NRW, Kugelglasbehälter auf dem Schemmscheid, online unter: https://www.siegen-wittgenstein.info/de/poi/industriedenkmal/kugelgasbehaelter-auf-der-schemmscheid/6036539/, Abrufdatum: 21.05.2021.

[3] Amt für Denkmalpflege in Westfalen: Kugelglasbehälter Siegen, vom 21.4.2008,  Münster, online unter: http://www.baukunst-nrw.de/objekte/Kugelgasbehaelter-Siegen–901.html, Abrufdatum: 14.05.2021.

[4]   Arbeitsgruppe Historische Städte NRW, Kugelglasbehälter auf dem Schemmscheid, online unter: https://www.siegen-wittgenstein.info/de/poi/industriedenkmal/kugelgasbehaelter- auf-der-schemmscheid/6036539/, Abrufdatum: 21.05.2021.

[5]  Lehmann, Timm: Endlich wieder denkmalwürdig – Kugelglasbehälter wird instand gesetzt, in: Siegener Zeitung, Online-Ausgabe vom 20.2.2020. Online unter: https://www.siegener-zeitung.de/siegen/c-lokales/endlich-wieder-denkmalwuerdig_a194164, Abrufdatum: 21.05.2021.<<<<<

Sein & Schein

Im Zuge der Restaurierungsmaßnahmen wurde der Kugelgasbehälter entrostet und zur Pflege und Erhaltung ein Korrosionsschutz, sowie eine dunkelgrüne Decklackierung aufgetragen. Durch die neue Lackierung hat das Objekt sein über die Jahrzehnte entstandenes Patina reiches Erschei-nungsbild verloren, da die Spuren seiner Lebenszeit kaschiert wurden. Weder die Rostspuren noch die Patina sind heute sichtbar. Durch die nun einheitlich erscheinende Oberfläche entsteht fast der Eindruck eines neuwertigen Kunstobjektes.

Detail der Unterkonstruktion mit Blick auf die HTS,                                 A. Cilingir, B. Kaya, B. Yildiz, 2021

Mit dem Bau der HTS im Jahre 1993 rückte der Gasometer in den Hinter-grund. Dieser wurde um 46 m von seinem ehemaligen besser sichtbaren Standort in einen unauffälligen Winkel versetzt.[1] Aufgrund der Trans-lozierung in eine abschüssige Stadtposition, verlor der Gasometer an Bedeutung. Das großflächige Betrachten des Objekts fällt wegen der zugewachsenen Vegetation schwer. Somit ist der Gasometer und seine Konstruktion für eine nähere Betrachtung nicht zugänglich.

 

Das über achtzigjährige Industriedenkmal wirkt deplatziert in der etwas abgelegenen Kurve eines Industriegebiets. Trotzdem oder gerade aufgrund dieser unglücklichen Platzierung muss man einfach stehen bleiben und diesen besonderen Baukörper betrachten. Der hohe ästhetische Wert der Nietenkonstruktion wie auch der Unterkonstruktion faszinieren. Inter-essierte stellen sich vielleicht die Frage, um was für ein Gebilde es sich überhaupt handeln könnte und stellen Vermutungen an. Kein Hinweisschild gibt Auskunft. Zwischen neuer Erscheinung und alter Nutzung bewegt sich die Bedeutung des Gasometers.

[1] Der bauzeitliche Standort ist auf der Karte „Town Plan of Siegen“ von ca. 1945 verzeichnet, siehe dazu Stadtarchiv Siegen, Best. 752 / Karten und Pläne, Nr. P 548, auch online unter: https://dfg-viewer.de/show/?tx-_dlf[id]=https%3A%2F%2Farchiv.siegen.de%2FBestand%2520752%2FP%2520548%2Fmets.xml, Zugriff: 08.09.2021.

Umfrage zum Gasometer

Im Sommer 2021 wurden 17 Personen zum Gasometer befragt. Hier ein kleiner Einblick in die Ergebnisse.

10 von 17 Personen kennen den Gasometer nicht.
8 von 17 Befragten tippen das Entstehungsjahr richtig. Über die Hälfte der Befragten glauben, der Gasometer wäre jünger.
7 von 17 Personen finden, dass der Gasometer durch seine Versetzung an seinen neuen Standort an Bedeutung verloren hat.
Über die Hälfte der Befragten befürworten eine Umnutzung. Für Umnutzungsvorschläge besuchen Sie bitte die interaktive Karte.