Narration, Medialität und Moral sind die Spitzenreiter online

Das Forschungsprojekt zeigte, dass der narrative Diskurs, die Medialität und der moralische Diskurs auf den untersuchten journalistischen Websites am häufigsten auftraten.

Dieser sich andeutende Trend verweist grundsätzlich darauf, dass der Online-Journalismus seinen Fokus nicht mehr auf die reine Berichterstattung legt, sondern versucht mit den neuen Gegebenheiten umzugehen und die sich bietenden, digitalen Möglichkeiten zu nutzen.

So stehen die drei überwiegend vorherrschenden Diskurs-Typen für drei grundsätzliche Strategien, um Inhalte online darzustellen:

Das narrative Erzählen wird genutzt, um den Leser zu interessieren und neugierig zu machen, sowie um ein möglicherweise trockenes Thema spannend zu gestalten. Sprachlich sind Narrationen durch zahlreiche Stilmittel ausgeschmückt und sollen den Inhalt anschaulicher und attraktiver gestalten. Jedoch bleibt die Einbindung visueller oder auditiver Elemente ungenutzt, weswegen der narrative Diskurs demnach als eine Art Zwischenschritt in der Entwicklung der Darstellungsformen online verstanden werden kann. Der Artikel wird nicht mehr nur aus dem Printformat übernommen, wie es zu Beginn des Online-Journalismus oft der Fall war, sondern hinsichtlich der Erwartungen und Anforderungen der Nutzer online umgestaltet und umformuliert. Mit Texten narrativer Art geht zudem meist eine Komplexitätsreduzierung einher – dem Leser soll so der Berichtgegenstand vereinfacht und verständlich dargestellt werden. Dieser Diskurs lässt jedoch weitere zahlreiche Möglichkeiten des Internets ungenutzt und kann deshalb als noch nicht ausgereift verstanden werden.

Die Medialität hingegen fokussiert sich überwiegend auf den Einbezug Sozialer Netzwerke. Nicht nur Fotos, insbesondere auch Screenshots von Facebook oder Twitter werden als visuelle Elemente in die Artikel eingebaut und sollen das Spiegelbild des gesellschaftlichen Denkens abbilden. Zudem wird dadurch deutlich, wie stark visuell geprägt unsere Kultur ist (vgl. Isermann 2015: 31). Die Interaktion bei Texten solcher Art ist überwiegend sehr hoch, was mitunter an der hohen Präsenz der Teilen- und Kommentarfunktion liegt. Medial aufbereitete Texte richten sich hauptsächlich an junge Nutzer und lassen demnach den älteren Teil der Bevölkerung ab 45 Jahren, der wie zu erwarten überwiegend nicht aktiv in Sozialen Netzwerken ist (vgl. Statista 2014), unberücksichtigt. Außerdem lenken die zahlreichen Elemente vom Text ab, der in seiner Qualität meist nicht herausragend ist. Durch das einfache Einfügen von „Stimmungsbildern“ wird viel Zeit eingespart, die normalerweise zur Recherche einer den Qualitätskriterien entsprechenden journalistischen Publikation gebraucht würde. Dieser Diskurs-Typus scheint somit aufgrund seiner schnellen und preisgünstigen Produktion häufig aufzutreten. Er nutzt zwar zahlreich die Möglichkeiten, die sich ihm online bieten, lässt aber dadurch die textliche Publikation, die im Mittelpunkt einer journalistischen Website stehen sollte, zu sehr außer Acht.

An dritter Stelle steht der moralische Diskurs, der sich mit direkten Apellen in Form von Handlungsempfehlungen oder –anweisungen und Ratschlägen an den Leser wendet.

Das klassische Qualitätskriterium der Objektivität wird hier missachtet, denn der Autor äußert seine Meinung, wenn auch indirekt. Nach Hoofacker sollte die klassische Trennung zwischen Information und Meinung jedoch immer gegeben sein, egal um welche Art Medium es sich handelt (vgl. Hoofacker 2016: 140). Oft sind zudem ironische oder sarkastische Elemente im moralischen Diskurs vorherrschend. Websites, die den moralischen Diskurs häufig nutzen, finanzieren sich in Abhängigkeit dazu, meist auch über Spendenmodelle. So ist es zumindest bei Netzpolitik und Übermedien der Fall. Der Aufruf zur Spende als ein moralischer Appell an den Nutzer stimmt somit mit dem häufig genutzten Diskurs-Typus überein.

