Potentiale des Web 2.0

Das Web 2.0 bietet bisher ungeahnte Möglichkeiten zum öffentlichen Diskurs. Jedem Internet-Nutzer steht es nun frei, seine persönlichen Gedanken zu veröffentlichen und sie so einem großen Publikum zugänglich zu machen. Man könnte sich vorstellen, dass Privatheit und Öffentlichkeit an den Enden eines Kontinuums verortet sind. Auf diesem Kontinuum kann sich jeder Teilnehmer des Social Webs selbst verorten. So können Informationen in geschlossenen Gruppen via Sozialen Netzwerken ausgetauscht oder in Form von Blogs der gesamten Internetöffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Durch neue Kommunikationsstrukturen im Web 2.0 hat sich Öffentlichkeit zwangsläufig verändert. Im 18. Jahrhundert diente Öffentlichkeit zur Interessenvermittlung zwischen Gesellschaft und Staat. In der massenmedial geprägten Öffentlichkeit kommt nun den Massenmedien eine Monopolstellung hinsichtlich der Vermittlung und Auswahl von Themen zu. Dieses Öffentlichkeitsmonopol wird durch die Möglichkeit der Erzeugung von User Generated Content aufgelöst. Den Nutzern wird dadurch eine Möglichkeit zur Formung einer kritischen Gegenmacht gewährt. Die Funktion der derzeitigen Öffentlichkeit besteht nunmehr darin, einen öffentlichen Diskurs herzustellen. Dadurch wird auch die Validierungsfunktion von Öffentlichkeit mit neuem Leben erfüllt. Erst durch eine kritische Gegenmacht können Themen eventuell revidiert werden.
Das Web 2.0 bietet die Möglichkeit der Integration von Kommunikationstypen und flexiblem Rollentausch. Kommunikationsinhalte können interaktiv von Einzelnen, aber auch von Teilöffentlichkeiten beliebig bearbeitet werden (vgl. Wimmer: 139).

Das Internet vereinfacht außerdem den kommunikativen Zugang zur Öffentlichkeit: Jeder kann ohne allzu großen Aufwand Kommunikator oder Anbieter sein (Partizipation). Und es erlaubt den flexiblen Wechsel zwischen der Kommunikator- und der Rezipientenrolle (Interaktivität). Die strikte Rollenfixierung und Teilnahmebegrenzung auf der Kommunikatorseite, wie sie in den traditionellen Massenmedien herrscht, ist potenziell überwunden. Auch die Möglichkeiten der wechselseitigen Beobachtung und Orientierung sind im Internet besser als in den traditionellen Massenmedien (Transparenz) (Neuberger 2009: 23).

Weiterhin lösen sich die Medien- und Angebotsgrenzen durch die Multimedialität im Internet auf. Verschiedene Medien können miteinander kombiniert werden. Während bei traditionellen Massenmedien die Inhalte in ihrer Darstellungsform unterschieden werden, vereint das Internet die vorher voneinander getrennten Darstellungsformen, wie Text, Foto, Grafik, Video, Audio und Animation in einem. Angebotsgrenzen können durch Selektionshilfen wie Hyperlinks und Suchmaschinen überwunden werden und ermöglichen somit einen gezielten Zugriff auf bestimmte Informationen (vgl. Neuberger 2009: 23 f.). Und letztlich erweitert sich die Raum- und Zeitdimension. Insbesondere auf den Journalismus bezogen wird durch das Internet die Informationsrecherche und -produktion beschleunigt und dezentralisiert. Zudem verbindet „das Internet […] die Stärken eines Online- Mediums (permanente und rasche Verbreitung) mit jenen eines Offline-Mediums (Speicherfähigkeit): Ältere Beiträge bleiben im Internet verfügbar; Altes kann mit Neuem verknüpft werden (Additivität)“ (Neuberger 2009: 24). Aufgrund der strukturellen Veränderungen durch das Internet ist demnach ein neues Öffentlichkeitsmodell notwendig.