10.12. – Raimar Stange: Zur Bildung des Politischen durch künstlerische Partizipation – Joseph Beuys, Zentrum für politische Schönheit, Banu Cennetoglu

Raimar Stange spricht zu der Didaktik politischer Kunst. Dabei legt er besonderes Augenmerk auf die Verortung von politischer Kunst, die sich nicht zufällig, oftmals im frei begehbaren öffentlichen Raum ereignet. Als künstlerische Beispiele dienen Arbeiten von Joseph Beuys und dem Zentrum für politische Schönheit.

Raimar Stange ist freier Publizist und Kurator. Er schreibt unter anderem für Kunstforum, Flash Art, springerin, Monopol und kuratiert Ausstellungen im Haus am Lützowplatz, Berlin (2019), im L 40 | Kunstverein am Rosa-Luxemburg-Platz, Berlin (2020)  und im Kunst Haus Wien (2015/16). Schwerpunkt seiner kuratorischen und publizistischen Arbeit ist politische, machtkritische Kunst.

Exzerpt:

explizit politische kunst wird immer wieder als „didaktisch“ beschimpft. beschimpft, weil sie als didaktische formulierung ihre zweckfrei und freiheit, ihre „autonomie“ einbüßen würde. Die „autonomie der kunst“ nun, und mit ihr der primat von form und „interesselosen wohlgefallen“ (immanuel kant), gilt immer noch vielen als zentrales moment der kunst. doch schon peter bürger betonte in seinem buch “die theorie der avantgarde“ treffend: „autonomie der kunst ist eine kategorie der bürgerlichen gesellschaft. sie erlaubt, die herauslösung der kunst aus lebenspraktischen bezügen zu beschreiben … diese abgehobenheit transformiert sich dann in die vorstellung von der totalen unabhängigkeit der kunst“. doch nicht nur das zweckhafte stört an politischer kunst, sondern auch, dass ihre didaktik als „agitation“ eine autoritäre form der erziehung wäre. z. b. die kunst von joseph beuys und dem zentrum für politische zentrum dagegen zeigt, dass politische kunst, die sich nicht von der „lebenspraxis herauslöst“, trotz ihrer expliziten botschaften weder ihre freiheit verliert, noch ihre erziehung, oder „lehre“, wie es beuys nennt, eine autoritäre ist. dass diese explizit politische kunst meist im öffentlichen raum und nicht im „white cube“ (brian o’doherty) der kunstinstitutionen sich ereignet, und ihre rezeption oftmals (kollektive) bewegung erfordert, zeigt dass sie sich bewusst von real-existierenden standards der hehren kunst abgewandt hat. In diesem sinne formulierte peter bürger schon über die „praxis“ der avantgarde anfang des 20. jahrhunderts: „die historischen avantgardebewegungen negieren die für die autonome kunst wesentlichen bestimmungen: die abgehobenheit der kunst von der lebenspraxis, die individuelle produktion und die davon getrennte individuelle rezeption“.

Raimar Stange

Zentrum für politische Schönheit, Aktionsplakat, Foto Raimar Stange