Ringlokschuppen II

Leonard Elze
Paul Hoffstadt
Lars Zeppenfeld

Blick vom Dach der City-Galerie auf den Ringlokschuppen, L. Elze, P. Hoffstadt, L. Zeppenfeld, 2021

Sein & Schein

Leider ist der Lokschuppen für die Öffentlichkeit nur sehr eingeschränkt zugänglich. Für Interessierte ist das Betreten des Geländes jedoch untersagt. Den besten Blick auf den Ringlokschuppen hat man vom Bahnsteig des Gleises 55 oder vom obersten Parkdeck der Citygalerie. Es lohnt sich jedoch zu verweilen und die auf den ersten Blick unscheinbare Rückseite des Gebäudes genauer zu betrachten. Durch die Fenster lassen sich noch die verbliebenen Lokomotiven im Inneren erspähen. Doch die fehlende Instandhaltung der vergangenen Jahrzehnte haben Spuren an der Fassade hinterlassen. So wurde zwar die Fassade in dunkelroter Farbe überstrichen, Ausbesserungen an den Fugen auf der Nord-Ostseite lassen Schäden an der Substanz sichtbar werden. Eine farblose Stelle auf der Ost-Seite weist darauf hin, dass hier Teile eines Anbaus bereits abgerissen wurden. Auch Teile des historischen Wasserturms wurden bereits abgetragen.

Blick auf die Ostseite des Ringlokschuppens mit Spuren von baulichen Veränderungen, L. Elze, P. Hoffstadt, L. Zeppenfeld, 2021

Vor allem der Bau der Hüttentalstraße hat zu Veränderungen auf dem Bahnhofsgelände geführt. Mehrere Gebäude wurden um 1970 abgerissen. Die Planungen zur Hochstraße sahen vor, dass diese den Ringlokschuppen leicht tangiert. Die HTS nimmt Rücksicht auf die Form des Lokschuppens und läuft an dessen halbrunder Fassade in einer leichten Kurve vorbei. Dies „rücksichtsvolle“ Planung gibt Aufschluss über die Bedeutung der Bahn und den historischen Gebäuden zu dieser Zeit.

Heute treffen hier drei Verkehrskonzepte aufeinander. Die Bahn als Motor der Industrialisierung, die Hüttentalstraße aus Zeiten der autogerechten Stadt und der unterhalb der HTS verlaufende Spazier- und Radweg (siehe separaten Beitrag) als aktuelle klimafreundliche Leitlinie.

Hinter dem Ringlokschuppen (links) stehen die HTS, der Spazier- und Radweg sowie der Flusslauf der Alche eng nebeneinander, L. Elze, P. Hoffstadt, L. Zeppenfeld, 2021

Die halbrunde Bauform des Ringlokschuppens wirkt wie eine Klammer zum Bahnhof – Die HTS hat diese Wirkung ausgehebelt. Die Bedeutung der Drehscheibe im Innenhof des Lokschuppens als Dreh- und Angelpunkt in einem Zeitalter, als der Bahnhof hochfrequentiert war, hat durch die Außerbetriebnahme abgenommen. Einst pulsierte hier am Ringlokschuppen das wirtschaftliche Treiben der Stadt und war eines der Hauptpostkartenmotive von Siegen. Heute liegt das Herz des ehemaligen Zentrums der Siegener Unterstadt jenseits des Bahnhofs. Um den Ringlokschuppen ist es still geworden im Schatten der Hüttentalstraße. Aber so muss es nicht bleiben. Viele alte Ringlokschuppen haben mittlerweile ausgedient und wurden für andere Zwecke umgebaut. Die besondere Bauform dieses Bautyps und die guten Standortvorteile bergen ein großes Potential für neue anderweitige Nutzungen.

Blick unterhalb der HTS hindurch auf den Ringlokschuppen, dahinter die City-Galerie, L. Elze, P. Hoffstadt, L. Zeppenfeld, 2021
Auf der interaktiven Karte können Sie im Video "Lokschuppenklang" die Klänge des Ortes genießen. Folgen Sie dem nachstehenden Link.

