Umfang und Aktualität – die Kennzeichen des Online-Journalismus

Die Distinktion von Online- und Offline-Medien bedarf als ersten Schritt eine zahlenmäßige Erfassung des Datenmaterials. Dazu wird im Folgenden der Umfang der einzelnen journalistischen Beiträge dargestellt und analysiert.

Abbildung 4

Die obenstehende Grafik zeigt die Verteilung der Berichterstattung innerhalb der verschiedenen Kanäle. Wie zu erwarten, weist die Online-Berichterstattung einen deutlich größeren Umfang auf als die Offline-Berichterstattung. Dieses Phänomen lässt sich darauf zurückführen, dass der Onlinejournalismus, im Gegensatz zum Offlinejournalismus, an keine Zeit- und Formatvorgaben gebunden ist (vgl. Debatin 2010: 27). Auffällig bei der Betrachtung des Diagramms ist, dass die Berichterstattung in den Printausgaben den mit Abstand geringsten Teil ausmacht. In der Printausgabe des Spiegels sind zudem weniger Artikel vorzufinden als in der FAZ. Hier muss allerdings berücksichtigt werden, dass die FAZ eine Tageszeitung und der Spiegel ein Wochenmagazin ist. Des Weiteren fallen zwei Printausgaben der FAZ in den zu analysierenden Bereich, jedoch nur ein Magazin des Spiegels.

Den größten Teil hingegen bildet die Berichterstattung des Livetickers, welcher von beiden Medien, zwecks des Ereignisses, auf der jeweiligen Homepage eingerichtet wurde.

Generell fällt auf, dass die prozentuale Verteilung der Beiträge bei beiden Medien relativ gleich ausfällt. In der Liveberichterstattung auf Twitter und des Livetickers weist Spiegel Online jedoch etwas mehr Beiträge auf. Das wiederum lässt darauf schließen, dass Spiegel Online die neuen Formen der digitalen Berichterstattung etwas aktiver nutzt als faz.net.

Bezüglich der Aktualität der Online-Medien ist eine Vergleichbarkeit anhand der Online-Artikel nicht möglich, da sich die Zeitpunkte der Veröffentlichung durch nachträgliche Bearbeitung oft nicht mehr nachvollziehen lassen. Auf der Internetseite von Spiegel Online ist für den Leser nur eine Zeit ohne weitere Angaben ersichtlich, welche den genauen Zeitpunkt der letzten Aktualisierung angibt. Für den Leser ist somit, aufgrund der fehlenden Angaben, nicht nachvollziehbar in welchen Fällen ein Artikel aktualisiert wurde und wann es sich um die erste Fassung handelt. Faz.net bietet seinen Lesern hingegen eine höhere Transparenz, indem bei der angegebenen Zeit zusätzlich angegeben ist, ob es sich um die erste Veröffentlichung oder um eine aktualisierte Version handelt. Allerdings wird auch hier nicht ersichtlich, wie oft der Text aktualisiert wurde und wann genau der Artikel in seiner ersten Fassung auf der Internetseite erschien.

Diese Chance der permanenten Korrektur birgt das Risiko der Fahrlässigkeit im Online-Bereich, sodass die Maxime des „Get it first, but get it right“ (Meier 2003: 254) außer Kraft gesetzt werden könnte. Beim Printjournalismus hingegen ist für die Drucklegung eines Artikels eine feste Deadline gesetzt, sodass die Beiträge keiner ständigen Aktualisierung unterliegen (vgl. Debatin 2010: 27).

Kennzeichen des Online-Journalismus ist zudem der inflationäre Charakter der Informationsdistribution, sodass die Schnelligkeit der Publikation entscheidend ist. Jede Verzögerung lässt den Neuigkeitswert aufgrund der Konkurrenzsituation sinken (vgl. Debatin 2010: 26).

