19.11. – Jenny Starick: Überdimensionalität. Die Adaption des kuratierten Raums

Welche Formen des kuratierten Raums müssen in ihrer Beziehung zueinander diskutiert werden? Inwiefern können Abstraktionsebenen von der konkreten hin zur digitalen Welt ‚aufgehoben‘ werden? Müssen konkrete Adaptionen der Räume gedacht werden, um die bewusste Wahrnehmung einer virtuellen Repräsentation zu verräumlichen?

Ziel ist es aufzuzeigen, wie wir uns in den durch die Digitalität geprägten Räumen bewegen, dass die Wechselwirkung zwischen Raum und Wahrnehmung immanent ist sowie das „Kuratieren“ als kulturelles Werkzeug verstanden werden kann. Die Vernetzung – gedacht in verschiedenen Formen des raumbildenden In-Beziehung-setzen – transportiert das dialogische, prozesshafte, sprunghafte Modell des Denkens und Kommunizierens in die programmierte Welt.

Exzerpt:

Welche Formen des kuratierten Raums müssen in ihrer Beziehung zueinander diskutiert werden? Inwiefern können Abstraktionsebenen von der konkreten hin zur digitalen Welt ‚aufgehoben‘ werden? Müssen konkrete Adaptionen der Räume gedacht werden, um die bewusste Wahrnehmung einer virtuellen Repräsentation zu verräumlichen?

Kuratierte Räume existieren in drei Formen: dem architektonischen Raum, dem Raum eines Buches sowie digitalen Räumen. Wahrnehmungsphilosophisch kann man diese Räume ebenso in eine Dreigliederung aufschlüsseln. Der in seinen Dimensionen konnotierte architektonische Raum ermöglicht eine instantane Wahrnehmung – mensch sieht ihn in seiner Ganzheit, blickt in diesen hinein, um Aspekte genauer zu betrachten und reflektiert im Schauen das Wahrgenommene. Der Buchraum hingegen wird als linear beschrieben: der ästhetische Raum ergibt sich durch das Nacheinander von Seiten und baut sich so in seiner eigenen Zeitlichkeit auf. Als Raum im Raum, architektonisch strukturiert durch das Weiß, verändert sich die Wahrnehmung. Das reflektierte Schauen entwickelt sich erst in der Linearität der Bedeutungszusammenhänge. Der digitale Raum wird als Möglichkeitsraum angesehen, welcher in seiner Grundform kuratorischen Prinzipen folgt, aber das Moment der Vernetzung in den Vordergrund stellt: Vernetzung von User*innen (das „globale Dorf“ nach McLuhan) sowie Vernetzung von Inhalten und Daten.

Basierend auf der Mediengenealogie von Vilém Flusser, kurz der unabdingbare Fortschritt der kulturellen Evolution vom Konkreten zum Abstrakten, lässt sich der Umgang mit dem digitalen Raum als Überwindung der Nulldimensionalität hin zur Überdimensionalität beschreiben. Also ein Versuch der User*innen, im Umgang mit der computergenerierten Virtualität, das Interface als Mediation zwischen Mensch und Nulldimensionalität bewusst nutzbar und erfahrbar zu machen – indem die projizierte Fläche des technischen Bildes durch kuratorische Mittel verräumlicht wird. In der beispielhaften Analyse ergeben sich ineinander verwobene Aspekte der Verräumlichung im digitalen Raum: eine theoretische, konzeptionelle Struktur in der virtuellen Geste des Kuratierens; eine grafische Strategie mit dem Hauptaugenmerk auf dem Layout der Website; sowie die ästhetische Verräumlichung in der subjektiven Geste der Bezug-Setzung und bewussten Thematisierung. Über die konzeptionelle, theoretische Verstrebung, hin zur „Herumwirklichkeit“ des Weißraums bis zur Vernetzungsstruktur als intersubjektive Virtualität entsteht der digitale Raum aus dem Gestus des Layering, der Vernetzung und als Ergebnis sozialer Interaktion. Die Theorie der Überdimensionalität ist als ‚dimensional turn‘ begreifbar, indem die hier vorgestellten Übersetzungsmomente der Räume eine neue Methode der Handhabung von Wahrnehmungsveränderung und medialer Anpassung veranschaulichen.

Ziel des Vortrags war es aufzuzeigen, wie wir uns in den durch die Digitalität geprägten Räumen bewegen, dass die Wechselwirkung zwischen Raum und Wahrnehmung immanent ist sowie das ‚Kuratieren‘ als kulturelles Werkzeug verstanden werden kann. Die Vernetzung – gedacht in verschiedenen Formen des raumbildenden In-Beziehung-setzen – transportiert das dialogische, prozesshafte, sprunghafte Modell des Denkens und Kommunizierens in die programmierte Welt und beeinflusst wiederum alle Verräumlichungsprozesse.

Jenny Starick (Kunst- und Medientheoretikerin)

Screenshot von Jenny Starick, Fotos © ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe, 2020