Link zur Karte mit dem Video (siehe am Standort des Ringlokschuppens)

Ein mögliches Umnutzungskonzept für den Siegener Ringlokschuppen

Bei Lokschuppen unterscheidet man zwischen rechteckigen Lokschuppen, Rundhaus Lokschuppen und den Ringlockschuppen. Die rechteckige Halle ist dabei die einfachste Bauform, da hier die Lokomotiven ohne Drehscheibe in die Halle hinein- und wieder herausfahren. Das Rundhaus ist eine Halle, in dessen Mitte sich eine Drehscheibe befindet, um welche sich die Lokstellplätze kreisförmig anordnen. Ein Ringlokschuppen hat ein ähnliches Prinzip, bei dem sich die Drehscheibe im Freien befindet und die Halle halbkreisförmig um diese Drehscheibe angeordnet ist. Die alten Abstellhallen werden gerne als Kultur- und Veranstaltungsgebäude umfunktioniert, da sie einen besonderen Charme und gute Akustik bieten. Neben diesen Eigenschaften ist die Gebäudeform sehr einfach unterteilbar und bietet überall Möglichkeiten separate Ein- und Ausgänge zu installieren.

Bei unseren Recherchen rund um den Lokschuppen haben wir besonderen Wert auf die Standortsfaktoren des Gebäudes gelegt. Das Grundstück liegt sehr zentral in Siegen und ist fußläufig vom Bahnhof in wenigen Minuten erreichbar. Die vorhandene Clubbing- und Gastronomieszene ist nur wenige Minuten entfernt. Auch die Anreise per Auto ist über die Nahegelegenen Abfahrten der HTS problemlos möglich. Zudem sind unter der HTS Parkplätze vorhanden, die bei unseren Besuchen nur wenig ausgelastet waren. Des Weiteren befindet sich im Umkreis des Lokschuppens nur wenig bis gar keine Wohnbebauung. Aufgrund des bestehenden Lärmaufkommens  Bahnverkehrs und der HTS einen höheren Lärmpegel der Nutzung auch in der Stadt möglich macht, jedoch für ein urbanes Wohnen weniger attraktiv wirkt. Durch diese Überlegungen und die vorhandenen großen Räume war für uns schnell klar, dass es sich um einen sehr guten Standort für Events und Veranstaltungen handelt.

Entwurf für eine möglich Umnutzung des Ringlokschuppens, L. Elze, P. Hoffstadt, L. Zeppenfeld, 2021

In der von uns gezeigten Version werden die Stellplätze der Lokomotiven als teilbare Räume für Feiern, Hochzeiten oder Seminare genutzt. Im Innenhof dient ein alter Wagon als Restaurant. Das Gebäude am süd-westlichen Ende würde als Küche sowie Lager und für Technik genutzt werden. Die bestehenden Reste des Wasserturms bekommen als Terrasse eine neue Funktion. Das dreistöckige Gebäude im Nordosten würde Zimmer für Besucher von Feiern und Seminaren beinhalten. Außerdem sollen Bereiche als Museum genutzt werden um den Gästen den Wert dieses Gebäudes in vergangenen Zeiten bewusst zu machen.

Ringlokschuppen I

Martin Schmidt

Eine architekturhistorische Betrachtung

Ansicht des Ringlokschuppens aus Richtung des Hauptbahnhofs, Martin Schmidt 2021

Fährt man in Siegen über die Hüttentalstraße oder nutzt den Hauptbahnhof im Zentrum, fällt einem direkt ein ungewöhnlich kreisrundes Gebäude hinter den Bahngleisen auf. Hierbei handelt es sich um den geschichtsträchtigen Ringlokschuppen der Deutschen Bahn. Dieser ist mittlerweile stillgelegt und steht einer ungewissen Zukunft gegenüber.

Anbindung Siegens an das Schienennetz – die Ruhr-Sieg-Bahn

Als im Zuge der industriellen Revolution der Bedarf an Eisen stieg, die Siegener Hütten immer mehr Kohle benötigten und die damaligen Transportwege zu teuer und umständlich waren, entschied sich 1835 ein eigens gegründetes Planungskomitee dazu, den Bau einer Pferdeeisenbahn zu beantragen. Hierdurch sollte das Siegerland mit dem Ruhrgebiet verbunden werden, um die dortige Kohle auf direktem Weg zu transportieren. Da sich der Vorgang jedoch in die Länge zog, beantragte das mittlerweile in Hagen befindliche Hauptkomitee 1851 eine Dampfeisenbahn. Die Genehmigung erfolgte nach Einigung auf den Streckenverlauf schließlich 1856. Baustart war 1858 unter der Leitung der Bergisch-Märkischen Eisenbahngesellschaft. Letztendlich wurde die Ruhr-Sieg-Strecke 1861 eingleisig fertiggestellt und 1870 auf zwei Gleise erweitert (Tröps, 1995; LWL 2002; Krause, 2011).