Um transparent zu machen, wann bestimmte Ereignisse bekannt wurden und um zeitgleich die Schnelligkeit der Medien zu vergleichen, hat man eine Timeline erstellt, die sich an den Tweets von Spiegel Online und faz.net orientiert. Zur Vergleichbarkeit zwischen den Medien, hat man sich für das soziale Netzwerk Twitter entschieden, weil es in der Live-Berichterstattung als das schnellste Medium gilt (vgl. Neuberger 2014: 5). Der Liveticker weist zwar in beiden Fällen mehr Einträge auf, jedoch waren die Kernpunkte der Berichterstattung auf Twitter besser ersichtlich, wohingegen es im Liveticker oft zu Redundanzen kam. Zudem wurden die beiden Liveticker erst zu einem späteren Zeitpunkt eingerichtet. So richtete Faz.net um 22:43 Uhr und Spiegel Online um 23:57 Uhr den Liveticker ein. Aufgrund der großen Datenmenge hat man die Timeline anhand des reduzierten Datenmaterials erstellt und auf die Tage 13./14. und 15./16. aufgeteilt.

Timeline: 13.11.15 und 14.11.15Abbildung 5

Die Timeline bildet den Zeitraum vom 13.11.2015, 22 Uhr bis zum 14.11.2015, 24 Uhr ab. Die unterschiedlichen Medien sind durch Farben voneinander getrennt. Anhand der hellblauen Markierungen werden die Twitter-Beiträge von faz.net dargestellt, die dunkelblauen Markierungen kennzeichnen das Erscheinen der Online-Artikel der faz.net. Entsprechend stellen die hellorangefarbenen Markierungen die Twitter-Beiträge und die dunkelorangefarbigen Markierungen die Online-Artikel des Spiegels dar.

Beim Blick auf die Timeline fällt besonders auf, dass es zu bestimmten Zeitpunkten zu einer Ballung der Tweets kommt. Die erste Anhäufung entsteht durch das Aufkommen des Ereignisses. Beide Medien reagierten nahezu zeitgleich mit ihrem ersten Tweet, der sich auch inhaltlich kaum unterscheidet. Zu Beginn konzentrieren sich die Tweets vor allem auf Opferzahlen und Tatorte, wobei faz.net die erste Opferzahl knapp eine Stunde vor Spiegel Online twittert. Es scheint zudem so, als ob der Fokus bei den zu untersuchenden Medien unterschiedlich gesetzt wurde. So twittert faz.net häufiger Opferzahlen, Spiegel Online hingegen mehr Informationen zu den Attentätern.

Die ersten Online-Artikel erschienen in beiden Fällen deutlich später, um 2:04 Uhr (faz.net) und 2:23 Uhr (Spiegel Online). Hierbei muss jedoch berücksichtigt werden, dass es sich um aktualisierte Zeitangaben handelt und die genaue Uhrzeit der Veröffentlichung nicht mehr nachvollziehbar ist. Einhergehend mit der Veröffentlichung der Online-Artikel ist eine deutliche Abnahme der Tweets erkennbar. Mittels der Timeline wird außerdem veranschaulicht, dass es sich scheinbar um Schübe der Informationsvermittlung handelt. Aufgrund der Aktualität konzentrierte man sich zuerst auf Twitter, wobei dies abnahm, nachdem die ersten Online-Artikel veröffentlicht wurden. Dies lässt darauf schließen, dass die redaktionelle Aufarbeitung der Geschehnisse den Aktualisierungsdrang in den Hintergrund rücken lässt. Die zweite Ballungsphase auf Twitter tritt mit der Identifizierung des ersten Attentäters auf, wobei die Dichte der Tweets jedoch nicht die des Anfangsstadiums erreicht.

Timeline: 15.11.15 und 16.11.15

Abbildung 6Die zweite Timeline konzentriert sich auf den 15. und 16. November 2015. Es ist deutlich erkennbar, dass hier eine wesentlich ausgeglichenere Verteilung der Tweets vorherrscht. Ballungszentren sind nicht mehr erkennbar. Zudem zeigt sich, dass zu den normalen Redaktionszeiten getwittert wurde. Anhand der Timeline kann spekuliert werden, dass ein geregelter Redaktionsalltag eingetreten ist und die Dringlichkeit der Nachrichtenverbreitung in den Hintergrund rückt. Es ist festzuhalten, dass sich die Reaktionszeit von faz.net und Spiegel Online kaum voneinander unterscheidet, sodass sich keines der Medien als das Schnellere abheben konnte.