Als Begründung für das häufige Vorkommen des moralischen Diskurses lassen sich vorerst ebenfalls nur Vermutungen anstellen. So scheint auch in diesem Fall der Aspekt einer schnellen und kostengünstigen Produktion wichtig zu sein – denn die Recherche kommt bei Texten dieser Art meist zu kurz. Der Autor bezieht sich zwar auf ein Thema, zu dem er sich vorher grundlegend informiert haben muss, seine Meinung als Schwerpunkt des Artikels bedarf jedoch keiner klassischen Nachforschung. Außerdem werden überwiegend Themen im moralischen Diskurs behandelt, welche die Existenz einer journalistischen Publikation nicht unbedingt rechtfertigen. Es scheint als würden die Medientreibenden die Moral als „Lückenfüller“ nutzen und zunehmend klassische journalistische Artikel, die den Qualitätskriterien entsprechen und tagesaktuelle Informationen enthalten, unbeachtet lassen.

Bezüglich der anderen existenten Darstellungsformen ließ sich keine prägnante und aussagekräftige Tendenz feststellen. So nutzen die journalistischen Websites unterschiedliche Textsorten, da sich jedes Thema für eine jeweils andere multimediale Umsetzung eignet. Außerdem soll dem Nutzer eine möglichst große Auswahl und Vielfalt an verschiedenen Themen als auch Darstellungen geboten werden.

Festzuhalten ist außerdem, dass sich stets neue Diskurs-Typen entwickeln. Dies geschieht allein schon bei bestimmten Kombinationen von Darstellungsformen, weswegen häufig eine exakte Isolierung einzelner Typen in der Untersuchung schwerfiel. Dies deckt sich mit den Beschreibungen von Heijnk (2011: 263). Er geht davon aus, dass noch einige Zeit dauern wird, bis es eine klare Definition digitaler Darstellungsformen gibt. Diese Untersuchung kann daher lediglich als erster Schritt in die Richtung verstanden werden, eine Typologie neuer Online-Formen zu entwerfen.

Mit dem Online-Journalismus gehen insgesamt veränderte Anforderungen an den Journalisten einher. Das Projekt zeigt unter anderem, dass sich der Online-Journalismus durch neun vorherrschende Diskurs-Typen zu behaupten versucht und seinem Publikum dadurch ein breites Angebot an Textsorten und Darstellungsweisen präsentiert – nicht zuletzt um den Erwartungen der Rezipienten gerecht zu werden.

Zudem verweisen alle drei sehr häufig vorkommenden Diskurs-Typen auf einen gewissen Qualitätsverlust im Online-Journalismus hin. Der Text als journalistische Eigenleistung verliert zunehmend an Bedeutung, sei es durch den Fokus auf Soziale Netzwerke, die subjektive Meinung des Autors oder das narrative Erzählen. Stattdessen wird ein Gegenstand, der bereits in den Medien präsent war, aufgegriffen, neu gedeutet und durch andere Blickwinkel dargestellt. Demnach kann hier nicht von einer Eigenproduktion, sondern viel mehr von einer Weiterentwicklung der inhaltlichen Darstellung gesprochen werden. Die zwingend notwendige und stetig zunehmende Schnelligkeit bei der Produktion und Publikation von Inhalten, die insbesondere bei tagesaktuellen Geschehnissen obligatorisch ist, scheint sich somit auf das klassische Verständnis des Journalismus negativ auszuwirken. So scheint es für ein journalistisches Medium insbesondere wichtig zu sein, etwas zu einem behandelten Thema beizutragen, um im Wettbewerb zu bestehen – die Art und Weise sowie die Qualität des Beitrags scheint dabei eher zweitrangig zu sein.

Inwieweit sich dieser Trend auch in Zukunft fortsetzen wird, bleibt ungewiss. Die Anfänge in der Beziehung Journalismus und Internet sind jedoch vorerst gemacht – und obwohl der Start insbesondere für den Journalismus nicht leicht war, scheinen sich die beiden zunehmend miteinander zu arrangieren.