Die Fertigstellung der 106 Kilometer langen Ruhr-Sieg-Bahn durch das gebirgige Sauer- und Siegerland und durch das enge Lennetal war eine technische Meisterleistung und wurde in zeitgenössischen Berichten bejubelt:„Die schwierigen und gewaltigen Bauwerke jeder Art, wodurch die Ruhr-Sieg-Bahn eine der großartigsten und bewunderungswürdigsten Bauunternehmungen der neueren Zeit ist, werden für immer ein Zeugnis bleiben davon, was menschlicher Fleiß, Energie und Kunst sowie die Vereinigung vieler Kräfte vermag“ (Wochenblatt  Kreis Altena 1861).

Blick auf die Bahngleise, rechts der Hauptbahnhof, links der Ringlockschuppen, Martin Schmidt 2021
Der Bau des Ringlokschuppens

Eines dieser gewaltigen Bauwerke der Ruhr-Sieg-Strecke war der Ringlokschuppen in Siegen, welcher mittlerweile unter Denkmalschutz steht. Der Lokschuppen wurde im Jahr 1884 unter der Bauherrschaft der deutschen Reichsbahn als Teil der Ruhr-Sieg-Strecke erbaut, um die stetig steigende Nachfrage der örtlichen Hütten nach Eisen zu befriedigen und den Standort Siegen als Eisenbahnknotenpunkt weiter zu festigen. Der Ringlokschuppen wurde polygonal-halbkreisförmig direkt angrenzend an den Gleisverlauf gebaut. Das Gebäude besitzt ein Geschoss und ist umlaufend in Massivbauweise errichtet. Das Dach wurde als Fachwerkkonstruktion ausgeführt, um die enormen Spannweiten zu ermöglichen.

Die Funktion des Ringlokschuppens war es, die Dampfeisenbahnen und später auch Dieselloks, die hier durchfuhren oder ihren Endpunkt hatten, zu versorgen, anzuheizen und wieder in Fahrtrichtung umzudrehen. Dazu fuhren die Triebwagen auf eine Drehscheibe welche zentral zu dem Gebäude angeordnet war. Damit war es möglich, die Triebwagen im ganzem zu drehen oder auf eines der Tore auszurichten. Zur damaligen Zeit war es essenziell, dass die Lokomotiven gedreht wurden, da diese nur in eine Richtung fahren konnten und ein Wenden ohne Drehscheibe unmöglich gewesen wäre. Im Ringlokschuppen selbst, konnten die Triebwagen nun gewartet werden. Der Wasserturm und die Wassergewinnungsanlage an der westlichen Seite gewährleisteten hier die Wasserversorgung der ankommenden Dampflokomotiven. Gleichzeitig wurde der Kohlenvorrat mit Kränen wieder aufgestockt

Nachdem am 14. Mai 1965 die Elektrifizierung der Ruhr-Sieg-Strecke abgeschlossen (SZ-Archiv, 2015) und der Zugverkehr auf elektrische Züge umgestellt wurde, kamen Triebwagen zum Einsatz, die in beide Fahrtrichtungen fahren konnten. Ebenso erhöhte sich die Reichweite der Triebwagen. Hierdurch verlor der Ringlokschuppen seine Bedeutung für den Zugverkehr und das Bahnbetriebswerk wurde somit zum 31.12.1996 nicht mehr weitergeführt.

Das Gebäude befindet sich weiterhin im Besitz der Deutschen Bahn. Bis in das Jahr 2015 diente der Ringlokschuppen als Eisenbahnmuseum für die Eisenbahnfreunde Betzdorf unter der Schirmherrschaft eines Trägervereins, welches jedoch aufgelöst wurde. Weiterhin fehlt es aber bis heute an einem Konzept, wie das Gebäude einer Nutzung zugeführt werden kann (SZ-Archiv, 2015).